Politics | SVP
Dureggers Mail
Foto: Südtiroler Freiheit
Sven Knoll und Myriam Atz-Tammerle sind kaum mehr zu bremsen.
„Wenn Kompatscher behauptet, dass die Südtiroler wüssten, dass er für Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit stünde, ist dies angesichts der neuen, SVP-internen Dokumente eine Verhöhnung der Bevölkerung“, erklären die beiden Landtagsabgeordneten der Südtiroler Freiheit. Knoll und Atz-Tammerle haben am Dienstagmorgen zur Pressekonferenz geladen. Schon der Titel der Veranstaltung ist eindeutig: „Neue brisante Unterlagen: Kreatives Spendensystem und Vetternwirtschaft: Hat Kompatscher gelogen?“
In der offiziellen Aussendung zur Pressekonferenz heißt es dann: „Die Aufdeckung einer derart offenkundigen Verstrickung von persönlichem Wahlkampf, Parteistrategien, privaten Wirtschaftsinteressen, dem Missbrauch von Steuergeldern und dem offensichtlichen Zuschanzen öffentlicher Aufträge an die persönliche Wahlkampfagentur des Landeshauptmannes hätte in jedem anderen demokratischen Land den sofortigen Rücktritt zur Folge.“
Starker Tobak.
Dabei geben die neuen Dokumente, die – wie Sven Knoll immer wieder betont - der Oppositionspartei aus der SVP zugespielt wurden, wohl kaum das her, was die Patriotenpartei verspricht. Denn vorgelegt wird letztlich der Auszug einer namen- und adressenlose E-Mail und eine alte Geschichte, die Salto.bz im Mai 2021 recherchiert und veröffentlicht hat.
Es ist eine aufgewärmte Suppe, die perfekt getimt vor der heutigen Anhörung von SVP-Obmann Philipp Achammer im Spenden-Untersuchungsausschuss des Landtages serviert wird.
Dabei muss der Kellner Sven Knoll noch während der Essensausgabe ein kleines Zugeständnis machen. Salto.bz hatte anhand der Besonderheit der angeblichen SVP-Spenderliste (ein Punkt hinter jeder Überschrift) enthüllt, dass es sich dabei um einen Spleen Knolls handelt.
Es stimmt, die Spender-Liste habe ich persönlich transkribiert“
Sven Knoll
„Es stimmt, die Liste habe ich persönlich transkribiert“, erklärt der Kopf der Südtiroler Freiheit auf der Pressekonferenz. Und Knoll liefert auch eine Begründung für das Abschreiben: Auf der Originalliste seien handschriftliche Notizen.
Stümperhafter kann man seinen Informanten wohl kaum schützen.
Namenslose E-Mail
Das wirklich Neue an diesem Morgen ist eine E-Mail, die Sven Knoll vorlegt.
Besser gesagt einen Auszug aus einem Schreiben, bei dem sowohl der Adressat als auch der Absender fehlt.
„In dieser SVP-internen Kommunikation zu den Wahlkampfspenden spricht man von einem „kreativen Spendensystem mit Direktspenden für Kandidaten“, womit bestätigt wird, dass es Direktspenden an Kandidaten gegeben hat“, bewertet Sven Knoll und Myriam Atz-Tammerle dieses Schreiben. Zudem werde aus der SVP-Korrespondenz ersichtlich, dass mit den Spendern ausdrücklich vereinbart wurde, dass die Spenden nach einem Schlüssel verteilt werden. Landeshauptmann Kompatscher habe demnach für seinen Wahlkampf eine Viertelmillion (250.000) Euro erhalten. „Zur Erinnerung, die gesetzlich erlaubte Obergrenze liegt bei 30.000 Euro“, heißt es auf der Pressekonferenz.
Auf Nachfrage erklärt Sven Knoll, dass er weder den Schreiber noch den Adressaten dieser E-Mail habe oder kenne.
Dabei dürfte das Schreiben durchaus authentisch sein. Nach Informationen von Salto.bz stammt die E-Mail vom damaligen SVP-Landessekretär Gerhard Duregger. Dieselbe E-Mail war bereits SVP-intern als Beweis vorgelegt worden, dass Karl Zeller der „Koordinator des SVP-Spendenkomitees“ war. Duregger will sich auf Nachfrage von Salto.bz dazu nicht äußern.
Aus dem Schreiben geht auch hervor, dass Thomas Widmann für seinen Wahlkampf 100.000 Euro aus dem SVP-Spendentopf bekommen sollte. Warum gerade er? Dieses Thema wird verständlicherweise bisher in jeder Diskussion ausgeklammert.
Zudem ist Eines besonders auffallend: Weder in diesem neuen Dokument noch auf der gesamten Pressekonferenz fällt ein Name - Philipp Achammer.
Dass die Heckenschützen aus der Volkstumsfront den SVP-Obmann bewusst ausklammern, um gleichzeitig den Fokus auf Arno Kompatscher zu verschieben, wird aus der zweiten großen Enthüllung, die an diesem Tag präsentiert wird, noch deutlicher.
Zurück in die Zukunvt
Diesmal ist es nicht der Postkasten, der Sven Knoll zu Hilfe eilt, sondern ein Unfall.
