Economy | Sparkasse
Der Fall Rotolongo
Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Der große Auftritt fand am 9. Jänner 2017 in der Druckerei Athesia statt. Das Tagblatt Dolomiten zeichnet an diesem Abend im Rahmen des Neujahrsempfanges des Unternehmerverbandes den Klausner Unternehmer Hans Krapf als „Manager des Jahres 2016“ aus.
Unter den ersten Gratulanten findet sich auch einer der Vorgänger von Hans Krapf. Gerhard Brandstätter hat diesen Titel, wahrscheinlich als einziger Anwalt in der Geschichte, bereits 12 Jahre zuvor gewonnen. Für seine Verdienste um die Stiftung Sparkasse wurde Brandstätter 2004 zum „Manager des Jahres“ gekürt.
Hans Krapf und Gerhard Brandstätter sind seit langem eng befreundet. Man verbringt schon mal einen gemeinsamen Urlaub auf Krapfs Jacht. Zudem ist Gerhard Brandstätter seit vielen Jahren Aufsichtsratspräsident der „HAKA AG“, der Familienholding von Hans Krapf.
Die beiden Freunde sitzen seit Ende April 2014 auch gemeinsam an der Spitze der Südtiroler Sparkasse. Gerhard Brandstätter als Präsident und Hans Krapf als einflussreiches Mitglied des Verwaltungsrates.
Was kaum jemand weiß: Zehn Tage zuvor haben die beiden „Manager des Jahres“ still und leise eine geschäftliche Operation abgeschlossen, die die Sparkasse vor einem drohenden Millionenverlust bewahrt und Gerhard Brandstätter mit großer Wahrscheinlichkeit sein Amt als Sparkassenpräsident gerettet hat.
Es geht dabei um eine unglaubliche Geschichte eines Kreditfalles und Unternehmens aus dem Familienkreis Brandstätters, die deutlich macht, wie die Sparkasse auch heute noch geführt wird.
Die Longo-Gruppe
Gerhard Brandstätters Schwester Verena ist mit dem Unternehmer Peter Longo verheiratet. Peter Longo ist der älteste Sohn einer Frangarter Unternehmerfamilie.
Sein Vater Oswald Longo, ein gelernter Lithograf, gründet 1957 in Frangart das Unternehmen Fotolitho Longo, das zu einer Erfolgsgeschichte wird. 1989 kauft Longo in der Bozner Industriezone einen Gewerbegrund, auf dem er einen Neubau errichtet. Gleichzeitig übernimmt der Unternehmer aus einem Konkursverfahren daneben die ehemalige Baumwollspinnerei der Familie Pretz. Verkäufer ist damals die Sparkasse.
Inzwischen haben längst Longos Söhne die Firma übernommen. Während Günther und Harald Longo die Fotolitho betreuen, baut Peter Longo auf dem Gelände der Bauwollspinnerei eine große, moderne Druckerei: Die Rotolongo AG.
Schon bald kommt es zwischen den Brüdern aber zu unüberbrückbaren Konflikten. 2006 trennt man die Betriebe. Aus der Fotolitho wird die „Longo Group“ mit einer eigenen Tochter in Augsburg für den deutschen Markt, die Günther und Harald Longo heute mit großem Erfolg führen.
Problemfall Rotolongo
Auf der anderen Seite bleibt die Rotolongo AG. Die Druckerei, die in den vergangenen Jahren – auch aus finanziellen Gründen – mehrmals Gesellschaftsform gewechselt hat und inzwischen zu einer Holding geworden ist, die aus einer GmbH mit mehreren Kommanditgesellschaften als operativen Töchtern besteht, gehörte bis vor kurzem zu 67 Prozent Peter Longo und zu 33 Prozent seiner Frau Verena Brandstätter. Verena Brandstätter übernimmt zeitweise auch die Geschäftsführung des Unternehmens. Rechtsbeistand der Rotolongo ist von Anfang an Gerhard Brandstätter mit seiner Kanzlei.
Die Rotolongo GmbH gerät schon bald in finanzielle Schwierigkeiten. Der Hauptgrund ist die schwierige Auftragslage und der allgemeine Geschäftseinbruch auf dem Druckereisektor.
