Culture | Kinokultur

Blaue Vorreiter

Der Film zum Künstlerpaar Gabriele Münter und Wassily Kandinsky läuft heute in Bozen an. 1908 waren beide selber in dieser Gegend herumgelaufen. Eine Spurensuche.
Münter und Kandinsky
Foto: CCC Cinema und Television GmbH
  • Der im Juli 2024 auf dem Filmfest München erstmals präsentierte Spielfilm Münter & Kandinsky unter der Regie von Marcus O. Rosenmüller hat seit dem offiziellen Kinostart viele Zuschauer*innen in die Kinosäle gelockt. Das Biopic-Drama dauert knapp über zwei Stunden und schildert das Zusammen- und Auseinanderleben des Künstlerpaares ab der Jahrhundertwende bis vor dem ersten Weltkrieg. Der Plot des Film beginnt aber zunächst mit dem Jahr 1942 und zeigt, wie die Gestapo das Haus der Mitsechzigerin Gabriele Münter nach Werken ihres früheren Lebensgefährten durchsucht: Wassily Kandinsky. In der Rückblende werden Münters Erinnerungen erzählt: die Malschule, das sich Verlieben in den elf Jahre älteren Kandinsky, das gemeinsame Glück auf Reisen. Aber auch die späteren Nachwehen.

  • Südtiroler Frühling

    Malen in der Landschaft: Gabriele Münter (Vanessa Loibl) an der Staffelei. Foto: CCC Cinema und Television GmbH

    Nach Jahren des Unterwegseins mit einem finalen Aufenthaltsjahr in Paris kehrten Münter und Kandinsky nach Deutschland zurück, verbrachten den Winter 1907/1908 in Berlin und fassten im Frühsommer 1908 den Entschluss ihr Wanderleben zu beenden und sich dauerhaft irgendwo niederzulassen. Zuvor besuchten sie noch im Frühjahr Südtirol und weilten mehrere Wochen in Lana. Wie sehr sie Umgebung und Pflanzenwelt dort beeindruckten, haben sie bildhaft festgehalten. Auf Fotos und auf der Leinwand. Auch wenn im neuen Spielfilm zu den beiden Künstlerpersönlichkeiten Südtirol keine Rolle spielt, wird der (gegenseitigen) Leidenschaft der beiden für Fotografie und Malerei viel Aufmerksamkeit geschenkt.
    Zu Südtirol gibt es von Münter und Kandinsky tatsächlich eine Reihe von Belegen. Beispielsweise Fotoaufnahmen (und Postkarten), anhand derer die Reiseroute vage nachgezeichnet werden kann. Was liegt zu den prominenten Südtirol-Besucher*innen noch im Archiv? „Meine Hauptquelle für den Aufsatz waren die Skizzenbücher, die sich in der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung in München befinden“, erinnert sich die Kunsthistorikerin Helena Pereña, die vor einigen Jahren für einen Aufsatz für die Publikation "Tirol - München: Begegnungen von 1880 bis heute" zu den Reisen in die Alpen des Künstlerpaares veröffentlichte. Mittels der Skizzenbücher konnte sie die Reiseroute einigermaßen genau rekonstruieren. 

  • Unter freiem Himmel

    Lana: Eine Kopie zu Wassily Kandinskis Bild "Lana". In Lana. Kandinskys Sprung Richtung Abstraktion ist in "Lana" noch nicht sehr ausgeprägt. Konturen, Proportionen und Raumbezug lassen dennoch erkennen, wohin die künstlerische Reise gehen wird. Foto: Flyle

    Während Münter die Baumblüte in Lana ausdrucksstark auf Leinwand bannte, hat sich von Kandinsky ein Bild mit dem Titel "Lana" erhalten. Der Historiker Simon Terzer machte den Künstler Hannes Egger (beide aus Lana) vor rund fünf Jahren auf das Motiv Kandinskys aufmerksam. Sie entdeckten darauf das Haus von Eggers Kindheit und sein heutiges Wohnhaus. Egger ließ sich einen erschwinglichen Druck der inzwischen sündteuren Malerei anfertigen. Es ist eine honorige Erinnerung an die Reise der großen Künstlerpersönlichkeiten, die vor Eggers Daheim einst Halt machten.
     

    Die Künstlerin und der Künstler fertigten dort mehrere Skizzen...


    Erhalten hat sich auch eine Postkarte (an Münters Vater), die einen blühenden Baum in Kampill bei Bozen zeigen. Eine weitere Postkarte offenbart Lana von der Gaulschlucht aus. Die angemerkten Zeilen auf der Rückseite "Wir / wollen durch Vintschgau über Mals", weisen auf die Rückreise hin. 
    Neben den vielen Aufnahmen zu blühenden Bäumen in Lana haben sich unter den dokumetarischen Fotos von Gabriele Münter auch Aufnahmen zur Fürstenburg, Marienberg, Burgeis oder zum Haidersee erhalten. Ein Foto zeigt Kandinsky wie er mit dem Wanderstab auf die Berge zeigt, ein anderes wie Münter müde auf den Knien eines Weges nicht mehr weiter kann (oder will). „Es wäre spannend in den lokalen Archiven zu recherchieren“, findet die Kunstexpertin Helena Pereña „ob es noch irgendetwas zu den beiden gibt. Da könnte sich vielleicht noch irgendeinen Gästebucheintrag finden.“  Vielleicht sogar im Überetsch. Die Künstlerin und der Künstler fertigten dort mehrere Skizzen, die sehr ausführlich die Gegend um Eppan, insbesondere Montiggl, die Gleif-Kapelle, St. Pauls und Hocheppan dokumentieren. 

  • Blaue Reiter: Ein mittelalterliches Spektakel (Eppaner Burgenritt) als Gegenpart zum Wolkensteinritt setzte in den 1990er Jahren auf blaue Reiter und Reiterinnen in Eppan. Die Verbindung mit dem "blauen Reiter" von Münter und Kandinsky ist lediglich ein verblüffender Zufall. Foto: TV Eppan

    Münter wie Kandinsky ließen sich ein Jahr nach dem Südtiroler Frühling 1909 in Murnau am Staffelseenieder, wo sie zunächst ein Haus mieten, das Münter später kauft. 1911 gründet das Paar mit ihrem Freund Franz Marc die Künstlergruppe Der blaue Reiter. Dass in Montiggl und an anderen Örtlichkeiten der Großgemeinde Eppan in den 1990er Jahren viele blaue Reiterinnen und Reiter im Rahmen des vom Tourismusverein organisierten Eppaner Burgenritts verschiedene ritterliche Turniere und Hindernis-Parcours absolvierten, war Zufall und hatte mit dem großen Maler und der bedeutenden Malerin nichts zu tun. In Eppan hatte man nämlich von Münter und Kandinsky keinen blassen (oder blauen) Schimmer. 

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