Politics | Lega

In der Rolle des Populisten

Sergio Armanini ist das deutschsprachige Vorzeigegesicht der Lega in Südtirol. Wer ist der 49-jährige Meraner, der von sich selbst sagt, ein “Macher” zu sein?
Sergio Armanini
Foto: Facebook/Sergio Armanini

Die Pose mit dem ausgestreckten Zeigefinger hat er schon von Matteo Salvini kopiert. Sergio Armanini kennt seinen Parteichef persönlich – und bewundert ihn. Weil Matteo Salvini ein Macher ist, “A sagt und A macht”. Das schätzt Armanini am “Capitano”. Sieht er sich doch selbst auch als Macher.

Die Rolle, die Sergio Armanini seit dem 21. Oktober in seiner Partei eingenommen hat, scheint ihm zu gefallen. Schon im Wahlkampf war der 49-jährige Meraner viel im Westen Südtirols unterwegs. Weil er perfekt deutsch spricht und “nicht auf die Schnauze gefallen” ist, wie er ganz unbescheiden von sich selbst sagt, wird Armanini auch nach den Wahlen in deutschsprachigen Diskussionsrunden und Interviews herumgereicht.

 

Über die SVP zur Lega

 

Armanini ist als Immobilienmakler tätig – “auch, aber nicht nur”, präzisiert er –, war von 2010 bis 2013 Vizepräsident der SASA AG und ging 2015 unter die Buchautoren. “Durch intelligentes Sparen Wohlstand erlangen”, so der Titel seines Ratgebers.

Die Rolle als “Lega-Vertreter” nimmt er dankbar an, tingelt durch TV-Studios, wimmelt geschäftig Journalisten ab, die wegen der Verhandlungen zur Regierungsbildung auf Landesebene bei ihm landen. Dass er nicht in der Delegation der Lega sitzt, die mit der SVP das Regierungsprogramm aushandelt, kommt ihm nicht ganz ungelegen. Die Neugierde, die – man beachte – nach den Wahlen an den Südtiroler Leghisti entbrandet ist, weiß Armanini geschickt zu nutzen.

 

Im Wahlkampf hat Armanini gegen die “linke SVPD” Stimmung gemacht und mit Aussagen wie “wenn wir die Autonomie stärken wollen, müssen wir die Abhängigkeit von der SVP abbauen” um Wählerstimmen gebuhlt. Dabei war die Volkspartei einst seine erste politische Heimat.
In den 1990er Jahren ist er in der SVP tätig, kandidiert sogar für den Gemeinderat. Bis er Zweifel bekommt. Mit seinem Namen – “italienischer als so geht nicht” – und seiner föderalistischen Überzeugung – er träumt von italienischen Bundesländern oder Kantonen – habe er sich in der SVP bald heimatlos gefühlt, berichtet er. 15 Jahre reist er in der Welt herum, kehrt nach Südtirol zurück, wird sesshaft. Und sagt sich: “Mander, es isch Zeit.” 2009 ruft er die Lega Nord in Meran ins Leben.

 

Macher, aber kein Populist

 

Als einer, der sich zu den “richtig Alten der Lega” zählt, hat er kein Problem mit Matteo Salvini. Seit dieser 2013 die Partei übernommen hat, bringt er sie auf einen immer schärferen und nationalistischeren Kurs. Das “Nord” kommt der Lega abhanden. Armanini winkt ab. Der Föderalismus sei mit Salvini nicht in den Hintergrund gerückt, das Statut der “Lega per Salvini Premier”, das ein föderalistisches Italien als Ziel sieht, sei der Beweis dafür.

Wer sich eine Weile mit ihm unterhält, merkt: An Ego mangelt es Sergio Armanini nicht. Die Kritik an seiner Partei und allen voran an Parteichef Matteo Salvini, wischt er mit einem knappen Kommentar vom Tisch: “Selektive Wahrnehmung.” Jeder sieht nur das, was er sehen will.

