Neuer HGV-Chef
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Klaus Berger ist zum neuen HGV-Chef gewählt worden. Ich gratuliere. Vor über 30 Jahren habe ich im Gastbetrieb seiner Familie, im Hotel Post Gries gekellnert, als Kommis-Kellnerin. Selbst aus einem Hotelbetrieb kommend, war es für mich eine harte Schule, nach meiner Matura auswärts als ganz normale Kellnerin zu arbeiten. Wir hatten harte Turnusse, wir wohnten in der Telser Galerie, der Seniorchef hatte klare Vorstellungen von Hierarchie und Führung. In den drei Monaten, die ich dort arbeitete, hatte ich furchtbare Lust auf Spinatknödel, daran erinner ich mich lebhaft. Fürs Personal gab es die nicht.
Das Hotel Post Gries war ein richtiges Dorfgasthaus, mitten in der Stadt. Die Gäste kamen mit Bussen aus Deutschland, aber es kamen auch die Grieser, zum Weißen am Vormittag, zum Karterle, zum Familienessen am Wochenende und zur Blutwurst im Herbst. Das Hotel Post hat sich in die heutige Zeit gerettet, für Gries ist das ein Gewinn.
Dass mit Klaus Berger nun ein Vertreter der „Under 4*“ die Führung des HGV übernimmt, finde ich sehr gut. Dringend hat der Hoteliers- und Gastwirteverband den Blick „von unten“ nötig. Klaus Berger hat denn auch gesagt, dass er alle Kategorien vertreten möchte, und das ist gut so. Immer wieder staune ich, wie sehr sich der Südtiroler Tourismus zum Hochpreissegment entwickelt. Aus dem Land der Familienpensionen wurde das Eldorado der Resorts, der modern designten dunklen Kuben, die innen mit viel Holz, Metall und Glas den Blick auf die, inzwischen bald überall präsenten, Dolomiten bieten. Manche Dörfer haben sich ganz und gar diesem Tourismus und diesem Erscheinungsbild verschrieben. War früher das Hotel Teil des Dorfes, so gibt es inzwischen Orte in Südtirol, in denen das Dorf Randerscheinung gegenüber den Hotels geworden ist. Klaus Berger übernimmt den Hoteliers- und Gastwirteverband zu einem Zeitpunkt, in dem sich der Blick der Südtiroler:innen auf den Tourismus von dankbar zu kritisch gewandelt hat. Die, ich würde sagen, Unterwerfungshaltung ist einer weitgehenden Ungeduld gewichen. Die Leute im Land sind „stuff“, vom Andrang, von den verstopften Straßen und Verkehrsmitteln, den überrannten Bergen und Wäldern – und sie leiden unter den tiefer gehenden Folgen eines ausgeuferten Tourismus: Teuerung, Wohnungsnot, soziale Veränderungen. Man kann nicht mehr voraussetzen, dass ein allgemeiner Konsens zur Tourismusbranche besteht, im Gegenteil. Wer nicht daran verdient (und das sind viele, das sollte man nicht vergessen!), der leidet unter ihm. Der Tourismus droht zum Fremdkörper in Südtirols Gefüge zu werden, und das wäre fatal. Die Gefahr ist real. Immer größere, abweisendere, Selbstgenügsamkeit ausstrahlende Hotelkörper haben immer weniger mit dem Alltag im Ort zu tun. Touristen sind nicht mehr „Gäste“, sondern werden als lästige Störer wahrgenommen. Weihnachtsmarkt und Ferragosto sind zu Horrortagen für die Einheimischen geworden.
Klaus Berger hat viel zu tun. Es gilt es einen neuen „Vertrag“ zwischen Tourismus und Gesellschaft zu schließen, sich gegenseitig zu inkludieren, die Ausbeutung zu verringern, das Ansehen zu stärken, den Gewinn für die Allgemeinheit zu fixieren. Über eine gerechtere Ortstaxe wird ebenso zu reden sein wie über Bettenbremse und Lebensmittelkennzeichnung, über Diversifizierung der Gäste ebenso wie über ihr Mobilitätsverhalten, über Hotspots, Marketing und die Magnetwirkung der Megaevents. Ich wünsche ihm eine glückliche Hand, viel Geduld und Mut zu jener neuen Bescheidenheit, die es für unseren Tourismus wohl brauchen wird, wenn wir ihn in die Zukunft bringen wollen.
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