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Klobenstein? Ich versteh nur Bahnhof

Mit „Neueste Südtiroler Landeskunde - 116 Dorf- und Stadtstiche“ legt Jörg Zemmler ein Buch vor, das zutiefst formulaisch ist. Aber ist diese Formel eine gewinnende?
Tramin Ortsschild
Foto: Screenshot YouTube/Jörg Zemmler
Reiseführer die keine sind verfügen über ebenso großes kreatives Potential wie Streitpotential. Spätestens seit der bei Reclam erschienen Reihe von bitterbösen, bundesdeutschen Stadtverrissen „Öde Orte“ dürfte dies klar sein. Diese wird von den einen als das Gelbe vom Ei und ein Muss für alle Satireliebhaber hochgehalten, für andere ist es keine Satire, einfach nur dröge und mit bedenklichen Vorurteilen gespickt. Über Geschmack lässt sich schließlich bestens streiten.
Einem Streit will sich Jörg Zemmler keinesfalls stellen, er steht gänzlich über Plänkeleien, ob das nun Wahrheit oder Dichtung ist. Er präsentiert der Weisheit letzter Schluss und ist ganz und gar „landeskundig“. Durch alle in umgekehrter alphabetischer Reihenfolge gelisteten Gemeinden - der Autor stellt unser Land auf den Kopf - zieht sich im Buch die gleiche dreiteilige Gliederung: 1. Eine vielleicht auf den ersten Blick etymologisch anmutende Erklärung zum Ursprung des Gemeindenamens laut Zemmler, 2. Eine Krakel-Skizze eines Ortes der dort garantiert nicht Touristen-Hotspot ist, 3. und letztens ein Auszug aus einem Werbetext, den Zemmler aus an potentielle Touristen adressierten Online-Quellen entnimmt.
 
Enthält u.a. 116 überzeugende Interpretationen der Herkunft der Gemeindenamen unseres Landes: Das neue Buch des aus Seis stammenden Musikers, Poeten und Schriftstellers Jörg Zemmler ist im Alpha  Beta Verlag erschienen.
Landeskunde: Dass es zu jedem Ort eine Zeichnung gibt vermittelt uns den Eindruck, dass der Autor zumindest mit Streetview in allen Gemeinden des Landes vorbei geschaut hat. | Bild: Jörg Zemmler
 
Dabei zeigt sich: Der hypersuperlative Tourismus-Sprech den man nicht ernst nehmen soll hält sich mit der Zemmlerschen Ortsnamensforschung, die man nicht ernst nehmen kann die Waage. Dazwischen balanciert wertfrei ein Wertstoffhof. Ist dieses Buch dabei nur missionarisch, will es uns den Spiegel vorhalten und uns zeigen, was wir hier im Land so alles an Blödsinn verzapfen?
Sicherlich auch, aber es geht wohl auch darum zu unterhalten, die Lektion vom Blödsinn hätte sich auch auf weniger Seiten verklickern lassen. Hier bietet Jörg Zemmler seinen gewohnt trockenen Humor an, der sicher nicht jedermanns Sache ist, aber hält was er verspricht: 116 Herleitungen, die garantiert nicht stimmen. Das macht er keineswegs aus Faulheit, da in einigen Fällen besagte Namensherkunft - wie im Falle Klobensteins, wo ein gespaltener Stein den Dorfbrunnen ziert - so naheliegend ist, dass man nicht umhinkommt die kreative Mehrarbeit des Autors zu bewundern. Am Humor entscheidet sich, ob dieses Buch etwas für einen ist oder eben nicht.
Ohne dem Autor dabei zu nahe treten zu wollen hat er ein Buch geschrieben, das am besten am Locus aufgehoben ist. Meines Erachtens nach gehört die Erfindung der Klolektüre, so sie nicht aus dieser Zeit stammt, zu den größten Errungenschaften im Geiste der Aufklärung und jeder stille Ort ist ohne ein Buch ärmer. Gleichzeitig umschifft man durch diese Lesart die größte Schwäche: Südtirol hat zu viele Gemeinden als dass sich diese Formel nicht irgendwann abnützen würde. Liest man immer wieder, sich allmählich von Z bis A vorarbeitend einzelne Texte, so verbraucht sich Jörg Zemmlers Format doch deutlich weniger.

 
 
Auch anlässlich eines Sonntagsausflugs ließe sich das Buch immer wieder mal wunderbar zur Hand nehmen, um etwas über die Zieldestination zu lernen. Roadtrip ist die „Neuste Südtiroler Landeskunde“ keine, mehr ein Ausflug der Woche oder des Tages. Ähnlich umtriebig hat der Autor für seinen YouTube Kanal auch sieben Beispiele der Texte am Ort des Verbrechens aufgenommen, anhand derer man die eigene Humor-Kompatibilität mit dem Buch testen kann.
Liest man Zemmlers Buch häppchenweise dann kann es viel Freude bringen, gönnt man sich zu viel davon auf einmal, dann schlägt es auf den Magen, allein schon wegen der vielen Superlative zum ursprünglichsten, modernsten, nachhaltigsten, angesagtesten und tollsten Land der Erde, das da Südtirol heißt.