Der Leader, der starke Mann, imponiert dem Meraner. Klar, Salvini polarisiere, “weil er redegewandt ist und in einer Sprache spricht, die jeder verstehen kann”. Ein Populist also. “Nein, das ist er nicht.” Armanini reagiert allergisch auf dieses Wort. Im Gegensatz zu seinem Parteichef. Salvini behauptet von sich selbst: “Sono e rimarrò orgogliosamente populista.” Den Begriff Populismus – “das bedeutet, dem Volk sagen, was es hören möchte” – verwendet Armanini lieber, um seine politischen Widersacher zu denigrieren, wie sich später im Gespräch noch herausstellen wird. Auch einen anderen Begriff will er vom Tisch haben: “Matteo Salvini ist nicht im permanenten Wahlkampf, auch wenn das von bestimmten Kräften so definiert wird. Sondern die Volksnähe liegt in der DNA der Lega, wir sind immer unter den Leuten und haben deshalb verstanden, welche die Probleme sind.” Etwa? “Die unkontrollierte Migration.”

 

“Die Abgehobenheit der bisherigen Regierungsparteien in Rom hat erst dazu geführt, dass eine Lega heute stark ist”, sagt Armanini ohne Umschweife. Im Unterschied dazu spricht man bei der Lega “nicht mehr ‘politichese’, sondern jetzt werden Sachen umgesetzt.” Und das nicht ohne laute Töne oder provozierende Tweets. Ein Regieren im Leisen – nicht Matteo Salvinis Stil. Die volle Ladung umsorgender Volksnähe des Matteo Salvini haben nicht zuletzt die tausenden (zumeist ausländischen) Besucher des Kastelruther Spatzenfestes eine Woche vor den Landtagswahlen abbekommen. Immerhin 31.515 Stimmen hat diese Strategie seiner Partei am 21. Oktober eingebracht.

 

Den Stempel aufgedrückt

 

Als 40-Jähriger tritt Sergio Armanini 2010 als Bürgermeisterkandidat der Lega Nord in Meran an. In den Gemeinderat schafft es damals einzig Alessandro Maestri, der 2015 wieder gewählt wird. Gemeinsam mit Rita Mattei, für die Sergio Armanini nach den heurigen Landtagswahlen in den Gemeinderat nachgerückt ist. Selbst hat Armanini am 21. Oktober 641 Vorzugsstimmen erhalten – neun Mal so viel wie bei den Gemeinderatswahlen 2015. “Ich habe mich vor allem auf die deutschsprachigen Südtiroler fokussiert.” Einen Teil des Erfolges, den die Lega bei den deutschsprachigen Wählern eingefahren hat, schreibt er sich zu. “Ich bin einer, der macht!”

Als “zielstrebig, kämpferisch und wenn nötig stur” beschreibt Armanini sein politisches Profil. “Konstruktiv und produktiv” will er sich in die Meraner Gemeindepolitik bis zu den nächsten Wahlen 2020 einbringen. Fragt man politische Gegner, wie sie Sergio Armanini erleben, fallen Worte wie “inhaltsschwach”, “ironisch bis spöttisch”, “flapsig”. “Er wirkt softer als so manch anderer Leghista”, sagt einer, der Armanini bei seiner ersten Gemeinderatssitzung am 21. November erlebt hat.

“Realpolitik” ist ein Wort, das Armanini selbst gern in den Mund nimmt. Aber klare politische Visionen sind auch in einem halbstündigen Gespräch mit ihm schwer auszumachen.
Über die Inhalte der Verhandlungsgespräche zwischen Lega und SVP mag – oder kann – er nichts sagen. Dennoch ist er überzeugt: “Die Lega wird dem Regierungsprogramm ihren Stempel aufdrücken. Denn was wären wir ansonsten? Vier Hampelmänner, die das grüne Knöpfchen drücken?” Das ist mit uns nicht zu machen, signalisiert die Mimik des 49-Jährigen.

 

Fragwürdiges Rollenverständnis

 

Sein Image vom stets gut gelaunten, um kein Wort verlegenen und für alle zugänglichen Volksvertreter pflegt Armanini säuberlich. Rassismus? Spiele in seinem Leben und politischem Wirken keine Rolle. Mit der Tatsache dass seine Ex-Freundin “schwarz und aus Kuba” ist, ist für die Zweifler der Gegenbeweis erbracht. Ausländerfeindlichkeit? Mag er nicht kennen. Dass Kriegsflüchtlinge und Menschen, die aus Angst vor Verfolgung ihr Land verlassen, aufgenommen werden sollen, “darüber brauchen wir nicht reden”, schiebt Armanini ein. “Was wir nicht brauchen, sind Wirtschaftsmigranten.”

