Economy | Interview

„Die Gesetze sind erlassen“

Der neue Generaldirektor von Alperia, Luis Amort, über den Energiemarkt, guten Service und die Dekarbonisierung. Er selbst sieht sich als Mannschaftskapitän.
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Foto: Alperia
salto.bz: Herr Amort, Sie sind seit 1. Juli Generaldirektor von Alperia. Was sind nun die dringendsten Aufgaben für Sie im Unternehmen?
 
Luis Amort: Wir wollen garantieren, dass der eingeschlagene Weg fortgeführt wird. Zum einen betrifft das die Energiewende. Die aktuellen Ereignisse zeigen, wie wichtig es ist, hier dranzubleiben. Alperia produziert bereits mit Wasserkraft 100 Prozent grüne Energie. Deshalb ist eine der wichtigsten Aufgaben, die Konzessionen für die Wasserkraftwerke für die nächste Jahre und Jahrzehnte zu behalten. Das liegt im Interesse der Gesellschafter von Alperia, also der Gemeinden und des Landes, die letztendlich uns 500.000 Südtiroler:innen vertreten. Zum anderen wollen wir gewährleisten, die produzierte Energie bestmöglich zu verteilen und den Energiebedarf in Südtirol zu stillen. Dazu gehört auch ein gutes Dienstleistungs- und Produktpaket.
Die heutigen Konflikte und der weltweit wachsende Bedarf an Erdgas, vor allem durch die Umstellung Chinas, führen zu hohen Preissteigerungen.
Wie viel Prozent der produzierten Energie verkauft Alperia außerhalb Südtirols?
 
Die gesamte von Alperia in Südtirol produzierte Energie wird in das nationale Stromnetz eingespeist, Südtirol, als Teil des nationalen Stromnetzes, verbraucht ungefähr die Hälfte davon.
 
Was gefällt Ihnen am Chef-Sein?
 
Ich vergleiche Unternehmen gerne mit einer Fußballmannschaft. In der Regel ist eine Fußballmannschaft dann gut, wenn sie als Team spielt. Egal ob Tormann oder Stürmer – es braucht alle. Daher verstehe ich meine Rolle als Mannschaftskapitän und trage Sorge dafür, dass mein Team füreinander da ist, auch wenn man nicht immer derselben Meinung ist und es dann Diskussionen in der Sache braucht. Darüber hinaus habe ich gerne die Herausforderung angenommen, in dem wichtigsten Südtiroler Unternehmen der öffentlichen Hand gemeinsam mit den politischen Verantwortlichen meinen Beitrag zu leisten.
 
 
Sie sind schon lange im Energiegeschäft tätig. Wie hat sich der Energiemarkt in den letzten Jahren verändert?
 
Der Energiemarkt hat sich in vielerlei Hinsicht verändert und wird sich weiterhin stark verändern. Vor kurzem stillten wir unseren Energiebedarf rein mit fossilen Brennstoffen, heute werden immer mehr die erneuerbaren Energien aus Sonne, Wind und Wasser genutzt. Zudem gab es neue technologische Entwicklungen wie die künstliche Intelligenz. Außerdem ist die frühere Preisstabilität nicht mehr gegeben. Die heutigen Konflikte und der weltweit wachsende Bedarf an Erdgas, vor allem durch die Umstellung Chinas, führen zu hohen Preissteigerungen. Vor diesem Hintergrund stehen nun die Herausforderungen der Dekarbonisierung und der Unabhängigkeit der Energieproduktion an.
 
Wie viel werden derzeit die erneuerbaren Energien genutzt?
 
Italien produziert noch immer rund 50 Prozent der elektrischen Energie aus Gas, auch wenn es bereits große Photovoltaikanlagen, Windparks und Wasserkraftwerke im Land gibt. Wir haben heute noch das Problem, dass die Abstimmung zwischen Bedarf und Nachfrage bei erneuerbaren Energien schwierig ist, weil wir die Energie nicht in großen Mengen speichern können. Sonnenstrahlung und Wind sind nicht immer verfügbar. Auch beim Wasser müssen wir beispielsweise mit dem heurigen schneearmen Winter einsehen, dass es kein Selbstbedienungsladen ist. Hier sind Energiegemeinschaften ein interessanter Lösungsansatz. Bei Energiegemeinschaften können sich Privatpersonen zusammenschließen, um lokal erzeugte Energie vor Ort zu verbrauchen. Mit Blick auf die vereinbarten Ziele auf EU-Ebene müssen erneuerbare Energien in geringen Zeitabständen ausgebaut werden, da wir unsere liebe Erde jeden Tag ein bisschen mehr in Mitleidenschaft ziehen.
 
