Völkischer Beobachter

Walter Blaas braucht nicht lange, um die Katze aus dem Sack zu lassen. „Natürlich stinkt der Fisch vom Kopf“, doziert der freiheitliche Obmann, „und der Fisch heißt Rai Südtirol und der Kopf Wolfgang Mayr“.
Blaas redet am Donnerstag Nachmittag im Südtiroler Landtag frei von der Leber. Auf der Tagesordnung steht der Beschlussantrag seiner Fraktion zur Einsetzung eines Rundfunkbeirates für die RAI Südtirol. Es wird eine Sternstunde der blauen Medienkunde werden. Blaas, Sigmar Stocker aber teilweise auch Andreas Pöder offenbaren dabei ein Verständnis von Journalismus und öffentlich-rechtlicher Berichterstattung, das zum Fürchten ist.
"Natürlich stinkt der Fisch vom Kopf und der Fisch heißt Rai Südtirol und der Kopf Wolfgang Mayr"
Walter Blaas
Die Landtagsdebatte wird zu einem Frontalangriff auf Rai-Chefredakteur Wolfgang Mayr. „So wie der Herr mich kritisiert hat, so nutze ich heute hier die Gelegenheit, dem Herrn eins auszuwischen“, sagt Walter Blaas in seiner Rede offen. Seine Forderung: Mayr soll keine Kommentare mehr machen.
Die Rollen sind an diesem Nachmittag schnell verteilt. Die böse RAI Südtirol, die nur der SVP und den Grünen nach dem Mund redet und die volkstumspolitische Opposition, die in der Berichterstattung zu kurz kommt oder nicht so dargestellt wird, wie man es für richtig hält.
Was an diesem Tag fehlt, ist nur noch das Unwort von der „Lügenpresse“.
Der Beschlussantrag
Dabei war die Thematik anfänglich noch durchaus edel dahergekommen. Im März 2011 fand an der Uni Bozen eine Tagung zur Zukunft der RAI - Sender Bozen statt. In der anschließenden Diskussion kam nicht nur die inzwischen umgesetzte Landesfinanzierung zur Sprache, sondern auch die Einsetzung eines Rundfunkbeirates.
Die Freiheitlichen brachten im April 2012 im Landtag einen Beschlussantrag mit dieser Forderung ein. Der damalige SVP-Fraktionssprecher Elmar Pichler-Rolle schlug vor, dass der Landtag vor der Entscheidung eine Anhörung durchführen sollte. Diese fand im Juni 2013 statt. Vertreter des ORF, des Schweizer Fernsehens und des Bayrischen Rundfunks berichteten über ihre Erfahrungen mit dem Beirat.
Es war Sigmar Stocker, der den mit Legislaturende verfallenen Beschlussantrag im September 2014 wieder einbrachte. Die Forderungen: Es soll ein Rundfunkbeirat für den öffentlich-rechtlichen Sender Rai Südtirol eingesetzt werden, „in dem die politischen Parteien nicht die Mehrheit bilden.“
Am 2. Februar begann der Landtag mit der Behandlung des Beschlussantrages. Dann wurde die Diskussion vertagt. Am Mittwoch ging es dann weiter.
Doch an diesem Nachmittag ist von den edlen Motiven der Einbringer nicht mehr viel zu sehen und zu hören. Vielmehr wird deutlich, dass es darum geht, eine Redaktion politisch zu knebeln.
Der Ersteinbringer des Beschlussantrages Sigmar Stocker echauffiert sich darüber, dass „Rai Südtirol keine neutrale, objektive Berichterstattung betreibe“. Als Beweis führt der blaue Landtagsabgeordnete an, dass er eine Pressekonferenz zu den islamischen Vereinen in Südtirol abgehalten habe und dabei kein Redakteur erschienen sei.
