Politics | Aus dem Blog von: Thomas Bauer

Im Goldtaumel

Der Bergbau in Brasilien boomt. Laut einer vor kürzlich veröffentlichten Studie sollen Brasilien 20 Prozent der globalen Investitionen im Bereich der Bergbauindustrie bis zum Jahr 2016 zugute kommen. Indessen werden Familien enteignet, gewalttätige Übergriffe der Regierung häufen sich. Dem Wirtschaftswachstum zuliebe.

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Foto: SBGCISL

Seit dem Jahr 2000 befindet sich Brasilien in einer expandierenden Wachstumsphase. Das Bruttoinlandsprodukt stieg von 2,20 Prozent zwischen 1995 und 2002 auf 4 Prozent während der Jahre 2003 bis 2010 an. Diese Steigerung hat vor allem einen Grund: den fast ausschließlich auf den Export ausgerichteten Abbau von Bodenschätzen. Die Prognosen gehen weiterhin von einem stürmischen Wachstum aus. Bis zum Jahr 2030 soll der Export der 16 wichtigsten Mineralien um das drei- bis fünffache ansteigen.

Von Seiten der brasilianischen Regierung heißt es, dass durch den rasanten Anstieg des Abbaus der Bodenschätze die Möglichkeit besteht, mit den Devisen die Sozialprogramme zu finanzieren und somit die soziale Ungerechtigkeit und die Armut zu verringern. Das mag zum einen wahr sein, die Kehrseite dieser Expansion bedeutet aber zum anderen für viele Bauernfamilien, Quilombolas und indigene Völker den Verlust ihrer Territorien und damit ihres Lebensraumes. Sie werden schlichtweg enteignet, und bei aufkeimendem Widerstand greift der Staat immer wieder autoritär und gewalttätig ein. In den letzten Jahren kam es in diesem Zusammenhang zu einem rasanten Anstieg der Gewalt, und unzählige neue Konflikte entstanden zwischen der lokalen Bevölkerung und den Bergbaufirmen.

"Wir sind ständig beim Arzt"

Auch wenn die davon betroffenen Familien ihre Rechte einfordern, ist es in vielen Fällen fast unmöglich, weiterhin vor Ort zu bleiben. Die extreme Staub- und Lärmbelastung sowie das in weiterer Folge mit Schwermetallen verseuchte Trinkwasser machen ein Überleben schlichtweg unmöglich. Dona Elisandra, aus dem Dorf Canavieira ist direkt vom Goldabbau des kanadischen Unternehmens Yamana GOLD im Bezirk Jacobina im Bundesland Bahia betroffen. Sie betont: „Wegen des starken Staubes, den wir ständig einatmen, muss ich mit meinen Töchtern wöchentlich zum Arzt. Sie sind dauernd krank, haben starkes Fieber, es bleibt ihnen die Luft weg und sie haben Bronchitis. Viele Male eile ich in der Nacht in die Stadt, ohne zu wissen, ob meine Kinder es überleben und ob ein Arzt im Spital in Jacobina sie untersuchen wird. Ich habe schon oft um Hilfe gebeten. Ich halte dieses Leben hier nicht mehr aus. All dies sage ich, ohne hier zu erwähnen, dass mein Vater vor Jahren vom Sicherheitspersonal der Minengesellschaft auf seinem Feld erschossen wurde. Er hatte nur versucht, das tägliche Brot für uns zu verdienen.”

Wirtschaftswachstum geht vor

Trotz der zunehmenden Konflikte fördert die Regierung die Expansion des Bergbaus. In den letzten Monaten gab es hinter verschlossenen Türen intensive Verhandlungen zwischen Beamten des Umweltministeriums und Wirtschaftsvertretern. Gemeinsam soll die gesetzliche Grundlage für den Rohstoffabbau geändert werden. Die ersten Dokumente und Deklarationen deuten laut Professor Bruno Milanez (UFJF) darauf hin, dass sich drei Punkte grundlegend verändern sollen:
1. Erleichterung der Vergabe von Lizenzen für die Installierung neuer Minen und Bestrafung der Unternehmen, die schon über einen langen Zeitraum die Schürfrechte besitzen, allerdings auf diesen Gebieten keine Mineralien abbauen.
2. Umwandlung des Nationalen Amts für Mineralienförderung in eine Regulierungsbehörde
3. eine neue Formel für die Berechnung und Erhöhung der Lizenzgebühren der Mineraliensteuer, um dem Staat größere Einnahmen zu sichern.

