Culture | Salto Weekend
„Schuachplattler? Warum nicht?“
Foto: Südtirol Jazzfestival
Herr Widmann, der Verein WAAG feiert seinen zweiten Geburtstag. Anfangs hatte man weniger Aktivitäten, mit Ende letzten Jahres nahm die Tätigkeit stark zu. Welche Bilanz ziehen Sie für diese Zeit?
Klaus Widmann: Das neue Waaghaus war Ende 2019 bezugsbereit und wir wollten Anfang 2020 einziehen. Da kam Covid dazwischen und da sowohl der Kulturbetrieb, als auch die Gastronomie, die eine Art Schaufenster ist für das Haus, eingeschränkt waren, hat das alles gestoppt. Wir haben mindestens ein Jahr verloren. Es sind zwar die institutionellen Partner eingezogen, in dieser Zeit, immer mit Einschränkungen, aber der Austausch, die Treffen, wurden sehr gebremst. Da konnte man nichts machen. Andererseits konnte man sich einleben.
Als die Restriktionen vorbei waren, konnte man langsam anfangen, mit der kulturellen Tätigkeit und es hat dann auch noch Übergangssituationen gegeben. In dem Zusammenleben der Kulturinstitutionen sollten diese sichtbar werden, aber es galt auch mit diesen eine eigene Identität zu entwickeln. Eine Herausforderung war es auch, einen Gastronomen zu finden, der kulturaffin ist und damit ein weiterer Partner des Hauses ist. Das ist die Bühne des Hauses.
Wir haben dann auch gemerkt, dass die Kosten des Hauses, auch durch die Kostensteigerungen, wesentlich waren, so dass das Geld, welches wir durch Miet- und Pachteinnahmen hatten, gebunden war. Es ist auch schön zu sehen, dass das Haus für externe Partner, auch im touristischen und im sozialen, eine Attraktivität für Workshops und Versammlungen hat. Wir haben gemerkt, dass bei der eigenen kulturellen Tätigkeit, die wichtig ist, weil dort neues entsteht, die Mittel knapp sind.
Wir haben also das erste mal um öffentliche Gelder angesucht und haben von Land und Gemeinde Beiträge erhalten für die Tätigkeit des Kulturvereins. Wir haben damit, da diese Gelder erst gegen Ende des letzten Jahres eingetroffen sind, dann eine starke kulturelle Tätigkeit machen können, welche auch die Sichtbarkeit des Hauses verbessert. Wichtig ist dabei Vielseitigkeit dieser Tätigkeit und auch das Einbinden der Jugend.
Wie wird dieses heterogene Programm zusammengestellt? Ist es mehr so, dass man Partner anfragt, oder werden Vorschläge von außen an das Team herangetragen?
Das ist gemischt. Es wird viel an uns heran getragen, aber wir haben von Beginn an verstanden, dass wir ein Gremium brauchen, welches entscheidet, was ins Haus kommt, was passt. Wir haben einen Kulturbeirat geschaffen, aber gemerkt, dass dieser ein zu großes Gremium ist und noch ein operatives Team geschaffen, was die Umsetzung beschleunigt. Wir haben ein gutes Sekretariat und eine Geschäftsführung, durch die eingehende Wünsche und Vorschläge weitergegeben werden. Natürlich sind auch das wieder Kosten, weil wir gemerkt haben, dass das alles nicht Tätigkeiten sind, die nur im Volontariat abgewickelt werden können, weil Sie viel an Zeit aufwenden. Die Schienen sind diese beiden. Morgen (heute) findet die erste große WAAG-Festa statt, die wir eigentlich schon in der Vergangenheit machen wollten, aber das hat sich alles hinausgezogen. So wollen wir das Haus aufleben lassen: Es soll neben den Einzelveranstaltungen ein - oder mehrmals - im Jahr eine große Veranstaltung stattfinden, wo die Bürger:innen das Haus besuchen können und unten wie oben Musik aus den Fenstern dringt. Das machen wir auch mit externen Partnern um das Haus möglichst zu einem Zentrum der Südtiroler Kultur werden zu lassen.
Man bemerkt einfach auch, wenn man älter wird und vernünftig denkt, dass die Zeit kostbarer ist, denkt mehr an die Familie
Wie groß ist der Zeitaufwand? Sie haben sich bis letzten Sommer auch operativ um das Südtirol Jazz Festival gekümmert. Denken Sie es wäre weiterhin machbar gewesen, oder was auch das beim Jazzfestival ein Entscheidungsfaktor an die nächste Generation zu übergeben?