Auch Sigmar Stocker schießt sich wortgewaltig vor allem auf Chefredakteur Wolfgang Mayr ein. So wirft er Mayr zum Beispiel vor, dass am vergangenen Montag RAI Südtirol „einen 35minütigen Film über den Meraner Bürgermeister Paul Rösch gezeigt hat.“ Stockers Unterstellung: Der „grüne Mayr“ erweist dem „grünen Rösch“ einen Liebesdienst.
"Dieser Chefredakteur ist nicht neutral."
Sigmar Stocker
Dass sich der Terlaner Landtagsabgeordnete kaum näher mit der Südtiroler Rai-Struktur beschäftigt hat, wird klar, wenn man sich die Realität anschaut. Gemeint ist der Film „Ein Zebra rebelliert“ von Alexander Schiebel, der Röschs Weg in die Politik dokumentiert. Der Film wurde auf einem Sendeplatz gezeigt, für den Mayr weder zuständig ist, noch Mitsprache hat. Zuständig ist Koordinator Markus Perwanger, der bekanntlich SVP-Parteigänger ist und in diesem Fall gezeigt hat, dass er durchaus politischen Pluralismus zulässt.
Welchen Geistes Kind Stockers Medienkritik aber ist, wird deutlich, als der Freiheitliche als Argument einen kritischen Facebook-Kommentar zur freiheitlichen Politik anführt, den Wolfgang Mayr als Privatperson gemacht hat. So als würde der Rundfunkbeirat auch Meinungen begutachten.
Andreas Pöder war jahrelang Radiosprecher, und er kennt sich damit im Journalismus aus. Auch er kritisiert Rai Südtirol. Andreas Pöder: „Ein öffentlich-rechtlicher Sender soll mehr informieren als missionieren“.
Dann erklärt der Abgeordnete der Bürgerunion seine Auffassung von objektivem Journalismus: „Journalisten haben durchaus eine Meinung zu haben, aber sie dürfen sie nur dann äußern, wenn eine Gegenrede möglich ist.“
"Ein öffentlich-rechtlicher Sender soll mehr informieren als missionieren"
Andreas Pöder
Was er damit meint?
Pöder erklärt es so: Nach vier Wochen Diskussion im Parlament zur Homo-Ehe und der Verabschiedung des Gesetzes, habe ein Moderator von RAI Südtirol gemeint, „das war auch an der Zeit.“ „Ich halte solche Aussagen für sehr bedenklich“, erklärt Pöder.
Es sind ausgerechnet die Grünen und die SVP, die gemeinsam die Amtsverteidigung der Rai-Redaktion und ihres Chefredakteurs übernehmen. „Ich kann dieses RAI- und Mayr-Bashing der Kollegen hier nicht teilen“, sagt Hans Heiss. Der grüne Landtagsabgeordnete streicht die Wichtigkeit von Rai Südtirol bei der Kultur- und Wissensvermittlung heraus. „Die Berichterstattung ist von Neutralität geprägt“, urteilt Hans Heiss.
"Die Berichterstattung ist von Neutralität geprägt"
Hans Heiss
Nach einer Fraktionssitzung, auf der die SVP-Fraktion die Marschrichtung festlegt, bläst auch Dieter Steger ins selbe Horn: „Rai Südtirol wird seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag gerecht“. Auch Landesrat Richard Theiner verteidigt in einer kurzen Stellungnahme den Sender und seine Redakteure.
Sigmar Stocker legt in seiner Replik noch einmal nach: „Dieser Chefredakteur ist nicht neutral. Ich will eine ausgewogene, gerechte Berichterstattung“.
Bei der Abstimmung sprechen sich dann 11 Abgeordnete für den Beschlussantrag, 17 dagegen aus und drei enthalten sich der Stimme.
Der blaue Maulkorb hat damit das Mikrophon verfehlt.
