Chronicle | Verbrechen

„Benno war nie am Filmset“

Im Mordprozess verneint der Videoproduzent eines schaurigen Videos, dass Benno Neumair in der Produktion involviert war. Ein Polizist und ein Lehrerkollege berichten.
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Foto: Salto.bz
Am 6. Juli sprechen erstmals die Zeug:innen der Verteidigung vor dem Schwurgericht im Mordprozess gegen Benno Neumair. Der 31-Jährige soll seine Eltern Laura Perselli und Peter Neumair am 4. Januar 2021 in ihrer Wohnung in Bozen erdrosselt haben. Der erste Zeuge der Verteidigung ist Edoardo Giuliato, der ein freundschaftliches Verhältnis zu Benno hatte. „Ich habe Benno 2012 kennengelernt, als er mir von Freunden vorgestellt wurde“, sagt der Filmemacher.
„Ich machte Fotos von ihm für seinen Youtube- und Facebook-Kanal. Dort gab er Tipps zu Sporttraining, Muskelaufbau und Ernährung“, erklärt Edoardo Giuliato. Sie trafen sich gelegentlich und Edoardo lud Benno einige Male zum Mittagessen ein. Für den schulischen Filmwettbewerb „Festival Studentesco“ im Jahr 2014, wollte der Zeuge einen Kurzfilm zum Thema „Diener und Herr“ drehen und fragte Benno, ob er im Keller seiner Familie drehen durfte.
 

Das Video

 
Das im Keller der Familie Neumair gedrehte Video erinnert an den Mordfall und ist auf Youtube abrufbar. In dem Kurzfilm hält ein Vater seinen Sohn im Keller gefangen, dieser sehnt sich nach Freiheit. Als sein Vater ihn ausschimpft, erwürgt der Sohn ihn. Vor Gericht sagt Edoardo Giuliato, dass er nicht weiß, ob Benno den Film gesehen hat. „Die Dreharbeiten mit fünf oder sechs Leuten haben einige Wochen gedauert, aber Benno war nie am Filmset.“ Der Film gewann beim Wettbewerb den ersten Preis.
Hätte er diese Aussage wiederholt, hätte er sich wegen Vortäuschung einer Straftat und falscher Anschuldigung strafbar gemacht - Thomas Merk

Einweisung in Neu-Ulm

 
Ein weiterer Zeuge der Verteidigung ist Polizeihauptkommissar Thomas Merk, der stellvertretende Dienststellenleiter der Polizei Neu-Ulm. Ihm sind die Akten zu der Einweisung in die Psychiatrie des Bezirkskrankenhaus Günzburg in Deutschland bekannt. „Persönlich begegnet bin ich Benno Neumair nicht“, sagt Thomas Merk. Laut Akten sind am 6. Juli 2020 sieben Polizeistreifen mit 14 Polizist:innen zur Wohnanschrift von Nadine Reiter, der Ex-Freundin Bennos, gefahren. „Da die Situation noch unklar war, wollten wir genügend Polizeikräfte dabeihaben“, erklärt der deutsche Polizist.
Nadine Reiter hatte die Einsatzkräfte alarmiert, nachdem sie Benno Neumair mit einem Messer in ihrem Bad vorfand. Er hatte sich selbst Verletzungen zugefügt und davor am Telefon davon gesprochen, dass er von einem ihrer Freunde angegriffen worden war. Diese Aussage wiederholte er vor den Polizist:innen nicht mehr. „Hätte er diese Aussage wiederholt, hätte er sich wegen Vortäuschung einer Straftat und falscher Anschuldigung strafbar gemacht“, erklärt Thomas Merk.
 

Keine Zwangsmittel

 
Nachdem Nadine Reiter vor dem Haus ihrer Wohnung telefonisch Kontakt zu ihm aufgenommen hatte, kam er freiwillig unbewaffnet aus dem Haus. „Er hat die Anweisungen der Polizeikräfte vor Ort befolgt und es mussten keine Zwangsmittel angewandt werden.“ Außer der Verletzungen, die er sich selbst zugefügt hatte, sei der Fall seinen Kolleg:innen aber nicht in besonderer Erinnerung geblieben. „Wir haben 25.000 Fälle im Jahr und sie konnten sie nicht mehr an Details erinnern.“
 
 
Thomas Merk hatte in einem Interview mit einem italienischen Fernsehsender die Vermutung geäußert, dass Benno Neumair „aufgrund seiner vermutlichen Erkrankung sich mit dem Messer auf den Angriff eines imaginären Angreifers vorbereiten wollte“. Diese Aussage bestätigt er vor Gericht und fügt hinzu: „Ich bin kein Arzt, aber das war zu dem Zeitpunkt meine Meinung.“
Ich wollte nicht mit jemanden zusammenarbeiten, der unzuverlässig ist - Daniele Winkler

Streit mit Lehrerkollege

 
Der dritte und letzte Zeuge an diesem Tag ist ein ehemaliger Lehrerkollege der Bozener Mittelschule, wo Benno vor seiner Tat unterrichtet hatte. Daniele Winkler unterrichtet dort Englisch und arbeitete mit ihm kurze Zeit zusammen. Benno unterstützte ihn im Unterricht als Integrationslehrer und in der Klasse sei die Zusammenarbeit gut gewesen. Allerdings habe es ihn gestört, dass Benno seine Aufsichtspflicht verletzte oder zu spät kam. Deswegen sei es einmal zu einem Streit gekommen und die Direktorin musste vermitteln.
 
 
Daniele Winkler weigerte sich im Folgenden, mit Benno Neumair gemeinsam Teamunterricht zu machen und forderte von ihm, den Teamunterricht mit einer anderen Lehrperson zu tauschen. „Ich wollte nicht mit jemanden zusammenarbeiten, der unzuverlässig ist“, sagt der Mittelschullehrer vor Gericht. Als Benno bei der nächsten Teamstunde in die Klasse wollte, stellte Daniele Winkler ihn vor die Wahl: Entweder Benno oder er halten Unterricht. Daraufhin habe Benno Neumair dann seinen Teamunterricht getauscht.
Laut den psychiatrischen Gutachten des Schwurgerichts, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen leidet Benno Neumair unter einer narzisstischen, antisozialen und passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörung.
Während die Sachverständigen des Schwurgerichts bei dem Mord an dem Vater nur von einer teilweisen Zurechnungsfähigkeit ausgehen, betrachten die Gutachter:innen von Staatsanwaltschaft und Nebenklägerinnen Benno Neumair während der gesamten Tat als zurechnungsfähig. Die psychiatrischen Gutachter der Verteidigung werden erst am 13. September angehört.  
Der nächste Prozesstermin findet nach der Sommerpause am 5. September statt, an diesem Tag soll Benno Neumair selbst aussagen. Am 6. September werden weitere Zeug:innen der Verteidigung angehört.