Society | Bildung

“…dann wankt das gesamte System”

Am Tag, an dem Bilanz über ein “außerordentliches Schuljahr” gezogen wird, schaltet sich Gleichstellungsrätin Michela Morandini ein – und mahnt eindringlich.
scuola lavagna
Foto: Pixabay

Am Montag Vormittag wurde Bilanz über ein “außerordentliches Schuljahr” gezogen. Obwohl nur die letzten drei Monate im Zeichen von Corona standen, hat das Virus und die damit einhergehenden Maßnahmen – Schulschließungen, Fernunterricht, beschnittene Abschlussprüfungen – seinen Schatten über das gesamte Bildungsjahr 2019/2020 geworfen. Und wirft ihn bereits auf das neue voraus. Die warnenden Stimmen werden immer mehr. Inzwischen meldet – neben Führungskräften, Lehrpersonal und Eltern – auch die Gleichstellungsrätin Bedenken an einem Schuljahr im Modus “Gelb” an.

 

Angst vor Ampel

 

Lehr- oder sonstiges Schulpersonal kam bei dem Rückblick am Montag im Innenhof von Palais Widmann nicht zu Wort. So blieb es den politisch Zuständigen, Eltern- Schülervertretern überlassen, ihre Erfahrungen aus dem “Schulalltag im Corona-Modus” zu schildern.

Im Hinblick auf das neue Schuljahr – bis zu dessen Beginn am 7. September fehlen noch zwei Monate – wussten die Bildungslandesräte wenig Neues zu berichten. Vorgesehen ist ein Ampelsystem, das je nachdem, wie sich die epidemiologische Lage entwickelt, auf “Grün” (weitgehend normaler Schulbetrieb), “Rot” (neuer Lockdown mit Fernunterricht, auch nur in bestimmten Schulen oder Bezirken) oder “Gelb” (Mindestabstand von 1 Meter, kein Nachmittagsunterricht, kein Mensadienst flexible Ein- und Austrittszeiten) geschaltet werden kann. “Das Ziel ist es, so viel Präsenzunterricht wie möglich zu gewährleisten”, betonten Philipp Achammer, Giuliano Vettorato und Daniel Alfreider. Außerdem sicherten sie zu, dass alles versucht werden soll, um Mensa und Nachmittagsunterricht aufrecht zu erhalten.

Die Beschneidung dieser beiden Angebote im Szenario “Gelb”, mit dem die Schule aller Voraussicht nach im Herbst starten wird, hatte, zusammen mit der reduzierten Unterrichtszeit, zuletzt für Verstimmung und Kritik aus der Schulwelt, offenen Briefen und Appellen an die Landesregierung sowie die zuständigen Beamten gesorgt, deren Beschwichtigungsversuche ins Leere liefen. Just am Montag Vormittag weist nun Gleichstellungsrätin Michela Morandini auf die fatalen Folgen hin, die verkürzte Bildungs- und Betreuungsangebote haben würden: “Für berufstätige Eltern, die langfristig planen müssen, ist das gelbe Szenario besorgniserregend.” Und wieder einmal wird es die Frauen besonders treffen.

 

Vereinbarkeit weiter verunmöglicht

 

“Die Corona-Krise hat gezeigt, auf welch schwachen Beinen die berufliche Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern steht”, gibt Morandini zu bedenken. Da es größtenteils Frauen sind, die Familienarbeit und Kinderbetreuung leisten, tragen diese auch die Folgen am Arbeitsmarkt, wenn Bildungs- und Betreuungsangebote wegfallen. “Dabei sind sie ohnehin bereits verstärkt von prekären Arbeitsverträgen betroffen, arbeiten in erhöhtem Maße in Teilzeit, erleiden dadurch Einbußen in der Sozial- und Rentenabsicherung und haben ein erhöhtes Risiko, von Altersarmut betroffen zu sein”, erinnert die Gleichstellungsrätin. Ein besonderes Augenmerk gelte es auf Alleinerziehende und Personen zu legen, die kein soziales Netzwerk haben, das die Betreuung übernehmen kann.

“Das Wegbrechen von Bildungsangeboten hat auch für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber weitreichende Folgen”, fährt Morandini fort. Diese müssten langfristig mit der Anwesenheit der Arbeitnehmerinnen rechnen können. “Will man die Wirtschaft ankurbeln, braucht es Arbeitskraft. Fehlt diese, wird es schwierig.”

 

All dies zeige auf, wie weitreichend die Folgen bei fehlenden Bildungs- und Betreuungsangeboten sind, gibt die Gleichstellungsrätin zu bedenken. “Fehlt ein Rädchen, kommt das gesamte System ins Wanken.”

Zudem habe die Diskussion um den Start der Schule im Herbst ein weiteres Problem sichtbar gemacht: der Mangel an Lehrpersonen und ausgebildetem Personal. Dies hänge wohl unter anderem mit der Attraktivität des Berufes zusammen, meint Morandini. “Auch hier hat die Corona-Krise ein Vergrößerungsglas auf ein bereits seit langem bestehendes Thema gesetzt. Dem wird man sich in den nächsten Jahren wohl oder übel stellen müssen.”
Abschließend meint die Gleichstellungsrätin: “Das Thema Schulstart ist komplex, Sicherheitsmaßnahmen haben natürlich Vorrang, allerdings muss klar sein, dass Bildungsangebote gewährleistet werden müssen, damit die Folgen für alle Betroffene nicht zu hoch sind.”

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Karl Gudauner Mon, 07/06/2020 - 17:37

Die Tourismusbranche hat vorexerziert, was alles in Bewegung gesetzt werden kann und muss, um Normalbetrieb zu ermöglichen. Im Bildungsbereich ist genauso auszuloten, was dafür getan werden kann, damit Bildungszielen, Bildungsqualität und sozialem Lernen bestmögliche Bedingungen eingeräumt werden. Es tut der Gesellschaft gut, wenn dieses Thema jetzt im Sommer im Vordergrund steht und Eltern wie Lehrkräfte, aber auch Schülerinnen und Schüler daran aktiv beteiligt sind und alle die Ziele, Lösungsvorschläge, Bedenken und Mahnungen zur Vorsicht mitverfolgen können. Vor allem ist es wichtig, dass in der Öffentlichkeit das Engagement fühlbar wird, das Lehrkräfte, Schulen und Schulbehörden sowie Eltern zweifellos an den Tag legen, um diesem persönlichen Anliegen und dieser zentralen gesellschaftlichen Aufgabe gerecht zu werden.

Mon, 07/06/2020 - 17:37 Permalink
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Salto User
Andreas Baumgartner Tue, 07/07/2020 - 08:13

Auffällig ist auch, dass in der gesamten Diskussion niemals ein Wort zu den Kindergärten gefallen ist. Dabei zählt der Kindergarten ebenso zum Bildungssystem wie Grund-, Mittel- und Oberschule.

Tue, 07/07/2020 - 08:13 Permalink