Vor über drei Jahren macht der Fraktionsmitarbeiter der Südtiroler Freiheit Cristian Kollmann am Rande einer Pressekonferenz eine zufällige Entdeckung: Im Drucker des Saales im Südtiroler Landtag liegt, in zweifacher Ausfertigung, ein Wahlstrategiepapier der Südtiroler Volkspartei. Ausgearbeitet vom „Zukunvt Office Bozen“. Kollmann und die Südtiroler Freiheit machen bereits damals die Sache öffentlich und sie stellen eine provokante Frage: „Was wohl der Rechnungshof dazu sagen wird, wenn die SVP für ihren Wahlkampf die Infrastruktur des Landtages missbraucht?“
Es ist Salto.bz, das am 12. Mai 2021 diesen Faden aufnimmt. Unter dem Titel „Das Geschäftsmodell der Zukunvt“ heißt es: „Arno Parmeggiani ist Angestellter der SVP-Fraktion und Mitbesitzer der Agentur zukunvt, die von Land und IDM mit Aufträgen beglückt wird. Ein Südtiroler Filz.“
Im Salto-Artikel wird die Rolle von Arno Parmeggiani als Fraktionsmitarbeiter und Kopf der Werbeagentur „zukunvt“ nachgezeichnet. Dabei wird detailliert aufgezeigt, dass die Kommunikationsagentur nicht nur die persönlichen Webseiten von Arno Kompatscher und Philipp Achammer betreut, sondern auch einen großen Teil des SVP-Wahlkampfes 2018 umgesetzt hat.
Zudem wird dargestellt, dass das Land zwischen 2015 und 2021 insgesamt 34 Aufträge an die Agentur zukunvt vergeben hat. Den Großteil davon als Direktvergabe.
Das Gros der zukunvt-Aufträge kommt dabei aus den Ressorts von Arno Kompatscher und Philipp Achammer.
Die Aufträge
So begleitet zukunvt für die Ressorts von Philipp Achammer den „Bildungsdialog“ grafisch und konzeptuell, aber auch die Informationskampagne zum Thema „Mehrsprachigkeit 2016-2020“ oder die grafische Ausarbeitung der „KulturPerspektiven“. Ebenso entwirft die Agentur für die Koordinierungsstelle für Integration die Kommunikationsstrategie „Integration durch Leistung“. Im Frühjahr 2015 und im Herbst 2015 finden zwei Veranstaltungsreihen zum Landeskulturgesetz und zur Entwicklung der Förderrichtlinien statt, für deren Erscheinungsbild die Agentur engagiert wird.
Als die Landesregierung beschließt, Pressegespräche aller Landesrätinnen und Landesräte zu veranstalten, um über die bisherigen Ergebnisse der laufenden Amtszeit Resümee zu ziehen, vergibt Philipp Achammer an die „zukunvt GmbH“ einen Direktauftrag für die Moderation seines Pressegesprächs.
Ein besonders lukratives Betätigungsfeld findet das Unternehmen des SVP-Fraktionsangestellten aber auch im Ressort des Landeshauptmannes. Arno Kompatschers Ressortdirektor Ulrich Stofner vergibt einen Direktauftrag an zukunvt für Dienstleistungen als „Kommunikation Grafik- und Digitalagentur“ von 46.018,40 Euro. Dazu kommt, dass fast jeder Schritt, den die Kommunikationsagentur des Landes in den sozialen Netzwerken plant und macht, anscheinend über das Unternehmen Parmeggianis läuft.
Aber auch in der IDM hat die junge Werbeagentur einen weiteren öffentlichen Auftraggeber gefunden, der sogar noch großzügiger zu sein scheint. Die IDM hat in drei Jahren von 2017 bis 2020 insgesamt 24 Direktaufträge an das Unternehmen vergeben.
Auch hier ist das Betätigungsfeld äußerst breit. Es reicht von der „Entwicklung, Grafik und Programmierung der neuen Webseite IDM Film Fund & Commission“ für 36.700 Euro, dem „Corporate Design x Startbase“ (20.200 Euro) über das „Digital Export Coaching“ für zwei Unternehmen (40.000 Euro), der „Neugestaltung der Motivdatenbank“ (16.000 Euro) oder der „Neugestaltung Directory“ (18.000 Euro) bis hin zur Abhaltung des „Südstern Events“ (3.000 Euro).
Neben der Arbeit für Anzeigen und Kampagnen für Äpfel und Milch arbeitet die Agentur auch an der Dach- und Qualitätsmarke Südtirol. Für den Entwurf der „Layouts Qualitätszeichen innerhalb des Markensystems Südtirol“ erhielt zukunvt 16.974 Euro und für die „Ausarbeitung des Corporate Design Handbuchs und Templates für das Qualitätszeichen Südtirol“ weitere 16.108,05 Euro von der IDM.
Ausgesparter SVP-Obmann
Sven Knoll und Myriam Atz Tammerle greifen diese Geschichte jetzt als große Enthüllung auf. Ohne natürlich die Salto-Recherche zu erwähnen.
