Politics | SEL & Wahlen

Alle Schweine sind gleich...?

Letzte Woche hat die Landesregierung stolz verkündet, nun in Sachen Stromkonzessionen „die Rechtssicherheit und das Vertrauen“ wieder hergestellt zu haben.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Wie war das möglich? Ganz einfach. Es wurden die SEL-Computer hergenommen. Dort suchte man die als letzte abgespeicherten Dateien mit den mutmaßlichen Angeboten und die wurden kurzerhand, per Landesregierungsbeschluss zu „ursprünglichen Dokumenten“. Bezeichnenderweise, so bemerkte mein Kollege Riccardo Dello Sbarba, wird im gesamten Beschluss das Wort „ursprünglich“ zwischen Anführungszeichen gesetzt. Anführungszeichen geben an, dass man etwas zitiert. Vermutlich glaubt die Landesregierung selber nicht an das, was sie erzählt, unter Anführungszeichen. Ich will jetzt gar nicht in das Thema einsteigen, auch wenn es mehr als schäbig ist, wie Theiner und Kompatscher nun ihre Parteigenossen Leimer und Rainer als nicht nur schlechte, sondern auch als dumme Schwindler hinstellen, die am Karfreitag aus reiner Liederlichkeit millionenschwere Dokumente fälschten.
Das was mich darüber hinaus ärgert, ist ein anderer Aspekt. Er ist mir bewusst geworden, als ich am Freitag (kurioserweise wieder der Karfreitag) die Abgabe der Unterlagen für die Kandidatur unserer grünen Liste in Bozen begleitet habe. Um zu den Wahlen antreten zu können, müssen sich politisch interessierte Leute in genau ausgewiesenen Kombinationen zusammentun, eingehend ein viele Seiten dickes Gesetz studieren, x verschiedene Dokumente (von verschiedenen Behörden ausgestellt) zusammentragen, die passenden Stempel einholen (und wehe es ist der falsche!), von einer genau geregelten Anzahl von BürgerInnen diese Kandidaturen unterschreiben lassen, wobei jede Unterschrift von genau ausgewiesenen Personen beglaubigt werden muss, in ganz bestimmten Zeitfenstern und mit entsprechenden Vollmachten versehen diese Dokumente an der richtigen Stelle in dreifacher Fotokopie abgeben und dann hoffen und zittern, dass alles in Ordnung ist und nicht etwa ein falsches Geburtsdatum oder eine fehlende Ad-Hoc-Erklärung die ganze Mühe zunichte macht.
Diese Ochsentour ist für unsereins genau so normal wie für Unternehmen, die an Ausschreibungen teilnehmen und ihrerseits genau geregelte Prozeduren durchlaufen müssen, sich in entsprechende Portale eintragen, genau ausgewiesene Dokumente innerhalb exakter Fristen abliefern und am Ende womöglich noch Umschläge mit einem barock anmutenden Siegellack versehen müssen, um überhaupt teilnahmeberechtigt zu sein.
Anders unsere Landesenergiegesellschaft. Da genügen Dateien, die auf einem Server abgespeichert sind und die, guarda caso, noch günstiger sind fürs Land als die gefälschten. Ich hätte große Lust gehabt, letzten Freitag bei der Listenabgabe, zu sagen, bitte, sehen Sie auf dem Server der Grünen nach, da finden Sie alle Dateien zur Kandidatur. Indessen bin ich, wie alle anderen Parteien, im Parteibüro gestanden, habe alle Dokumente 3 x kopiert und dann haben wir sie eingereicht, innerlich bis zuletzt im Zweifel, ob wohl alles in Ordnung ist.
Eine schöne Demokratie, die in der wir leben, so viel wurde mir wieder einmal klar. Sie misst mit verschiedenerlei Maß. An sich selber legt das regierende System ganz offensichtlich andere Kriterien an als an andere. Der Satz von George Orwell in der Farm der Tiere fasst es einfach wunderbar zusammen: Alle Schweine sind gleich, und einige Schweine sind gleicher. Die Parodie auf heuchlerische diktatorische Gleichheitswahnkonstrukte trifft auch auf unser Land bezogen voll ins Schwarze.
Wir können ja versuchen, bei den nächsten Wahlen und Ausschreibungen alle auf die Dateien in unseren Servern zu verweisen. Wir werden sehen, ob gleiches Recht für alle gilt in unserem Land.
 

Wie sieht eine Reform zur Beseitigung dieser Missstände aus Frau Foppa?
#kommunale Wahlreform #Autonomes Wettbewerbsrecht #Umsetzung europäischer Richtlinien
???

Mon, 04/06/2015 - 20:59 Permalink

Ja, gute frage und guter impuls! Wahlrechtsreform für gemeindewahlen im regionalgesetz: schon dabei. Wird schwierig werden - hürden sind dazu da, den "kleinen" probleme zu machen. Große parteien haben funktionierende apparate und sind zudem noch bevorteilt, da keine unterschriften gesammelt werden müssen.
Die SEL-geschichte... noch schwieriger. Wenn der "pasticcio" mit einem weiteren "pasticcio" gelöst werden soll, dann seh ich ganz einfach schwarz. La toppa è peggio del buco, sagen die ItalienerInnen, das Flickwerk ist also schlimmer als das Loch. Mit gesetzen, zumal aus der minderheit stammend, wird leider nicht viel auszurichten sein, gegen eine politische kultur, die sich die dinge so zurechtschneidert wie es grad passt oder notwendig erscheint.

Mon, 04/06/2015 - 22:39 Permalink
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pérvasion

Es liegt mir fern, irgendwas im Zusammenhang mit den SEL-Fälschungen zu rechtfertigen. Ich versuche aber, das Vorgehen der LR nachzuvollziehen: Es ist ja nicht so, dass die SEL sich nicht um die Kraftwerke bewerben musste und das Land jetzt die Bewerbung selbst auf den Servern der SEL »abholt«. Vielmehr hatte sich die SEL zunächst beworben, mit Unterlagen, die nachträglich auf illegale Art und Weise ersetzt wurden. Da ist es doch legitim herausfinden zu wollen, was die ursprünglichen Dokumente enthielten. Grundsätzlich nicht falsch.
Auf einem anderen Blatt steht freilich, wie ehrlich man nun vorgegangen ist und wie glaubwürdig es ist, dass die ursprünglichen Unterlagen sogar vorteilhafter waren, als die gefälschten.

Tue, 04/07/2015 - 08:26 Permalink

Wie gesagt, es liegt mir fern, die SEL bzw. das Land zu verteidigen. Aber diejenigen, die für die Fälschung verantwortlich sind, wurden ja gesetzeskonform (wenngleich nach meiner persönlichen Auffassung zu leicht) bestraft. Nun hat man sich also darauf geeinigt, die ursprünglichen Unterlagen zu überprüfen. Ob dies korrekt gemacht wurde und/oder ob dies überhaupt zulässig ist, wird einer allfälligen Überprüfung standhalten müssen.
Was die Bevölkerung sagt, weiß ich nicht — wahrscheinlich wurde durch dieses Vorgehen jedoch noch größerer Schaden für den Steuerzahler, die Steuerzahlerin abgewendet. Oder sehe ich letzteres falsch?

Thu, 04/09/2015 - 12:15 Permalink