Freies Theater Bozen: Wir kochen breite Bettelsuppe!
Wer ist Heiner Müller? Einer, der unbequem war, einer der wichtigsten deutschen Dramatiker des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Der 1995 in Berlin verstorbene Theatermann war auch Lyriker, Theoretiker und zuletzt Präsident der Akademie der Künste. An deutschen Theater wurde er mit Unterbrechungen gespielt, zu widerspenstig kritisieren seine Texte die Geschehnisse im Land, vor allem vor dem Mauerbau. Heute wird er auf der ganzen Welt gespielt, in Südtirol hält das Freie Theater Bozen seine Fahne hoch. „Heiner Müller gehört zu unseren Säulenheiligen“, bekennt Regisseur Reinhard Auer, „eine Theaterinstitution hat nämlich die Pflicht Diskussionen anzustoßen und kritisch auf die Gesellschaft einzuwirken, und wir tun das seit 20 Jahren mit Stücken von Zeitgenossen und Klassikern auf unsere eigene Lesart.“
Das Stück „Landschaft mit Argonauten“ ist eine Geschichte aus der Antike und hat das Ende des Patriarchats, das Ende der Männer zum Inhalt. Warum ist eine solche Geschichte im Jahr 2013 interessant?
„Weil sich das Wesen des Menschen im Laufe der Zeit kaum geändert hat,“ meint Reinhard Auer. Es gehe immer noch um Eroberung und Machtkämpfe in der Welt, die Männer spielen Krieg, während die Frauen zu überleben versuchen. Im Stück entbrennt ein Konflikt zwischen den Geschlechtern, der sich zum Kampf der Ideologien aufschaukelt. Die kleine Männergruppe, bestehend aus dem Heros, Intellektuellen und dem Schönling, schaffen es zum ersten Mal nicht mehr, die „Eingeborenen“ und deren Land mit ihren Methoden zu unterwerfen. Die einstigen Charakterstärken wenden sich zu angreifbaren Schwächen. Die Unterdrücker geraten selbst unter die Räder. Das Ende der Männer besiegelt auch das Ende der männlichen Weltanschauung. Als Überlebende bleiben nur die Frauen zurück.
Ein Lichtblick? Diesen sehen Reinhard Auer und Gabriele Langes für ihr Theater kaum mehr. Immer wieder stieß ihr künstlerisches Konzept, die zeitgenössischen Theaterautoren und später dann die Klassiker zu spielen, auf Nichtbeachtung und Gegenkurs bei den Kulturämtern des Landes. „Man hat uns die Jahre herauf am finanziellen Hungertuch gehalten und uns in diesem Jahr wahrlich einen ultimativen Schlag verpasst, indem man uns 30 Prozent der Zuwendung gekürzt hat,“ klagt Reinhard Auer. Von 62.500 auf 40.000 Euro herunter, für eine einzige Aufführung im Jahr, die wie kaum ein anderes produzierendes Theater in die Kulturhäuser und Spielstätten Südtirols hinausgeht. „Wir haben uns von Anfang an vorgenommen, auch draußen in den Gemeinden zu spielen, das war und ist einzigartig und ganz im Sinne der Landesrätin. Doch auch das wurde uns nicht gedankt.“
Das Freie Theater Bozen verspricht seinem Publikum auf seiner Internet-Seite auch weiterhin „gutes Theater“ zu machen, gegen die Verdummung und Verrohung in allen gesellschaftlichen Bereichen samt ihren Formen aufzutreten. Es wäre gut, wenn das gelänge, denn gerade Theaterautoren wie Heiner Müller, Bert Brecht, Thomas Bernhard oder Elfriede Jelinek scheinen in Südtirol niemanden zu interessieren und werden nicht auf die Spielpläne gesetzt, dabei sind sie es, die mit ihrer kühlen und hochemotionalen Sprache Zustände schildern können, die dem Publikum zusetzen und es nicht einlullen.
„Verkommenes Ufer Medeamaterial Landschaft mit Argonauten“ von Heiner Müller (Originaltitel)
Premiere, 8. Oktober 2013, 20 Uhr, Bozen, Waltherhaus;
10. Oktober 2013, 20 Uhr, Bozen, Waltherhaus;
12. Oktober 2013, 20 Uhr Kaltern, Vereinshaus;
13. Oktober 2013, 17 Uhr, Kaltern, Vereinshaus;
18. Oktober 2013, 20 Uhr, Meran, Stadttheater;
19. Oktober 2013, 20 Uhr, Mals, Kulturhaus;
22. Oktober 2013, 20 Uhr, Bruneck, Pacher-Haus