Economy | Athesia

Frühpension am Weinbergweg

Aufregung im Hause Dolomiten. Die Athesia will fünf Journalisten in die Frühpension schicken. Die Umstrukturierung sieht auch Lohnausgleich für die Belegschaft vor.
Dolomiten, SVP, elezioni, seggio
Foto: Privat
  • Wenn es um den Südtiroler Medienkoloss geht, wird die lokale Journalistengewerkschaft (FNSI) einsilbig. „Noch gibt es keinen offiziellen Antrag“, erklärte Regionalsekretär Rocco Cerrone vor acht Tagen auf Anfrage von SALTO. 
    Dass die Geschichte aber bereits viel konkreter ist, zeigt sich an der Aufregung, die derzeit in der Redaktion der Tageszeitung Dolomiten herrscht. Denn vergangene Woche wurde die gesamte Redaktion auf einer Versammlung mit einer Hiobsbotschaft konfrontiert.
    Die Athesia-Führung will fünf altgediente Journalistinnen und Journalisten in die Frühpension schicken. Damit das aber machbar ist, muss der Athesia-Verlag einen Krisen- und Umstrukturierungsplan („riorganizzazione aziendale in presenza di crisi, di durata non superiore a 24 mesi, anche continuativi“) vorlegen, der unter anderem auch einen Lohnausgleich für die gesamte Redaktion vorsieht. 
    Die Vorstellung dieses Planes hat in der Dolomiten-Redaktion und darüber hinaus im Hause Athesia für Entsetzen gesorgt. „Frühpensionierungen gehören bei Athesia durchaus zur Unternehmensstrategie“, meint ein Journalist, „dass es jetzt aber so unmittelbar die Redaktion betrifft, überrascht wirklich alle“.
    Elmar Pichler-Rolle sieht das nicht so. Der Berufsjournalist, ehemalige Zett-Chefredakteur und amtierende Unternehmenssprecher der Athesia sagt: "Hier müssen nicht nur die Betroffenen zustimmen, sondern auch das Redaktionskomitee und die Gewerkschaften. Das entscheidende Gespräch hat aber noch nicht stattgefunden“. 

  • Das Gesetz

    Athesia-Sprecher Elmar Pichler-Rolle: "Das entscheidende Gespräch hat noch nicht stattgefunden“. Foto: Youtube

     

    Am 4. Juli 2023 ist ein Gesetz in Kraft getreten, mit dem man dem angeschlagenen Zeitungssektor zum x-ten Mal unter die Arme greifen will. Der Staat hat 8 Millionen Euro genehmigt, mit denen die Frühpensionierung von Berufsjournalistinnen und -journalisten von Tages- und Wochenzeitungen sowie nationalen Nachrichtenagenturen finanziell unterstützt werden soll.
    Die betroffenen Journalisten müssen mindestens 25 Jahre und 5 Monate gearbeitet haben und ihnen dürfen nicht weniger als fünf Jahre bis zum Erlangen des Anspruchs auf Dienstaltersrente fehlen. Zudem müssen sie mindestens drei Monate lang in der Lohnausgleichskasse, der sogenannten „Cassa integrazione guadagni straordinaria“ (CIGS) eingetragen sein. 
     

  • Das Unternehmen muss beim Arbeitsministerium um Finanzierung und Genehmigung eines Plans für Umstrukturierung und Reorganisation ansuchen. Dabei muss für jeweils zwei Frühpensionisten je ein junger Mitarbeiter oder eine junge Mitarbeiterin (unter 35 Jahren) aufgenommen werden. Dies muss jedoch keine Festanstellung sein; zulässig ist auch eine selbstständige, freiberufliche Tätigkeit für den Verlag. Was für den Unternehmer ein arbeitsrechtliches und finanzielles Geschenk ist. Zudem müssen die Neueinstellungen in den Umstrukturierungsplan organisch eingefügt werden, etwa in den Auf- und Ausbau der Onlinesparte.
    Fast alle großen italienischen Zeitungsverlage - etwa die Verlagsgruppe Gedi (L’Espresso, La Repubblica) oder auch RCS (Corriere) - haben solche Projekte beim Arbeitsministerium eingereicht. Am Ende soll es italienweit über 100 solcher Frühpensionierungen geben.

