Eine Flut von Stichwahlen
Für die einzige Ausnahme sorgte Cagliari. Die sardische Stadt war Italiens einzige Regionalhauptstadt, in der Massimo Zedda mit 51 Prozent der Stimmen als Bürgermeister bestätigt wurde. In allen anderen wichtigen Städten wurde die Entscheidung auf die Stichwahlen
in zwei Wochen vertagt. Anlass zu Jubel, Ärger und Enttäuschung gab es freilich auch in der ersten Runde dieser Wahlen in 1345 Gemeinden. Jubeln durfte vor allem die Fünfsterne-Bewegung, deren Kandidatin Virginia Raggi in Rom mit 35 Prozent als klare Favoritin in die Stichwahl einzieht. "Il vento é cambiato", strahlte die 37-jährige Anwältin. Beppe Grillo sprach von "rivoluzione".
Anlass zur Genugtuung hatte auch Robert Giacchetti, der das kleine Wunder schaffte, trotz Marino-Rücktritt und Verwicklung des PD in zahlreiche Skandale in die Stichwahl einzuziehen. Dabei wird es freilih bleiben. Für das gespaltene Rechtsbündnis endete die Wahl in der Haupstadt mit einem Desaster. Giorgia Melloni musste sich mit 20 Prozent begnügen der von Berlusconi unterstützte Bauunternehmer Alfio Marchini mit 11 Prozent.
In der Finanzmetropole Mailand lieferten sich die beiden Spitzenkandidaten des Rechts- und Linksbündnisses das erwartete Kopf an Kopf-Rennen: 41 zu 41 Prozent. Giuseppe Sala und Stefano Parisi sind zwei Manager mit ähnlichem Profil, die sich einen vorbildlich fairen Wahlkampf ohne Tiefschläge lieferten.
In Turin scheiterte die Hoffnung des amtierenden Bürgermeisters Piero Fassino, bereits im ersten Anlauf bestätigt zu werden.
Der jungen Fünfsterne-Kandidatin Chiara Appendino gelang das Husarenstück, die Bewegung mit 30 Prozent als stärkste Fraktion im Gemeinderat zu etablieren. Die 31-jährige Unternehmerin und promovierte Ökonomin führte einen exemplarischen Wahlkampf ohne einen einzigen TV-Auftritt und stellte ihre potentielle Regierungsmannschaft bereits drei Wochen vor dem Urnengang vor. Obwohl Appendino zehn Punkte hinter Fassino liegt, könnte sie die Stichwahl mit Unterstützung der Lega- und Forza Italia-Wähler gewinnen.
Das Duell in Turin kann auch als Generationenkonflikt gesehen werden: eine 31-jährige fordert einen altgedienten Politiker heraus, der in seiner 40-jährigen Laufbahn bereits Parteichef, Minister und Staatssekretär war.
In Bologna liegt der amtierende Bürgermeister Virginio Merola deutlich vor seiner Lega-Rivalin Lucia Borgognoni. In Neapel führt der politische Querkopf Luigi De Magistris mit 42 Prozent deutlich. Ob er in der Stichwahl genügend Wähler mobilisieren kann, um als Bürgermeister bestätigt zu werden, bleibt abzuwarten.
Fazit: das Rechtsbündnis hat überall dort gut abgeschnitten, wo es gemeinsam ins Rennen ging wie in Mailand. Die getrennten Kandidaturen wie in Rom und Turin endeten mit einem Debakel. Berlusconi muss nun unabhängig vom Ergebnis in Mailand mit neuen Austritten aus seiner bereits dezimierten Truppe rechnen.
Renzi ist bisher mit einem blauen Auge davongekommen. In Rom, Mailand, Turin und Bologna stehen PD-Kandidaten in der Stichwahl. Doch der Erfolg Raggis in der Haupstadt ist ein unübersehbares Warnsignal an die konventionellen Parteien. Der Jubel der Bewegung ist durchaus verständlich. Doch das Vorhaben, die korruptionsverseuchte Metropole zu sanieren und die zahllosen Mißstände der Hauptstadt zu beseitigen, ist eine fast übermenschliche Aufgabe, bei der auch ein Scheitern durchaus möglich ist.
Indessen ist auch bei dieser Wahl alles wie gehabt: zwölf Stunden nach Schliessung der Wahllokale liegt noch immer keine Endergebnis vor. Das mutet ernüchternd an, ist aber freilich nicht neu.