Die Hausbank des Unternehmens ist die Südtiroler Sparkasse. Dort wird der Schuldenberg immer größer. Bereits 2008 schlägt die Kreditabteilung Alarm. Doch die Bankenführung gewährt weitere Finanzierungen. 2011 wiederholt sich das Schauspiel. Die Kreditabteilung warnt, dennoch wird 2012 eine weitere Finanzierung beschlossen.
Dass das Unternehmen der Schwester und dem Schwager des damaligen Präsidenten der Stiftung Sparkasse Gerhard Brandstätter gehörte und dieser auch die Rechtsvertretung des Unternehmens überhatte, dürfte bei diesen Entscheidungen wohl eine Rolle gespielt haben.
Als Gerhard Brandstätter dann im April 2014 als Präsident in die Bank wechselt, wird die Situation noch brisanter. Denn im Juli 2014 werden die Kredite der Rotolongo GmbH in der Sparkasse offiziell erstmals als „festgefahren“ eingestuft (incaglio).
Der Raika-Kredit
Unter der Präsidentschaft von Gerhard Brandstätter kommt es Anfang 2015 dann aber zu einer Aktion, die man in jedem Handbuch eines Bankers als „Todsünde“ bezeichnen würde.
Obwohl die Brüder Günther und Harald auf der einen und Peter Longo auf der anderen Seite nichts mehr miteinander zu tun haben, haben sie noch eine gemeinsame Gesellschaft. Die „Longo Immobilien GmbH“ ist Besitzerin des ehemaligen, inzwischen umgebauten Firmengebäudes in Frangart und der Rotolongo-Halle samt Grundstück in der Bozner Negrellistraße. Das Unternehmen kassiert Drittmieten und die Miete der Rotolongo GmbH.
Weil Peter Longos Unternehmen mit den Mietzahlungen aber immer wieder in Verzug sind, wollen die Brüder auch diese geschäftliche Verbindung auflösen. Gleichzeitig braucht die Rotolongo eine Nachfinanzierung. So will Peter Longo 2015 die Anteile seiner Brüder an der Longo Immobilien GmbH übernehmen.
Doch dafür braucht er frisches Geld. Bei der Sparkasse sind die Ausstände längst so hoch, dass unmöglich mehr etwas zu holen ist. Fündig wird man bei der Raiffeisen Landesbank. Sie gibt der Longo Immobilien GmbH im Jänner 2015 einen Hypothekarkredit von 3,4 Millionen Euro. Damit zahlt Longo seine Brüder aus und kann einen Teil des Geldes in die seit Jahren angeschlagene Rotolongo investieren.
Freiwillige Rückstufung
Die Raiffeisen Landesbank stellt für den Longo-Kredit aber zwei Bedingungen. Sie will eine Hypothek ersten Grades auf die Immobilien des Unternehmens und die Drittmieten direkt zur Tilgung kassieren.
Das Problem: Die Longo Immobilien GmbH hat zu diesem Zeitpunkt bei der Sparkasse Schulden in der Höhe von 3,2 Millionen Euro. Und die Sparkasse hat dafür bereits eine Hypothek ersten Grades auf die Immobilien angemerkt.
Jetzt passiert etwas für die Bankenwelt Unglaubliches. Die Sparkasse beschließt, auf die Hypothek ersten Grades zu verzichten und sich freiwillig auf den 2. Grad zurückstufen zu lassen. Außerdem verzichtet das Bankhaus auch auf die sicheren Drittmieten und beschränkt sich auf die Mieten der Rotolongo GmbH, von der man weiß, dass sie in großen finanziellen Schwierigkeiten steckt.
Die Kreditabteilung der Sparkasse spricht sich vehement gegen diese Operation aus. Denn das Verhältnis zwischen Kredit und Wert der Besicherung verschlechtert sich von 42 auf 89 Prozent. Im Klartext: Das Risiko für die Bank wird durch die Rückstufung mehr als doppelt so hoch.
Die Aktion wird mehrheitlich vom Kreditkomitee genehmigt und auch von den unabhängigen Mitgliedern des Verwaltungsrates abgesegnet.
Im Oktober 2015 konfrontiert der Autor dieser Zeilen Gerhard Brandstätter mit diesen Fakten. „Die Operation wurde von der Banca d'Italia abgesegnet“, rechtfertigt der Sparkassenpräsident damals diese bemerkenswerte Vorzugsbehandlung in seinem Familienkreis.