  • Der Athesia-Plan

    Das passt dann auch in die Strategie der Athesia. Der Ebner-Verlag will in der vergleichsweise alten und teuren Dolomiten-Redaktion abspecken und deutlich mehr auf den Online-Auftritt setzen. Auch weil sowohl die Auflagenzahlen als auch die Werbeeinnahmen beim Zeitungsflaggschiff Dolomiten rückläufig sind.
    Demnach sollen Ulrike Stubenruß, Leiterin der Südtirol-Redaktion, Hatto Schmidt, Leiter der Bezirksredaktionen, Benno Zöggeler, zuständig für Bozen-Land, Ruth Passler, Redakteurin im Pustertal, sowie Otto Schöpf, Chef der Sportredaktion, innerhalb 2024 in Frühpension gehen - die ersten darunter noch im März 2024. Für manche der Betroffenen kommt - nach Informationen von SALTO - das Angebot der Unternehmensführung durchaus überraschend, andere begrüßen den frühzeitigen Ausstieg. 
    Doch die Maßnahme geht mit einem Lohnausgleich für die gesamte Redaktion einher.  Deshalb braucht es für die Einreichung des Umstrukturierungsprojekts nicht nur die Zustimmung der Gewerkschaften, sondern auch die Zustimmung der Redaktion. 
    Das Redaktionskomitee der Dolomiten, bestehend aus Brigitta Willeit, Michael Eschgfäller und Helmuth Weirather, hat jetzt die undankbare Aufgabe, den Konsens für die Vorgaben der Athesia-Leitung zu suchen.
    Die Stimmung im Haus ist derzeit deutlich angespannt“, beschreibt ein altgedienter Redakteur die Lage am Weinbergweg.  Unternehmenssprecher Pichler-Rolle hält den Ball flach: „Wir werden nur dann beim Ministerium ansuchen, wenn die Zustimmung von allen da ist“.
    Anders geht es auch nicht.

  • Der Millionen-Beitrag

    Athesia AG: 6,3 Millionen im Jahr Staatsbeitrag für die Dolomiten.

     

    Das Unverständnis für die drastische Maßnahme gründet nicht nur in der Tatsache, dass die „Athesia AG“ seit Jahren ordentlich Gewinne einfährt. So etwa hat man in den vergangenen Jahren jährlich eine Dividende von über einer Million Euro an die Aktionäre ausgeschüttet. In der Bilanz der Holding stehen zum 31. Dezember 2022 Gesamtrücklagen von knapp 10 Millionen Euro zu Buche. 

  • Die „Athesia Druck GmbH“, die offizieller Herausgeberin der Dolomiten, hat im abgelaufenen Geschäftsjahr zwar einen Bilanzverlust von 144.451 Euro aufzuweisen, diesem stehen aber ein Reinvermögen - allein von dieser Konzerntochter - von 156.034.063 Euro gegenüber. Das Reinvermögen des gesamten Athesia-Konzerns liegt bei rund 350 Millionen Euro.
    Zudem bekommt die „Athesia Druck GmbH“ jährlich für die Tageszeitung Dolomiten einen Förderbeitrag des Ministerratspräsidiums von 6,3 Millionen Euro. Dass ausgerechnet jene Zeitung, die in Italien den höchsten Förderbeitrag aus Steuergeldern erhält, gleichzeitig auf solche staatliche Entlastungsmaßnahmen zurückgreift, ist anscheinend möglich. Diese Gangart liegt aber auch durchaus in der Geschäftsstrategie des Hauses Ebner.

  • Michls Einnahmen

    Eigenerklärung des Athesia-Direktors: 300.000 Euro mehr als im Vorjahr. Foto: Handelskammer Bozen

    Dass man im Südtiroler Medienkonzern buchstäblich Wasser predigt, aber Wein trinkt, wird an einer anderen Stelle noch deutlicher.
    Athesia-Direktor Michl Ebner muss als Präsident der Handelskammer alljährlich seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenlegen. In der Steuererklärung für das Jahr 2022 steht dort ein Gesamteinkommen von 1.526.633 Euro zu Buche. Darin enthalten sind nicht nur die Amtsentschädigung von 144.476,75 Euro als Handelskammerpräsident und weitere 2.600 Euro als WIFI-Präsident, sondern auch zwei Leibrenten als Kammerabgeordneter und EU-Parlamentarier. 

    "Frühpensionierungen gelten hier anscheinend nur beim Fußvolk“.
    Ein Dolomiten-Redakteur

  • Der Löwenanteil dieser Einnahmen kommt aber aus den Bezügen, die Michl Ebner als Verwaltungsratspräsident,  -Mitglied oder als geschäftsführender Verwalter in insgesamt 30 verschiedenen Unternehmen aus dem Athesia-Konzern bezieht. In der am 12. Oktober 2023 unterzeichneten Eigenerklärung sind dafür 969.473,59 Euro angeführt. Das sind um 300.000 Euro mehr als im Jahr 2022.
    Das Problem: Auch in der Dolomiten-Redaktion gibt es Kolleginnen und Kollegen, die diese Zahlen lesen. „Frühpensionierungen gelten hier anscheinend nur beim Fußvolk“, sagt einer von ihnen durchaus sarkastisch.
    Michl Ebner ist inzwischen 71 Jahre alt.

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Hartmuth Staffler Mon, 11/06/2023 - 13:05

Auf Redakteure, die die nationalistischen italienischen Feiern zum 4. November begeistert feiern, könnte man wirklich gerne verzichten, aber dann müsste wohl auch die Athesia auf die Millionen aus Rom verzichten.

Mon, 11/06/2023 - 13:05 Permalink
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Johannes Engl Mon, 11/06/2023 - 22:03

Gemeiwohlorientierte Unternehmensführung schaut anders aus.
Hier scheint der Eigennutz einiger weniger bei weitem zu überwiegen.

Mon, 11/06/2023 - 22:03 Permalink