König Lear im Visier
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No Kings? King Lear! Im Sommer 2025 und zum 18. Oktober geisterten unzählige Fotos und Filmaufnahmen zahlreicher No-Kings-Proteste durch die TV-Kanäle und die sozialen Medien. In den Vereinigten Staaten steht No Kings gegen die Politik Donald Trumps, die „zunehmend autoritär bis diktatorisch“, ja sogar als „monarchisch“ oder „faschistisch“ wahrgenommene kritisiert wird.
Mit rund sieben Millionen Demonstranten und Demonstrantinnen zählen die Kundgebungen Mitte Oktober nicht nur zu den teilnehmerreichsten in der Geschichte der USA, sondern fielen zufällig auch in einen Zeitraum, der genau in die Halbzeitpause eines der wohl bekanntesten königlichen Theaterstücke weltweit fällt: König Lear.
Meinen Narren haben sie erhängt. Warum darf ein Hund, ein Pferd, eine Ratte ein Leben haben und du darfst nicht mehr atmen?
... dies sind einige der letzten Worte, bevor König Lear (in der Textfassung von Miru Miroslava Svolikova) für die Vereinigten Bühnen Bozen stirbt. Der von Intendant Rudolf Frey inszenierte und auf zwei Stunden und 40 Minuten angesetzte Theaterklassiker ist ab Donnerstag wieder auf der Bühne zu sehen. Herrscher Lear – wuchtig dargestellt von Alexander Ebeert – will abdanken und sein Reich unter seinen drei Töchtern Goneril (Jasmin Mairhofer), Regan (Swintha Gersthofer) und Cordelia (Miguel Jachmann) aufteilen.
Aufgeteilt ist schon einmal die Studiobühne. Eine schräg durch den Raum verlaufende Mauer ermöglicht es, darauf entlangzuschreiten; eine kleine Treppe an der Wand erlaubt einen Blick darüber hinweg. Im Hintergrund hängt eine Schaukel vom Oberboden herab. -
Alles beginnt, als der alte Patriarch um die Liebe seiner Töchter bettelt. Während sich Goneril und Regan mit plumpen Schmeicheleien gegenseitig in ihrer Zuneigung zu übertreffen suchen, weigert sich Lears Lieblingstochter, eine "Schleimspur" Richtung Vater zu hinterlassen. Der Vater empfindet das als Verrat, enterbt sie und teilt das Reich zwischen den beiden älteren Töchtern auf. Der Narr – närrisch verspielt dargeboten von Gerti Drassl – kommentiert fortan die Ereignisse mit bitterem Spott und entlarvt die Torheit des Königs.
Der grandiose Machtzerfall im alten Shakespeare-Stück mit den zeitnahen No-Kings-Protesten im Schädel kommt der Krönung mit einer Narrenkappe gleich.
„Alle anderen Titel hast du schon verschenkt, mit diesem hier warst du geboren“, sagt auch Kent (Theo Helm) in den wahren Worten des Narren. -
Ein weiteres Familiendrama entfaltet sich um den Grafen Gloster (Patrizia Pfeifer), den rechtmäßigen Sohn Edgar (wieder Miguel Jachmann) und den unehelichen Sohn Edmund (Martin Valdeig). Die Geschichte will es, dass Gloster seinen wahren Sohn verstößt und sich Edmund zuwendet, der ihn verrät. Bis Gloster die Augen herausgerissen werden. Die Szene erinnert an einen einen Splatterfilm.
Nie waren die Narren so geistlos als heute,
da weise Männer Narren sind.
Sie wissen nicht, ihren Verstand zu tragen,
packen ihn auf einen Karren –
Lear wohnt mit seinem Gefolge abwechselnd bei Goneril und Regan, merkt aber bald, dass er mehr als unerwünscht ist. Heimatlos und gebrochen, lässt er sich vom tobenden Unwetter treiben, begleitet vom Narren (und dem verkleideten Kent). Dann verliert Lear zunehmend den Verstand, erkennt seine menschliche Nacktheit.
Die Narrenfigur fungiert als poetisches Gewissen, verstummt aber immer mehr. Der verrückte King "übernimmt". Der grandiose Machtzerfall im alten Shakespeare-Stück mit den zeitnahen No-Kings-Protesten im Schädel kommt der Krönung mit einer Narrenkappe gleich. -
Vorstellung für Schüler und Schülerinnen und Studierende
Am morgigen Donnerstag findet auch eine sogenannte Schüler-Vorstellung am Vormittag statt. Drei Klassen von Berufs- und Privatschulen werden sich das Stück ansehen. Auch eine Gruppe von Studierenden der Uni Innsbruck. Die weiteren Abendtermine: 6., 7., 8. November um 19.30, am 9. November um 18 Uhr.
Info und TicketsAm 4. 5. 6. und 7. Dezember wird Re Lear im großen Saal des Teatro Stabile gezeigt. In italienischer Sprache.
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