Jetzt passiert etwas für die Bankenwelt Unglaubliches. Die Sparkasse beschließt, auf die Hypothek ersten Grades zu verzichten und sich freiwillig auf den 2. Grad zurückstufen zu lassen.
Brandstätters Problem
In Wirklichkeit aber hat die Bankenaufsicht nie grünes Licht für diese Operation gegeben. Das wurde spätestens im vergangenen Herbst klar. Seit Oktober 2016 unterziehen mehrere Inspektoren der Banca d'Italia die Sparkasse einer Prüfung. Die Inspektion wurde erst kürzlich um einen Monat verlängert.
Nach Informationen von salto.bz hat die Bankenaufsicht dabei auch den Kreditakt Rotolongo akribisch geprüft. Das Urteil der Inspektoren soll. gelinde gesagt, not amused gewesen sein.
Denn die finanzielle Situation der Rotolongo-Unternehmen hat sich inzwischen noch einmal verschlechtert. Trotz eines Moratoriums zahlt die Longo Immobilien GmbH nicht einmal die Mieten rechtzeitig an die Bank zurück. Ende 2015 hat die Longo Holding so Außenstände bei der Sparkasse in Höhe von 5,3 Millionen Euro. Längst ist klar, dass das Unternehmen diese Gelder nicht mehr zurückzahlen kann. Die Sparkasse geht intern zu diesem Zeitpunkt von einem Mindestverlust von rund 650.000 Euro aus.
Denn die finanzielle Situation der Rotolongo-Unternehmen hat sich inzwischen noch einmal verschlechtert. Trotz eines Moratoriums zahlt die Longo Immobilien GmbH nicht einmal die Mieten rechtzeitig an die Bank zurück. Ende 2015 hat die Longo Holding so Außenstände bei der Sparkasse in Höhe von 5,3 Millionen Euro. Längst ist klar, dass das Unternehmen diese Gelder nicht mehr zurückzahlen kann. Die Sparkasse geht intern zu diesem Zeitpunkt von einem Mindestverlust von rund 650.000 Euro aus.
Dennoch tut man an der Spitze der Sparkasse so, als sei nichts passiert. Mehrmals fordert die Kreditabteilung, dass auch der Kredit der Longo Immobilien GmbH als „festgefahren“ eingestuft wird. Generaldirektor Nicola Calabró lehnt diese Einstufung lange ab. Erst 2016 geht der Antrag dann durch.
Mit über 5 Millionen an festgefahrenen Krediten wird die Rotolongo spätestens jetzt aber zu einem ernsthaften Problem für die Bank. Vor allem für ihren Präsidenten. Immerhin ist es ein Unternehmen aus seinem Familienkreis, für das Gerhard Brandstätter auch als Anwalt bei den Verhandlungen mit den Banken aktiv war.
Das Weihnachtsgeschenk
Weil zumindest ein Imageschaden bleibt, versucht die Sparkasse im vergangenen Jahr, den Kredit an eine andere Bank zu verkaufen. Damit wäre man formal das heiße Eisen los. Doch man findet am Ende keinen Käufer.
Als dann die Inspektoren der Banca d´ Italia ihre Hände auf den Kreditakt legen, ist es zu spät für diese Lösung. Die Bankenaufsicht verlangt, dass die Longo-Kredite – so wie es normaler Bankenstandard ist – als „notleidende Kredite“ eingestuft werden.
Jetzt ist Feuer am Dach. Diese Einstufung und ein möglicher Millionenverlust durch das Unternehmen seines Schwagers und seiner Schwester hätten Gerhard Brandstätter als Bankenpräsident schwer angeschlagen.
Doch die Bankenaufsicht lässt nicht locker. Die Inspektoren stellen ein Ultimatum: Entweder der Kreditfall wird bis Ende des Jahres gelöst oder der Longo-Kredit muss als „Sofferenz“ ausgewiesen werden.
Doch die Bankenaufsicht lässt nicht locker. Die Inspektoren stellen ein Ultimatum: Entweder der Kreditfall wird bis Ende des Jahres gelöst oder der Longo-Kredit muss als „Sofferenz“ ausgewiesen werden.
In dieser fast ausweglosen Situation kommt plötzlich ein Christkind daher.
