„Wo komme ich her?“
„Warum bin ich auf der Welt?“, fragt die kleine Felicia und mit dieser Frage stehen wir schon mitten im Thema des neuen Kinderbuches „Vielleicht warst du eine Flügelschlag“ von Birgit Unterholzner. Nach dem ebenfalls im Picus Verlag erschienenen Vorgängerbuch „Auf meinem Rücken wächst ein Baum“ über Fido und seinen demenzkranken Opa geht die Bozner Autorin auch diesmal ein großes Thema an: Wo kommen wir her? Warum sind wir auf der Welt? Mit diesen Fragen stellt die lebensfrohe und neugierige Felicia nicht nur ihre Eltern auf die Probe, sondern landet damit auch bei der schwarzen Katze, einer Wolke und schlussendlich sogar bei einem schwarzen Loch.
Zitronenschnipsel spritzen lassen, Sternenmühlen entdecken, ein Krokodil sein, das mit der Meerfrau Walzer tanzt
„Vielleicht warst du ein Flügelschlag“ ist ein ungewöhnliches Kinderbuch im besten Sinne. Meinem ersten Impuls folgend hätte ich gesagt, es ist überhaupt kein Kinderbuch. Diese außergewöhnlichen sprachlichen Bilder, das Thema und dann noch die so gar nicht „kindgerechten“ Antworten dazu. Tatsächlich aber ist unsere Vorstellung von dem, was kindgerecht ist, häufig eine falsche – starke Vereinfachungen, sprachlich wie auch inhaltlich, sind es sicherlich nicht. Denn auch Kinder beschäftigen sich bereits mit metaphysischen Fragen und hochkomplexen Themen, da wäre es doch naiv, sie mit einfachen, vermeintlich kindgerechten Antworten abspeisen zu wollen. Und da hält es Birgit Unterholzner wohl mit Umberto Eco, der in „Das Focaultsche Pendel“ schreibt: „Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung, und die ist die falsche.“ Sie zeigt Mut zum Uneindeutigen, packt es in vielsagend poetische Formulierungen („ein blühender See“, „in einem erloschenen Garten“) und vermittelt den kleinen Leserinnen und Lesern genau dadurch die Anziehungskraft des Geheimnisvollen, das vielen großen Themen innewohnt. Sehr sensibel zeigt das Kinderbuch, dass wir – ebenso wie die kleine Felicia – oft nicht mehr als ein Vielleicht als Antwort finden, aber dass das Fragen, Hinterfragen und Suchen unsere Gedanken fliegen und abtauchen und „Purzigagelen“ machen lässt.
Grafisch zauberhaft verpackt sind diese mentalen Purzelbäume in den collagenartigen Illustrationen von Clara Frühwirth, die 2016 mit dem DIXI-Kinderliteraturpreis für Illustration ausgezeichnet wurde. Liebevoll und mit einem Gespür für originelle Details schafft sie Illustrationen, die auch beim zweiten und dritten und vierten Durchblättern Spaß machen. Besonders gelungen sind die Gesichter der Figuren, voller Wärme und Vergnügtheit.
Fazit: Ob groß oder klein – wer „Vielleicht warst du ein Flügelschlag“ liest, will Zitronenschnipsel spritzen lassen, Sternenmühlen entdecken und ein Krokodil sein, das mit der Meerfrau Walzer tanzt.