Economy | Steuerbereich

Eine Steuerreform ist dringend notwendig

Seit Jahren spricht man von der dringenden Notwendigkeit einer Steuerreform. Ist die Zeit nun reif? Ein Interview mit Alfred Ebner.
Note: This article was written in collaboration with the partner and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.
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Foto: Fabio Petrini

Alfred Ebner: „Die europäischen Hilfen an Italien sind an Reformen gebunden. Ob dies in einer politisch unsicheren Lage auch gelingt, ist schwer zu beurteilen. Als Gewerkschaften haben wir unsere Vorstellungen aber bereits formuliert und eingebracht“.

Mit welchen Zielsetzungen?
„Wir wollen endlich Steuersenkungen für die Bediensteten und Rentner. Es braucht ein neues Steuersystem, das auf Gerechtigkeit, Beschäftigung und Wachstum ausgerichtet ist. Die Senkung der Steuerlast seit Juli 2020 ist ein erstes Ergebnis der Aktion von CGIL, CISL und UIL. Dies ist aber nur ein erster Schritt“.

Welche weiteren Schritte sind notwendig?
„Es ist notwendig, die von CGIL, CISL und UIL geforderte und im Haushaltsgesetz 2020 verankerte Maßnahme zu stabilisieren und diese Steuersenkung auf die Rentner ausdehnen. Dabei ist die von der Verfassung vorgesehene Progressivität der Besteuerung zu bewahren. Die Bemessungsgrundlage der IRPEF ist allerdings zu überdenken und zu erweitern. Es ist untragbar, dass die Einkommenssteuer momentan zu 94% auf den Schultern von Beschäftigten und Rentnern lastet. Durch die Steuerabgaben, die sich aus der neuen und breiteren Bemessungsgrundlage ergibt, kann man den Steuerdruck neu verteilen“.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber beklagen sich seit Jahren über den Fiscal Drag.
„Ein reales Problem. Der Fiskus schlägt bei Lohnerhöhungen erbarmungslos zu. Daher müssen Lohnerhöhungen von der Steuer befreit werden. Dies auch zur Unterstützung der Vertragserneuerungen für mehr als 13 Millionen Beschäftigte, deren Verträge ausgelaufen sind“.

Steuereinnahmen werden ja wieder vom Staat ausgegeben. Ist eine Neugestaltung der Ausgaben nicht ebenso wichtig?
„Um unser Steuersystem einfacher, gerechter und effizienter zu machen, ist eine präventive Konfrontation mit den Sozialpartnern wichtig. Die Reform muss die soziale Nachhaltigkeit, den Umweltschutz und die Erhaltung sozial wichtiger Einrichtungen für Arbeitnehmer und Rentner garantieren. Steuererleichterungen und gleichzeitig Ausgabenkürzungen in diesen heiklen Bereichen wären ein Eigentor. Nicht vergessen darf man dabei die Lokalsteuern, die man als einen Teil des Steuersystems betrachten und beleuchten muss, um zusätzliche Steuerbelastungen zu vermeiden“.

Thema Familie, hier investiert Italien vergleichsweise wenig.
„Es braucht eine neue, universelle und angemessene Familienhilfe. Natürlich sind die Mittel nicht unbegrenzt. Das Einkommen darf man daher nicht unberücksichtigt lassen. Die Stärkung des Unterhalts für die Kinder sollte aber die zentrale Angelegenheit sein. Auch ist in diesem Bereich eine Vereinfachung wünschenswert. Der Family Act ist ein erster Schritt“.

Steuerhinterziehung ist weit verbreitet und einer der Hauptgründe für Italiens Schwierigkeiten. Ist nun die Zeit reif, das Problem endlich mit Härte anzugehen?
„Geschätzte 110 Milliarden Euro an Steuerhinterziehung pro Jahr sind eine immense Belastung auf den Schultern der ehrlichen Steuerzahler. Die Regierung wird entschlossen handeln müssen, um die Rückverfolgbarkeit der Geldflüsse zu verbessern und durch neue Bewertungssysteme bestehender Datenbanken potenzielle Steuerhinterzieher herauszufiltern. Es braucht eine Ausweitung des Quellensteuersystems, die Förderung elektronischer Zahlungen, eine personelle und technische Aufrüstung der Einnahmeagenturen und innerhalb eines Zeitraumes von 5 Jahren eine Kontrolle der deklarierten Einnahmen“.

Kann man mit diesen Maßnahmen der Ungleichheit verringern?
„Die Ungleichheiten bei Einkommen und Vermögen in unserem Land sind enorm. Es ist notwendig, eine Sozial- und Wirtschaftspolitik umzusetzen, die diese Ungleichheiten entschärft. Die Mehreinnahmen aus der Bekämpfung der Steuerhinterziehung sollte daher zweckgebunden für die Senkung der Steuerbelastung von Arbeitnehmern und Rentnern, für öffentliche Investitionen, für die Entwicklung, für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Modernisierung der materiellen, immateriellen und sozialen Infrastruktur herangezogen werden“.

Eine einheitliche europäische Besteuerung bleibt weiterhin eine Utopie.
„Die Unternehmensbesteuerung sollte auf europäischer Ebene harmonisiert werden, um der Umgehung von Steuern der multinationalen Konzerne entgegenzuwirken. Die Webtax, die Transaktionssteuer bei großen finanziellen Bewegungen und die Karbontax auf europäischer Ebene sind einzuführen“.

Bleibt die Mehrwertsteuer unverändert? Hier blühen ausgereifte System der Hinterziehung. Ein Thema für die Gewerkschaft?
„Sicherlich und nicht nur in Italien. Jegliche Umgestaltung der Mehrwertsteuer muss aber in eine grundlegende Reform des Steuersystems einbezogen werden. Die Mittel für die Grundbedürfnisse der Bürger und die von den Familien häufig verwendeten Waren, müssen bevorzugt steuerlich entlastet werden“.

Das Steuersystem ist sehr kompliziert. Ist dies nicht auch ein Grund für die gewollte oder ungewollte Steuerflucht?
„Das System muss vereinfacht und angepasst werden. Es braucht wenige, aber klar definierte Steuern. Das Statut des Steuerzahlers ist in die Verfassung einzubauen. Bei nachgewiesenen ungewollten Fehlern ist Nachsicht geboten. Bei Hinterziehung sollte das Gesetz aber kompromisslos angewandt werden. Die Stärkung der Rolle der Steuerdienste CAF als Steuerberatungszentren könnte diesbezüglich eine Hilfe sein“.