Der Käufer
Am 16. Dezember 2016 wird in Bozen die „IGB GmbH“ gegründet. Das Unternehmen mit einem Gesellschaftskapital von 20.000 Euro hat seinen Sitz in der Weintraubengasse 50. Es ist die Kanzlei der Wirtschaftsberater „Prast, Crazzolara, Schweitzer“.
Die IGB GmbH gehört zu 100 Prozent der HAKA Ag – die Hans Krapf gehört. Präsident des Aufsichtsrates der HAKA ist Sparkassenpräsident Gerhard Brandstätter.
Am 30. Dezember 2016 kauft die IGM GmbH die Immobiien der Longo Immobiliare GmbH. Der Kaufpreis: 8,6 Millionen Euro. 5.194.645,95 Euro zahlt Hans Krapf direkt an die Verkäuferin. Das Geld stammt aus einem Darlehensvertrag in der Höhe von 5,6 Millionen Euro, den die IGM GmbH am selben Tag mit der Raiffeisen Landesbank abschließt. Zudem übernimmt das Krapf-Unternehmen die Verbindlichkeiten der Longo Immobiliare gegenüber der Raiffeisen Landesbank in der Höhe von 3.376.944,05 Euro.
Hans Krapf hat damit die Longo-Immobilien übernommen, ohne einen Cent aus der eigenen Tasche zu zahlen. Das gesamte Kreditrisiko liegt jetzt bei der Raiffeisen Landesbank. Wobei nicht nur die Immobilien als Sicherstellung dienen, sondern auch der Kreditnehmer. Hans Krapf ist ein sehr erfolgreicher und äußerst kapitalstarker Multiunternehmer.
Genau eine Woche vor diesem Kauf ändern sich auch die Besitzstrukturen in der Rotolongo-Holding. Am 23. Dezember 2016 verkaufen Peter Longo und Verena Brandstätter ihre Anteile an ihre Söhne Thomas und Stefan. Verena Brandstätter hält nur mehr ein Prozent am Unternehmen. Damit wird der Name Brandstätter etwas aus dem Fokus genommen.
Hans Krapf hat mit dieser Operation ein gutes Geschäft gemacht. Dabei kann er von sich sagen, die Sparkasse gleichzeitig vor einem möglichen Millionenverlust bewahrt zu haben. Denn die Familie Longo hat mit dem Geld aus dem Verkauf alle Verbindlichkeiten bei der Sparkasse abgedeckt. Die Bank kann damit – wie von der Banca d'Italia gefordert - den Kreditakt Rotolongo schließen. Ohne Verlust.
Der angenehme und erwünschte Nebeneffekt: Gerhard Brandstätter ist ein akutes Problem los, das für ihn als Sparkassen-Präsident zum Stolperstein zu werden drohte.
Außer die Bankenaufsicht macht der stillen Hilfe unter Freunden noch einen Strich durch die Rechnung.
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Ende gut alles gut! Nur
Ende gut alles gut! Nur scheint mir eines nicht ganz klar formuliert:
"Hans Krapf hat damit die Longo-Immobilien übernommen, ohne einen Cent aus der eigenen Tasche zu zahlen. Das gesamte Kreditrisiko liegt jetzt bei der Raiffeisen Landesbank."
Mag sein, aber davon mal abgesehen dass der Kredit der RaiKa ja auch was kostet, haftet in erster Linie doch Krapf für den Betrag, oder? Die RaiKa wird doch nicht, bzw. kann nicht, ohne Sicherheiten solch ein Darlehen genehmigen.
Es schmerzt, von solch einer
Es schmerzt, von solch einer Vorgehensweise zu lesen und gleichzeitig im persönlichen Umfeld miterlebt zu haben, wie die Sparkasse bei problematischen Situationen von kleinen "unwichtigen" Menschen irgendwo in der Peripherie des Landes in unmenschlich herzloser Art den allerletzten Tropfen aus ihren langjährigen Kunden herauspresst, den alten Menschen nicht nur s'Hoamat nimmt und sie zu entwurzelten Mietern macht, den Rentnern für den Rest ihrer Tage von der kleinen Rente so viel wie irgend möglich abzwackt und und und ..... es schmerzt. :-(
nach Karl Valentin: du sollst
nach Karl Valentin: du sollst dich als treuer Kunde der Sparkasse zum Applaudieren sogar verpflichtet fühlen, selbst wenn es Dir nicht gefällt, ..... oder nicht ??