Politics | Landtag

“Zu viele haben noch nicht kapiert”

Der Landtag diskutiert über die neuesten Entwicklungen der Corona-Pandemie. Weitere vier Gemeinden sind “rote Zone”.
Landtagssitzung 5. November 2020
Foto: Südtiroler Landtag/Werth

In einer zweieinhalbstündigen Sitzung, bei der alle 35 Landtagsabgeordnete anwesend waren, bot sich am Donnerstag Nachmittag für die Opposition die Gelegenheit, in direkten Dialog mit der Landesregierung zu treten. Und sie wurde genutzt. Per Videoschaltung diskutierten die Abgeordneten und platzierten ihre Beobachtungen bei Landeshauptmann Arno Kompatscher und Gesundheitslandesrat Thomas Widmann.

In den Wortmeldungen wurde mehrfach darauf verwiesen, dass die Verwirrung und der Unmut unter der Bevölkerung seit Beginn der “zweiten Welle” gestiegen sei. Nicht zuletzt, weil von Staat und Land immer wieder unterschiedliche Regelungen erlassen werden, die anschließend nachgebessert oder zurückgenommen werden. “Der Sonderweg ist dem Landeshauptmann auf den Kopf gefallen”, meinte Brigitte Foppa (Grüne).  Die Abgeordneten von Team K bemängelten, dass es keine echte Strategie zum Schutz der Risikogruppen zu geben scheine. “Erntehelfer werden getestet, Besucher und Bewohner von Altersheimen nicht”, so Paul Köllensperger.

Ulli Mair (Freiheitliche) kritisierte, dass es viele Fehler in der Kommunikation gegeben habe. “Ich würde gerne viele Maßnahmen mittragen, aber das ist schwer, wenn man bemerkt, dass nicht alle ihre Hausaufgaben gemacht haben.” So etwa sei die Schließung der Geschäfte oder der Friseure in den Gemeinden, die die Landesregierung als “rote Zone” ausgewiesen hat, nicht nachvollziehbar. Laut staatlicher Verordnung dürften Friseure auch in den zu “zone rosse” erklärten Regionen offen halten.

 

“Leider drastische und wenig beliebte Maßnahme”

 

Landeshauptmann Kompatscher verteidigte sein Vorgehen und dass er teils strenger als der Staat eingreife. “Die Maßnahmen sind nicht aus Jux und Tollerei getroffen worden, sondern weil die Lage ernst ist. Die Infektionsherde vermehren sich leider zunehmend. Die epidemiologische Entwicklung in Südtirol erfordert leider drastische und wenig beliebte Maßnahmen. Deshalb gehen wir einen Schritt weiter als vom Staat verordnet und haben auch Maßnahmen ergriffen, die für die nächste Risikostufe vorgesehen sind. Das Land ist nicht von der staatlichen Linie abgewichen, es hat nur früher reagiert.”

Bei der Regionenkonferenz am Donnerstag habe er erfahren, dass viele Regionen in den nächsten Tagen auf Rot wechseln werden, da die Daten aktualisiert würden.

“Man muss alles tun, um Ansammlungen zu vermeiden, das haben zu viele noch nicht kapiert”, so Kompatscher weiter. Deshalb auch die Schließung der allermeisten Handelsbetriebe. “Das Problem ist nicht das einzelne Geschäft, sondern die Bewegung, die damit zusammenhänge. Das gilt auch für Einkaufszentren oder Bauernmärkte.” Zu den Friseurläden in den roten Zonen meinte er: “Es ist nicht logisch, diese offen zu lassen, wenn man nur aus gesundheitlichen, schulischen oder Arbeitsgründen aus dem Haus darf.”

Myriam Atz Tammerle (Südtiroler Freiheit) hatte um Auskunft über mögliche erneute Schließung der Grenzen gebeten. “Grenzschließungen wird es nicht mehr geben”, versicherte Kompatscher, “dazu haben sich alle Staaten bekannt. Sie würden auch nichts lösen”.

Er sei sich seiner Verantwortung bewusst, betonte der Landeshauptmann. “Die letzten Monate waren kein Vergnügen. Ich bin mir auch bewusst, was die Einschränkungen für die Bürger bedeuten. Und, dass ich auch zur Rechenschaft gezogen werden kann – auch in dem Fall, dass die Maßnahmen nicht ausreichen.”

 

Auer, Tisens, Lorenzen, Prad auf rot


Indes wurden weitere vier Gemeinden zur “roten Zone” erklärt: In Auer, Tisens, Sankt Lorenzen und Prad gelten ab sofort die Sonderregeln über die landesweiten Maßnahmen hinaus. Die Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen (bis zur 1. Klasse Mittelschule) werden nach den Allerheiligenferien, wie berichtet, auch in den – Stand heute – 27 Cluster-Gemeinden am Montag, 9. November, wieder öffnen. Im Unterricht gibt es eine Maskenpflicht für Kinder bis 6 Jahren. Zudem gilt ein Verbot, sich in die betroffenen Gemeinden hinein oder hinaus zu bewegen. Außer aus Erfordernissen der Arbeit, Gesundheitsgründen oder Notwendigkeit. Die Bürgermeister können mit eigenen Maßnahmen weitere Einschränkungen der Bewegungen innerhalb des Gemeindegebiets erlassen.