Außer diesen drei Punkten soll es zu einer weiteren gravierenden Änderung kommen. Durch die neue Gesetzesregelung soll es in Zukunft möglich sein, auch in den Gebieten der indigenen Bevölkerung Mineralien abzubauen. Das ist momentan noch streng verboten. Diese ersten bekannten Änderungsvorschläge lassen vermuten, dass die brasilianische Regierung daran interessiert ist, mehr Einfluss und Kontrollmechanismen zu schaffen. Hier stellt sich die Frage, ob es mit diesen neuen Instrumenten möglich ist, die Monopolstellung einiger weniger transnationaler Firmen aufzulösen und sie dazu zu bringen, mehr Verantwortung für die sozialen und ökologischen Kosten zu übernehmen. Weiter wird sich zeigen, ob es auf diese Art und Weise gelingt, die Armut langfristig zu verringern oder ob die sozialen und ökologischen Kosten der Expansion des Rohstoffabbaus nicht eine noch größere Ausgrenzung und Ungleichheit für viele verursachen.

Geheime Gespräche

Sehr besorgniserregend ist die Tatsache, dass der neue Gesetzesentwurf hinter verschlossenen Türen diskutiert wird. Es scheint, dass so wie bei den neuen Waldgesetzen wieder eine große Chance verpasst wird, die gesamte Bevölkerung in die Diskussion mit einzubinden. Die Veränderungen der gesetzlichen Grundlagen könnte eine wichtige Möglichkeit sein, effektive Maßnahmen zum Schutz der vom Bergbau betroffenen Bevölkerung zu garantieren. In den an den Staat gerichteten Zahlungen der Bergbauunternehmen dürfen wir nicht weiterhin ausschließlich Kompensationen für die negativen Auswirkungen des Rohstoffabbaus sehen. Das geht vor allem deshalb nicht, weil es sich nicht um unendlich vorhandene Bodenschätze handelt. Somit müssen Strukturen geschaffen werden, die es der Bevölkerung ermöglichen, unabhängig vom Bergbau, langfristig ihre Existenz zu sichern. Außerdem sollte es eine neue Chance sein für eine öffentliche demokratische Debatte über die Zukunft der nationalen Entwicklung. Aus diesem Grund wäre es dringend notwendig, alle Beteiligten in die aktuellen Diskussionen einzubinden und somit einen transparenten Dialog zu ermöglichen.

Leider lassen die Erfahrungen der letzten Jahre auf keine langfristig positiven Veränderungen für die brasilianische Bevölkerung schließen. Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass der eingeschlagene Weg weiter dazu beiträgt, sich internationalen Interessen unterzuordnen. Die Investitionen dienen vor allem der Expansion der transnationalen Konzerne und ihren Monopolstellungen auf Kosten einer diversifizierten und integrierten Volkswirtschaft. In einem nicht allzu langen Zeitraum werden die Rohstoffreserven weniger, unser ausbeuterischer Lebensstil und die Gefräßigkeit des kapitalistischen Systems werden sich aber, so wie es momentan scheint, nicht grundlegend verändern.

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Thomas Viehweider Tue, 08/06/2013 - 17:16

Hallo Thomas, danke für den interessanten Beitrag.
In Honduras ist dasselbe kanadische Bergbauunternehmen Goldcorp am Werk. Wie die Bevölkerung an den Folgen des Bergbaus zu leiden hat, ist in folgender Reportage ersichtlich:
SERIOUS HEALTH CRISIS IN THE SIRIA VALLEY, HONDURAS CAUSED BY GOLDCORP INC.
http://rightsaction.org/action-content/serious-health-crisis-siria-vall…

Tue, 08/06/2013 - 17:16 Permalink