Wurden für den Ausbau der erneuerbaren Energien bereits die nötigen Investitionen getätigt?
 
Die Gesetze sind erlassen, um die Energiewende finanziell auszustatten. Sowohl die EU als auch die einzelnen Nationen und Unternehmen sind bereit, Geld in die Hand zu nehmen. Für Privatpersonen gibt es finanzielle Anreize. 
Denn es gibt gleich viel tüchtige Frauen wie untüchtige Männer und umgekehrt.
Wieso erfolgt die Umsetzung dennoch schleppend?
 
Veränderungen verunsichern immer. Die Trägheit gehört zu den fast schon natürlichen Charaktereigenschaften des Menschen. Natürlich gibt es immer Einige, die Neues sehr aufmerksam verfolgen, aber bei der großen Masse gilt das Gewohnheitsprinzip. Wie oft kritisiert man die Nachbarn, die klimafreundlicher leben sollten? Aber wenn die Kritik uns selbst betrifft, ist es schwieriger, damit umzugehen. Auch beim Thema Energie und Wasserverfügbarkeit erwarten wir uns, die Erfüllung unserer Bedürfnisse. Wenn wir die Welt den jungen Menschen halbwegs in Ordnung überlassen wollen, haben wir allerdings keine Alternative, als bereit für Veränderung zu sein.
 
An welchen Stellschrauben kann hier die Arbeitswelt drehen?
 
Es ist mir wichtig, keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern zu machen. Jede:r sollte die gleiche Chance haben. Denn es gibt gleich viel tüchtige Frauen wie untüchtige Männer und umgekehrt. Deshalb ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sehr wichtig, damit auch morgen noch junge Menschen aufwachsen können. Diese Interessen müssen vereinbart werden.
 
 
Zum Jahresende 2021 hatte Alperia Schulden von 813 Mio. Euro. Wie ist dieser erhebliche Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr (2020: 413 Mio. Euro) für Außenstehende zu erklären?
 
Hier spielen drei Faktoren eine Rolle. Mit der Corona-Pandemie stiegen die Energiepreise ungewöhnlich hoch an, zudem stieg auch die Summe der Investitionen wegen der höheren Materialkosten und wir investierten in die Modernisierung unserer Anlagen, insbesondere Wasserkraft und Stromnetze betreffend. Zum Dritten konnten Kund:innen mit dem Superbonus den ihnen zustehenden Steuerabsetzbetrag an uns abtreten. Wir können diesen Steuerabsetzbetrag in Höhe von 110 Prozent innerhalb von fünf Jahren geltend machen.
Busse und LKWs werden bereits mit Wasserstoff betrieben, ob es auch in anderen Bereichen anwendbar ist, wird sich zeigen. 
Welche Rolle spielt Wasserstoff bei Alperia?
 
Alperia ist gemeinsam mit anderen Gesellschaftern bei der Wasserstoffproduktion in Bozen Süd beteiligt. Wasserstoff ist noch in der Entwicklungsphase und wir sollten uns als Energiegesellschaft keinen innovativen Möglichkeiten verschließen. Diese Richtung wird schließlich auch politisch mitgetragen. Busse und LKWs werden bereits mit Wasserstoff betrieben, ob es auch in anderen Bereichen anwendbar ist, wird sich zeigen. 
 
Sprechen Sie mit Ihren Kindern oder Enkeln über den Klimawandel?
 
Enkel habe ich noch keine. Mit meinen Kindern spreche ich natürlich über dieses Thema, sie sind beide sehr interessiert und studieren zurzeit an Universitäten. Es ist mehr als logisch, dass sich junge Menschen um diese Themen kümmern, da sie noch ihr ganzes Leben vor sich haben. Durch die Diskussionen mit meinen Kindern lerne ich mitunter neue Perspektiven kennen, die mich zum Nachdenken anregen. Deshalb finde ich diese Gespräche sehr wichtig und interessant.