Der Besonnene
Klug lugen die braunen Augen hinter seiner Brille hervor; versteckter Schelm ist dabei. Simon Profanter redet offen und mit Bedacht, spricht von seiner Liebe zum Kochen und zu gesunden Lebensmitteln. Tomaten zieht er am liebsten selbst in seinem Garten in Kastelruth, setzt Kräuter und Gemüse, liebt Saisonales und Lokales – und Fernes wie Bananen und Cashew-Nüsse. Die tropischen und subtropischen Früchte kauft er im Weltladen, Hülsenfrüchte, Bohnen oder asiatische Gewürze auch.
Den Bezug zu vollwertigem Essen hat der Geschäftsführer der Wirtschaftsgenossenschaft Klausen (WGK) während seiner Studienzeit in Verona entwickelt. Wie seine Mitbewohner kaufte er anfangs billige Lebensmittel oder Fertigprodukte. Je länger er das tat, umso stärker spürte er Ablehnung. Er suchte Bauernmärkte auf, besorgte Brot beim Bäcker und Öl, Nudeln, Parmesan oder Balsamico bei Kleinproduzenten. Leisten konnte er sich das, weil er an den Wochenenden und in den Sommerferien im Gastgewerbe jobbte.
Nach dem Studium managte der Kommunikationswissenschaftler die Öffentlichkeitsarbeit (PR) einer Privatklinik und kümmerte sich danach um die Personalentwicklung eines international agierenden Betriebs im Wipptal. Bei Südtirol Marketing verantwortete er später die PR einer Angebotsgruppe mit über 40 Hotelbetrieben, beteiligte sich an Brotback- und Kräuterkursen und beschäftigte sich mit vegetarischer und veganer Küche. Sein Interesse an der Lebensmittelherkunft wuchs, Plastik versucht er zu vermeiden. Er wurde Mitglied der Konsumgenossenschaft Kastelruth. Auch in den Vorstand des Allesclub auf dem Hochplateau wurde er kooptiert – eher ein Zufall: Früher hat er sich kaum mit Jugendarbeit und Pädagogik befasst. Doch der Einsatz für junge Menschen ist ihm ein Anliegen geworden, dazu gehört auch das Weiterbestehen des Jugendclubs.
Vor einem Jahr trat Friedl Gantioler an ihn als WGK-Verantwortlichen der Dürer-Stadt heran. Er bat um Unterstützung bei der Suche nach einer leerstehenden Immobilie für einen geplanten Weltladen. Simon Profanter half nicht nur bei der Lokalsuche: Bis zur Weltladen-Eröffnung in Klausen Ende des vergangenen Jahres stand er der Freiwilligengruppe rund um Gantioler mit Rat und Kommunikationsarbeit zur Seite.
Leistbar und fair
„Fairness und Nachhaltigkeit allein reichen nicht“, sagt der 33-Jährige. Ein Weltladen müsse auch rentabel sein. Das ist nicht einfach: Ein Drittel des Verkaufspreises der Weltladen-Produkte bekommen die Produzenten. Im konventionellen Handel liegt dieser Anteil unter zehn Prozent. Den unfairen Umgang mit Bauern hat Simon Profanter als 18-Jähriger in der Dominikanischen Republik erlebt: Mit Freunden buchte er die erste Flugreise seines Lebens – in einem Ressort. Vor den Mauern des Clubs begegneten ihnen hungernde Menschen. Sie schufteten auf Zuckerrohr-, Kakao- und Kaffeeplantagen, Kinder genauso wie Frauen und Männer. Sie wurden geringfügig oder gar nicht bezahlt. Die ausgehungerten Körper schockierten den jungen Mann, die Bilder haben sich in sein Gehirn eingebrannt. Das Urlaubsverhalten hat der Kastelruther daraufhin verändert: Am liebsten reist er heute mit dem Rucksack, meidet touristische Hochburgen und erlebte so Kenia, Sri Lanka und heuer im April Indonesien. Backpacking verlangsame das Leben, sagt er. Er mietet sich in Privathäuser ein und versucht zu verstehen, was die Menschen bewegt, wovon sie leben, was sie anbauen und glauben. Als Europäer werde er anders behandelt, sagt Simon Profanter. Demut und tiefes Interesse an den Leuten seien hilfreich. Reisen bildet. Und Klettern gleicht aus: So oft wie möglich hängt der junge Mann in den Seilen, spürt die unterschiedlichen Härten des Gesteins und die eigene Kraft. Ein Mannschaftssportler war er nie, aber in der Gruppe um eine sinnvolle Sache kämpfen kann er.
(Maria Lobis)