Umkämpfte Kriterien
Nächste Runde im Ringen zwischen Nutzung und Schutz der heimischen Gewässer am Südtiroler Energietisch. Einen Monat, nachdem der erste Entwurf der Kriterien zur Bestimmung sensibler Gewässerabschnitte für einen Aufstand der Stromwirtschaft gesorgt hatte, hatten die Vertreter der heimischen Energiewirtschaft am gestrigen Montag das zweite Mal die Möglichkeit, das Schlimmste zu verhindern. So zumindest war von der Energielobby der ursprüngliche Plan bewertet worden, nur mehr 34 von 420 heimischen Gewässern für die Stromproduktion nutzen zu können. Doch mittlerweile sieht es ganz danach aus, als würden die im Rahmen des überfälligen Gewässerschutzplans erarbeiteten Kriterien buchstäblich verwässert werden. Das ist zumindest die Kritik der beim Treffen am Montag ebenfalls anwesenden Vertreter des Dachverbands für Natur und Umweltschutz, des Heimatpflegeverbands sowie des Fischereiverbands.
Dabei ist die Zahl der nach wie vor zur Nutzung offenstehenden Gewässer noch einmal von 34 auf 27 gesunken. Ein Fakt, der aber nicht so sehr der Verhandlungsstärke der Schutzverbände, sondern vielmehr technischen Korrekturen zu verdanken ist. Davon abgesehen wurden jedoch alle Kriterien beibehalten oder gelockert, kritisiert Andreas Riedl vom Dachverband für Natur und Umweltschutz. Augenscheinlichster Beleg ist die Verdoppelung der Kategorien für die Einstufung der Gewässer. Gab es im ursprünglichen Entwurf nur geschützte oder nicht geschützte Gewässer, wurden sie nun auf vier Kategorien erhöht: Rote Zonen bleiben demnach die "besonders sensiblen Gewässer", in denen neue Ableitungen für die hydroelektrische Nutzung gewässerökologisch nicht verträglich sind. In "sensiblen Gewässern" werden sie dagegen bereits zugelassen, sofern „der sehr gute ökologische Zustand erhalten werden kann“. Weitere Kategorien sind "potentiell sensible Gewässer", in denen ein guter gewässerökologischer Zustand erhalten bleiben muss sowie die 27 "nicht sensiblen Gewässer".
"Je schwammiger die Kriterien, desto höher die Zahl der Rekurse"
Zumindest für Andreas Riedl wird damit wieder die ursprüngliche Intention verlassen, vorab einen klar definierten Rahmen abzustecken und die Entscheidung somit wieder auf Projektebene verlagert. „Je schwammiger die Kriterien werden, desto eher lassen sich Projektwerber wieder auf ein Genehmigungsverfahren ein – und Bürokratie und Rekurse nehmen wieder zu statt ab“, sagt er. Doch auch auf Seiten der Stromwirtschaft scheint man nach der neuerlichen Überarbeitung des Entwurfs noch nicht ganz zufrieden zu sein. Hier wird immer noch zu viel vorauseilende Regulierungswut kritisiert – statt konkreter Prozentsätze hätten die Vertreter der Stromwirtschaft im Entwurf lieber noch mehr gesetzlichen Spielraum. Dennoch berichtet zumindest das Landespresseamt im Zusammenhang mit der gestern erarbeiteten Stellungnahme des Energietisches von einer „sehr positiven Bewertung des gewählten Ansatzes und der am Tisch herrschenden Diskussionskultur“.
Weit weniger positiv dürften dagegen die Stellungnahmen der Schutzverbände ausfallen, die wie jene des Gemeindeverbands ebenfalls bis zur geplanten Verabschiedung der Kriterien durch die Landesregierung am kommenden Dienstag vorgelegt werden müssen. Wer am längeren Hebel sitzt, lässt sich aufgrund der Sonderstellung, die dem Energietisch im gesamten Procedere rund um das neue Gesetz für die Vergabe kleiner und mittlerer Konzessionen eingeräumt wurde, bereits absehen. Endgültig zeigen wird es sich bei der Sitzung der Landesregierung am kommenden Dienstag.