Über Meinungen kann man
Über Meinungen kann man trefflich streiten. Die RAI-Südtirol mag die Meinung ihrer Redakteure verbreiten (man weiß ja, nach welchen Kriterien die Redakteure ausgewählt werden), und der Hörer mag sich seine Meinung dazu bilden. Mit Meinung nur indirekt zu tun haben allerdings die laufenden Falschmeldungen von RAI-Südtirol. Letztes Beispiel: STF-Bürgermeisterkandidat Cristian Kollmann hat laut RAI Südtirol gesagt, Bozen solle wieder eine deutsche Stadt werden. Tatsächlich hat Kollmann gesagt, dass Bozen wieder eine "deutschere" Stadt werden solle. Ein kleiner, aber wesentlicher Unterschied. Da die Aussage Kollmanns auch in einer Pressemitteilung enthalten war, kann man nur den Schluss ziehen, das die RAI-Südtirol-Redakteure weder genau zuhören noch sinnerfassend lesen können, oder dass sie bewusst und mit Absicht lügen, so wie sie es auch bei der Information über das Thema doppelte Staatsbürgerschaft nachweislich getan haben.
In reply to Über Meinungen kann man by Hartmuth Staffler
Also bitte zwischen "deutsch"
Also bitte zwischen "deutsch" und "deutschere" Stadt ist doch nicht so ein großer Unterscheid! Überhaupt wenn so ein Satz von der STF kommt.
In reply to Also bitte zwischen "deutsch" by Mensch Ärgerdi…
Zwischen "deutsch" und
Zwischen "deutsch" und "deutscher" ist ein ganz wesentlicher Unterschied. Wenn man aus Bozen wieder eine "deutsche Stadt" machen will, dann stellt sich wirklich die Frage, was mit den Italienern geschehen soll. Wenn die Stadt wieder "deutscher" werden soll, dann geht es darum, dass die Rechte der deutschsprachigen Bevölkerung wieder eher respektiert werden. Das berührt die Rechte der Italiener in keiner Weise. Wer das bewusst verfälscht (ein RAI-Redakteur sollte zumindest lesen können) der begeht eine Lüge.
In reply to Zwischen "deutsch" und by Hartmuth Staffler
Dass die Meldung bewusst
Dass die Meldung bewusst verfälscht wurde, ist doch einzig allein Ihre Meinung, oder besser Unterstellung, Herr Staffler.
Bislang war man schlau genug nicht auf das Niveau der italienischen Stadtpolitik zu sinken und hat eine Spaltung der deutschen Wählerschaft in Bozen ausgelassen. Die STF hat sowieso 0 Chancen etwas zu bewirken und stellt sich nur auf um die SVP auf gut südtirolerisch zu "tratzen".
In reply to Dass die Meldung bewusst by Mensch Ärgerdi…
Ein Journalist muss lesen
Ein Journalist muss lesen können und sollte auch den Sinn der Wörter halbwegs verstehen. Wenn er dennoch etwas wesentlich anderes sagt, als ihm in einer Pressemitteilung mundgerecht serviert wurde, dann ist das entweder berufliche Unfähigkeit oder aber böse Absicht. Ich nehme eher letzteres an, gestehe den Kollegen von der RAI aber auch Unfähigkeit zu. Sie selbst nehmen leider zu diesen regelmäßigen Fälschungen nie Stellung.
Bei einer Wahl von "Spaltung" der Wählerschaft zu sprechen zeigt ein seltsames Demokratieverständnis auf. Wahlen sind doch dazu da, verschiedene politische Ansichten artikulieren zu können. Zu diesem Zweck spaltet sich die Wählerschaft üblicherweise in verschiedene Lager auf, die dann die Aufgabe haben, sich zusammenzuraufen und gemeinsam etwas weiterzubringen. Die STF will keineswegs die SVP tratzen, sondern den Bozner Wählern, die sich mit dieser SVP nicht mehr identifizieren können, eine Alternative bieten.
In reply to Also bitte zwischen "deutsch" by Mensch Ärgerdi…
Tut mir leid, aber zwischen
Tut mir leid, aber zwischen "deutsche" und "deutschere" Stadt ist ein großer Unterschied. Wer hier nicht unterscheiden will oder kann verfälscht die Aussage.