Dabei wird auf der Pressekonferenz und in den offiziellen Presseaussendung aber bewusst und konsequent die Rolle von Philipp Achammer ausgespart.
„Vetternwirtschaft mit Wahlkampfagentur von Kompatscher!“, lautet die einzige Stoßrichtung an diesem Dienstagmorgen. Kompatscher wird dabei nicht nur unterstellt, Arno Parmeggiani in der SVP-Fraktion angestellt zu haben, um so seinen „persönlichen Wahlkampf mit Steuergeldern“ abzuzahlen, Sven Knoll spricht auf der Pressekonferenz auch offen über Korruption.
Philipp Achammer kommt in der Aufarbeitung der Affäre erst gar nicht vor.
Philipp Achammer kommt in der Aufarbeitung der Affäre erst gar nicht vor.
Angesprochen auf die Rolle des SVP-Obmannes, meint der Landtagsabgeordnete: „Wir werden ihn heute im Untersuchungsausschuss dazu befragen“.
Dabei haben Sven Knoll und Myriam Atz Tammerle bereits auf der Pressekonferenz die Antworten Achammers vorab den Medien serviert:
Mein Name ist Hase und selbst die bestens informierte Südtiroler Freiheit weiß von nichts.
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Mich interessiert eigentlich
Mich interessiert eigentlich nicht, warum die StF den Achammer ausspart, oder die Athesia gegen Kompatscher Stimmung macht. Die Gründe dafür kennen wir dank Salto und Tageszeitung sehr gut.
Interessieren würde mich aber, warum diese – auch hier wieder sehr gut nachgezeichnete – Auftragsvergabe nicht stärker thematisiert wird und was es eigentlich mit den Wahlkampfausgaben so auf sich hat.
Bei Kompatscher kann man mit viel Liebe und in gutem Glauben noch von Ausgaben für den „Spitzenkandidaten“ sprechen (auch wenn im entsprechenden Landesgesetz das Wort „Spitzenkandidat“ gar nicht vorkommt), aber was ist mit den € 100.000 für Widmann und den € 50.000 für Alfreider? Wer hat noch Zahlungen für „seinen“ Wahlkampf erhalten?
Und warum wird immer von „Rest für Partei“ gesprochen, wenn doch alle diese Spenden den Wahlkampf der Gesamtpartei abdecken hätten sollen?
Aber womöglich ist für einige die Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze ja nur ein „Kavaliersdelikt“ in diesem eigenartigen Wettkampf, welche Seite bzw. welches Lager innerhalb der SVP nun den größeren Skandal für sich verbuchen kann.
Ganz lupenrein scheint keine der beiden Seiten zu sein und die parteigleich gespaltene Medienlandschaft ist einer transparenten Aufklärung leider auch nicht förderlich.
Man ist somit verleitet, das Ganze resignierend als „Von der Sammelpartei zum Sammelsauhaufen“ zu bezeichnen.
Es kann doch nicht wahr sein.
Es kann doch nicht wahr sein. Wir spekulieren, reden hier nach über drei Jahren immer noch über durchgereichte, wie bereits früher, zu nicht authentischen Listen…
Wieso hat der SVP- Landessekretär Premstaller, statt den UA anzugehen, nicht schon längst, die vollumfängliche authentische Dokumentation samt Spenderliste dem UA zur Verfügung gestellt und Fragen zu diesem als völlig „normal“ empfundenen Günstlingsystem und der (parteiinternen) Begünstigung einzelner Kandidaten und der Auftragsvergabepraxis beantwortet, die so ja erst gar nicht bestritten wird.
Es gilt nun vielmehr für Transparenz zu sorgen und die Demokratie im Land zu stärken. Wieso sind UA des Südtiroler Landtags nicht zumindest so ausgestaltet, damit sie, anders als bisher, endlich ihre Kontrollfunktion auch erfüllen (können)? Oder woran liegt es sonst?
So ein Zufall, dass gestern,
So ein Zufall, dass gestern, "Am runden Tisch", sowohl Atz-Tammerle oder Knoll und
Edelweiss-Obmann Achhammer in der Runde fehlten. Scheuen die Genannten eine direkte Konfrontation mit den kritischen Geistern, Ch. Franceschini, H. Kössler u. A. Dall'o? Ganz klar ja.
In reply to So ein Zufall, dass gestern, by Elisabeth Garber
Das war ja nicht das Thema
Das war ja nicht das Thema des Runden Tisches am 05.22.22. Es ging um Kompatschers Ja.
Sammelpartei, ... kann man
Sammelpartei, ... kann man unterschiedlich auslegen.
In reply to Sammelpartei, ... kann man by Dietmar Nußbaumer
Dann wäre aber jede Partei
Dann wäre aber jede Partei eine Sammelpartei.
In reply to Dann wäre aber jede Partei by Manfred Klotz
Statt mit konkreten Lösungen
Statt mit konkreten Lösungen der anstehenden Probleme die Wähler zu überzeugen glaubt die Obrigkeit anscheinend, dass sie "mit Parmeggianis zukunvt das Haus sauber beieinand und die Probleme unter dem Teppich verräumt hat."