Society | Nachtquartier

Von Freiwilligen getragen

Die Zivilgesellschaft springt ein: Ab 17. Oktober hat das Dormizil wieder geöffnet und bietet 25 obdachlosen Menschen einen Schlafplatz und ein offenes Ohr.
dormizil.jpg
Foto: Salto.bz
Der Winter kommt und während sich die einen aufs Törggelen und Skifahren freuen, fürchten sich die anderen vor der Kälte. Allein in Bozen gehen mehr als 100 Menschen ohne Dach über dem Kopf einem eisigen Winter auf Parkbänken, unter Brücken, in Abbruchhäusern und Zelten am Rand der Flüsse entgegen. Erneut ist es die Zivilgesellschaft, die einspringt. Im vergangenen Winter haben 137 Freiwillige aus ganz Südtirol obdachlosen Menschen im Dormizil in der Rittnerstraße 25 in Bozen ein warmes Bett im kalten Winter geschenkt.
 
 
„Wir haben dieses Haus vor eineinhalb Jahren als Leihgabe bekommen und wollen dort neun bis zehn Kleinwohnungen für langfristig Obdachlose und wohnungslose Menschen anbieten“, so Magdalena Amonn vom Vorstand des Vereins Housing First Bozen, der das Dormizil betreibt. Doch die Planung der Kleinwohnungen ist aufwändiger als gedacht. Inzwischen dient das Haus ab dem 17. Oktober 25 Menschen als Winterquartier, wobei eine Wohnung mit drei Schlafplätzen und eigenem Bad nur für Frauen vorgesehen ist. Die obdachlosen Menschen können in Zwei- und Dreibettzimmern schlafen.
Geht alles gut, starten die Umbauarbeiten für die Kleinwohnungen nächstes Jahr. Diese sollen nach dem Konzept von Housing First, also ohne an Voraussetzungen geknüpft, an obdachlose oder wohnungslose Menschen vergeben werden. „Housing First basiert auf dem Grundgedanken, dass Wohnen ein Menschenrecht sein sollte. Hier versagt der Staat aus meiner Sicht und die Zivilgesellschaft muss wieder einmal einspringen“, so Vereinsmitglied Wolfgang Aumer.
 

Obdachlosigkeit in Bozen

 
„Es ist dieselbe Situation wie vor fünf Jahren“, erklärt Vorstandsmitglied Paul Tschigg. Politik und Verwaltung hätten es auch wieder verabsäumt, für den Winter ausreichend menschenwürdige Schlafplätze bereitzustellen – gemeint ist damit die Notschlafstätte in Bozen Süd beim Ex-Alimarket. Letztes Jahr gab es in der Notschlafstätte der Sozialdienste Bozen in der Gobettistraße 8 Platz für 95 Menschen.
 
 
„Es ist von einer Notlösung die Rede, obwohl die Unterkunft bereits seit drei oder vier Jahren genutzt wird“, so Tschigg. Die Notschlafstätte gilt als wenig charmant, sondern eher als „Feldlazarett“, so wie es selbst Sozialstadtrat Juri Andriollo in einem Interview mit salto.bz Anfang des Jahres beschrieben hat. Für den Verein Housing First ist sie eine Unterkunft, die obdachlose Menschen an den Stadtrand drängt, ihnen keine Privatsphäre zugesteht, sehr teuer ist, nur den Winter überbrückt und keinen langfristigen Wohnraum schafft.
 

Das Angebot im Dormizil

 
Im Dormizil sind sie hingegen wirklich willkommen: „Es geht darum, Menschen die ganz unten angekommen sind, in die Mitte unserer Gesellschaft zu holen und sie nicht auszuschließen, wie es im Moment getan wird“, so Tschigg. Die Gründe für Obdach- und Wohnungslosigkeit seien vielfältig und reichen von gesundheitlichen oder familiären Problemen bis hin zu Migration oder Suchtkrankheiten. „Wir haben die Hoffnung, ihnen eine Zukunft zu geben und sie an die Hand zu nehmen“, so Tschigg.
 
 
Die Gäste werden dort täglich ab 19 Uhr von Freiwilligen eingelassen, erhalten Tee und Kekse und können ihre mitgebrachten Speisen in der Mikrowelle aufwärmen. Ab 22 Uhr ist Nachtruhe. Am Morgen werden die Freiwilligen vom Frühstücksteam abgelöst, damit diese ihrer Lohnarbeit nachgehen können. Frühstückszeit ist zwischen 7:30 und 8 Uhr, die Bewohner:innen verlassen das Haus um 8:30 Uhr.
Voriges Jahr war der jüngste Bewohner 21 und der Älteste 67 Jahre alt. Schon jetzt gibt es mehr Anfragen als es Schlafplätze im Dormizil gibt.
„Es ist schön, hier zu arbeiten, wir lernen von ihnen, sie lernen von uns. Durch das familiäre Klima und die Begegnung auf Augenhöhe im Haus habe ich ein gutes Gefühl“, sagt Verena von Aufschnaiter, die als Vereinsmitglied zuständig für die Organisation im Haus ist.
Die Freiwilligen haben im Dormizil vorigen Winter 172 Nacht- und Frühstücksdienste geleistet. 4.300 Nächtigungen wurden insgesamt gezählt. Viele Freiwillige haben sich bereiterklärt, auch heuer wieder mitzuarbeiten. Dennoch werden weitere Freiwillige gesucht. Sie können sich über [email protected] melden. Auch Spenden sind willkommen und können über die Webseite www.dormizil.org abgewickelt werden.