Machbar wäre es gewesen, da ich das ja auch tat, als ich noch Vollzeit als Hausarzt tätig war. Da kam noch einiges dazu, an Belastung. Mit dem Älterwerden lässt natürlich auch die Arbeitskraft leicht nach, aber aus dem Jazzfestival auszusteigen war eine Entscheidung, die Unabhängig davon getroffen wurde. Eine Lebensentscheidung einerseits, eine über die letzten Jahre gereifte andererseits, weil ich das Gefühl hatte, mein Ziel, dass ich mir vor vielen Jahren, in weiter Ferne und mit sehr vielen Fragezeichen gestellt hatte, so ziemlich erreicht hatte. Damit fiel etwas die Motivation, auch da das Festival in den letzten Jahren immer größer geworden ist und das immer mehr im Team ging. Da spürte ich, dass sich meine Mitarbeiter auch mehr und mehr danach sehnten mehr in die Verantwortung zu gehen. Da war der richtige Moment, loszulassen. Man bemerkt einfach auch, wenn man älter wird und vernünftig denkt, dass die Zeit kostbarer ist, denkt mehr an die Familie und an seine Hobbys.
Was das Waaghaus betrifft habe ich noch die Verantwortung verspürt und verspüre sie noch immer, auch da wir durch Covid doch etwas an Zeit verloren haben und gebremst waren. Deswegen heißt es für mich dabei bleiben und zu sehen, dass es gut läuft. Dann wird sicher auch hier der Moment kommen, wo es heißt, man tritt an zweite Stelle. Ich bin derzeit Präsident bis ’24 und werde das machen. Dann sehen wir weiter.
Hat man das Spektrum kultureller Formate, welche man im Haus abdecken möchte schon gefunden, oder ist man da noch auf der Suche?
Das Haus ist eine offene Werkstatt und da muss noch viel dazu kommen. Hier soll alles möglich sein, immer mit gewissen Überlegungen, was hier her passt. Wir würden uns zum Beispiel überlegen: Machen wir Schuachplattler? Warum eigentlich nicht? In einem gewissen Kontext könnte das passen. Es geht darum, in dieser blöden Stadt in der man eh nichts machen kann, die Jugend zu aktivieren, aber nicht nur die Jugend. Auch internationale Partner, die sich anbieten können an uns herantreten, sofern die Räumlichkeiten es erlauben. Wir haben hier Menschen - italienisch wie deutsch - in unserem Kulturnetzwerk, welches überregionale Kontexte erreichen kann, auch in Zusammenhang mit der Euregio.
Man sollte das mit der Synergie auch nicht übertreiben und alles vereinheitlichen...
Kurz vor der Pandemie war der Begriff „Synergien“ auf vielen Pressekonferenzen groß in Mode. Können Sie damit etwas anfangen und beschreibt er die Tätigkeit im Haus?
Was im Haus passiert ist sicher ein klassisches Beispiel für Synergie, angefangen bei den Mieteinnahmen und dem Zusammenspiel im Haus. Es ist aber genau so wichtig, dass jede und jeder seinem oder ihrem Job ungestört und gut nachgehen kann. Die Synergie ist da der Mehrwert für Kulturtreibende die sich, nicht nur vom Jazzfestival und dem Filmfestival, wo die Partnerschaft ja bereits da war, sondern auch in einer neuen Mischung finden. Man sollte das mit der Synergie auch nicht übertreiben und alles vereinheitlichen, weil es sonst zu viel Ähnliches gibt, wie etwa im Klassikbereich, wo sich die Frage stellt: Ist das alles gut so, oder sollte man einiges zusammenlegen und qualitativ höher gestalten. Ich möchte mich da aber auch nicht einmischen.
Letze Frage, als Direktor des Jazzfestival hatten Sie ja auch Ihr Büro hier im Haus. Sind Sie in diesem geblieben oder haben Sie den Jungen den Raum überlassen?
Da bin ich geblieben. Ich bin der Meinung, dass sich das neue Team im Geist des Waaghaus wiederfindet. Die Auswahl der Menschen ist dafür entscheidend. Max von Pretz ist eine wichtige Figur beim Jazzfestival, weil er extrem motiviert und tüchtig ist. Nachdem er Geschäftsführer vom Verein Waaghaus ist, wie auch vom Jazzfestival, sitzen wir im gleichen Büro, was irrsinnig nett ist. Ich mische mich ganz wenig beim Jazzfestival ein, frage ab und zu, wie es geht und habe nie nach dem Programm gefragt. Das haben sie mir erst gezeigt, als es fertig war. Ich habe sie gelobt, weil ich finde, dass es ein tolles Programm ist. Es ist ein freundschaftliches Verhältnis und das erleichtert nur die Arbeit, das die Wege kurz sind.
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