Aus dem Konzept bringen lässt sich Sergio Armanini kaum. Auch nicht, als die Sprache auf seinen Facebook-Kommentar fällt, der ihm vor vier Jahren italienweit zu unrühmlicher Bekanntheit verholfen hat.
“ma perchè non le mettiamo un burka e la facciamo andare in Nigeria?? forse dopo il centesimo stupro si sveglierà….” schreibt Armanini am 30. November 2014 unter einem Facebook-Post der damaligen Bozner Gemeinderätin Maria Teresa Tomada, in dem diese die Corriere-Journalistin Silvia Fabbi für ein Interview mit einem jungen Moslem heftig attackiert. Für seinen Kommentar erntet Armanini heftige Kritik und wird sogar von der eigenen Parteispitze zurechtgewiesen.

 

Vier Jahre später ist er auf die Frage vorbereitet. Frauenverachtendes sieht er bis heute nichts an seinem Kommentar. Er dreht die Rollen um, sieht den (Schreibtisch-)Täter Sergio Armanini als Opfer des “Artikelschreibers Christoph Franceschini”. Der salto.bz-Chefredakteur hatte 2014 als erster über den unsäglichen Kommentar berichtet. Er sei damals falsch verstanden worden, sagt Armanini. Dass sie vergewaltigt werde, “wünsche ich keiner Frau auf dem Planeten”, beteuert er. Sein Kommentar habe darauf abgezielt, einer Journalistin, die seiner Meinung nach “zu wenig kritisch” berichtet habe, klar zu machen, dass in Nigeria “wirklich Schweinereien” passieren. Rechtfertigt das den aggressiven Ton? Der sei nötig gewesen, “damit sie (die Journalistin, Anm.d.Red.) versteht, wie der Hase dort läuft”. Auf seine weiße Weste will er keinen Makel kommen lassen. Und greift dafür offensichtlich auf die “selektive Wahrnehmung” zurück, die ihm bei anderen nicht gefällt.

 

Gemischtes Glück

 

Armanini hat einen Draht zu den Freiheitlichen in Südtirol und Österreich – und zu Altlandeshauptmann Luis Durnwalder. “Ich habe mehrere Kontakte”, lächelt er. Auf nationaler Ebene zeigt die Lega keine Berührungsängste zu den Neofaschisten von CasaPound. “Ci sono politiche che condividiamo con CasaPound”, eröffnete der Südtiroler Legachef Massimo Bessone vor wenigen Monaten. Dass die Lega und CasaPound miteinander “pakteln” würden, tut Armanini aber schlichtweg als “linksgerichteten Populismus” ab.

Wenn Matteo Salvini ruft, kommt auch Sergio Armanini auf die römische Piazza del Popolo. Am Samstag wird er sich auf den Weg nach Rom machen. “Es wird ein kurzes Gespräch mit dem Matteo geben”, verrät Armanini. Auch ein Selfie? “Selfie braucht’s keines.”

Das Rätsel um seine vorzüglichen Deutsch- und Dialektkenntnisse ist übrigens schnell gelöst: “Ich hatte großes Glück.” Seine Mutter, eine deutschsprachige Südtirolerin, habe mit ihm zu Hause stets Deutsch gesprochen, während er sich mit seinem Vater, einem Trentiner, auf Italienisch unterhalten habe. “Auch im Freundeskreis war ich immer gemischt unterwegs.”

Sergio Armanini – ein Glücksfall für die Lega? Fakt ist, dass er für die Partei in Südtirol wichtige Arbeit leistet. Gerade ist man dabei, im Vinschgau eine eigene Sektion zu gründen. Unter tatkräftiger Mithilfe von Armanini. Der sieht seine Partei spätestens nach den letzten Wahlen klar positioniert: “In Südtirol ist die Lega de facto eine interethnische Partei.”