Letta und Renzi: Den heißen Atem im Nacken
Sie könnten kaum unterschiedlicher sein. Entscheidungsfreudig und hyperaktiv der eine, bedächtig und zögerlich der andere. Obwohl sie beide aus dem katholischen Lager stammen, trennen die beiden Kontrahenten aus dem Partito Democratico Welten.
Während der Premier seine Politik der kleinen Schritte als Erfolg verkauft, will der Bürgermeister von Florenz im Eiltempo jene Reformen nachholen, die das Land sträflich versäumt hat. Gestern prallten die zwei Visionen in der Parteileitung des PD aufeinander. Letta, der den Atem seines Widersachers täglich im Nacken spürt, hat nun eine letzte Frist erhalten, um das Tempo seiner Regierung zu beschleunigen und neuen Schwung in deren gemächlichen Arbeitsstil zu bringen.
Politik der kleinen Schritte oder Reformen im Eiltempo
Eine Art Ultimatum aus der eigenen Partei. Freilich nicht das einzige. Der Präsident des Industriellenverbandes, Giorgio Squinzi, hat dem Regierungschef am Donnerstag ungewöhnlich rüde die Rute ins Fenster gestellt: Entweder Letta kommt zum vereinbarten Treffen am 19. Februar mit Steuersenkungen, Reduzierung der Arbeitskosten und einem konkreten Programm
zur Ankurbelung der Wirtschaft oder man werde sich ganz konkret an Staatspräsident Napolitano wenden und auf einen Wechsel pochen.
Den anfänglichen Rückhalt in der Wirtschaft hat der zögerliche Premier längst verloren. Unternehmer, Banken und Geschäftsleute liebäugeln mit der Entscheidungsfreudigkeit Renzis und dessen anpackendem Stil. Das um acht Punkte gesunkene Sozialprodukt könne nicht mit lauen Maßnahmen gesteigert werden. Doch dass Renzi das Amt des Premiers ohne Wahlen übernimmt, ist kaum anzunehmen. Ebenso unwahrscheinlich scheint, dass Letta als ferngesteuerter Premier weiterregieren kann. Bleiben zwei Alternativen: Neuwahlen noch vor dem Sommer oder eine umfassende Regierungsumbildung, die zügig ein konkretes Reformpaket ermöglicht.
Unternehmen, Banken und Geschäftsleute liebäugeln mit der Entscheidungsfreudigkeit Renzis
Indessen stürzen Fünfsterne-Bewegung und Lega Nord das Parlament mit massiver Obstruktion ins Chaos. Handgemenge, massive Beleidigungen und hysterische Auftritte sind an der Tagesordnung, die Präsidenten von Kammer und Senat stehen unter massivem Druck. Die vom fundamentalistischen Flügel des M5S um Alessandro Di Battista organisierten Aktionen dürften noch zunehmen, sobald das Präsidium Strafmaßnahmen gegen rund 20 Grillini verkünden wird. Ein rascher Kurswechsel scheint unvermeidbar. In welche Richtung, wird man am 20. Februar erfahren.