Culture | Salto Afternoon

Metall-Musik

Der „Apfelexpress“ hat einst Äpfel in die Welt gebracht. Dessen einstige Trambrücke von Lana nach Burgstall brachte Jonathan Zwießlers „Melody of Encounters“ zum Klingen.
Melody of Encounters, Lana Live; Jonathan Zwießler
Foto: Fanni Fazekas
Der Nationalfeiertag stand bei Lana Live, mit Brückenschlag zum Abschlusswochenende, ganz im Zeichen der Begegnung und der partizipativen Kunst. Wie das klang und welche Bilder dabei entstehen, wollte ich aus nächster Nähe erfahren, weswegen ich nicht allein der Aufführung um 18 Uhr beiwohnen wollte, sondern bereits am Workshop ab 16 Uhr teilgenommen habe.
Was wenig gelungen war gleich vorweg: Da der Künstlerische Leiter von Lana Live mit Hannes Egger eine sehr umgängliche Person ist, hatten sich im Vorfeld zahlreiche Teilnehmer:innen am Workshop bei ihm direkt angemeldet und hatten die Informationsmail vorab dadurch nicht erhalten, welche über die offiziellen Kanäle versandt wurde. Es fehlte ihnen eine gewisse Grundinformation zum Termin, auf der das Projekt aufbaute, nämlich, dass man selbst Dinge zur Klangerzeugung mitbringen hätte können. Wird das Projekt wiederholt oder weiterentwickelt - was gut möglich ist, da Zwießler bereits eine artverwandte Performance an den beiden Museion-Brücken realisiert hat - so wäre auf die Kommunikation vorab besser zu achten.
Mit in meinem Gepäck: Ein Regenmacher aus Ecuador, der seit Jahren Staub gesammelt hatte, eine kleine Flasche mit gutem Klang, ein Teedöschen mit trockenem Reis und Hülsenfrüchten und, aus gegebenem Anlass, eine Kurbel-Spieluhr mit dem Lied „Sur le pont d’Avignon“. Material wurde auch vom Veranstalter gestellt, Drähte, Garn, von der Etsch geglättetes Wurzelholz, Werkzeug und Ähnliches. Auch hier war die Kommunikation etwas ausbaufähig: Auf welche Weise die Brücke zum „klingen“ gebracht werden sollte, war den Teilnehmern - und Hannes Egger selbst - bis gegen Ende des zweistündigen Workshops wenig klar.
 
Melody of Encounters, Lana Live; Jonathan Zwießler
Melody of Encounters: Nicht alle Klangexperimente waren am Ende von Erfolg gekrönt. Die Brise, welche am Nachmittag durch die Uferböschung streifte inspirierte auch dazu, Bündel aus Gräsern und Schilf zu sammeln, welche eine Metallplatte nicht in Schwingung versetzen konnten. | Foto: Fanni Fazekas
 
Jonathan Zwießler hatte das Bauwerk, welches von ihm in groben Zügen vorab und später von Wittfrida Mitterer, Direktorin des Kuratoriums für Technische Kulturgüter, fundierter und mit Zahlen vorgestellt wurde (siehe Infobox), mit Kontaktmikrophonen präpariert. Die von diesen abgenommenen Schwingungen wurden dann auf Funkkopfhörer von Teilnehmer:innen und Publikum übertragen. Nicht jede Methode der Klangerzeugung war damit gleichermaßen geeignet und auch dafür könnte es Abzüge in Sachen Kommunikation geben, da wenig klar war, welche Objekte mitgebracht werden konnten.
In den knapp zwei Stunden Vorbereitungszeit, in welchen nebenbei noch Müll gesammelt wurde (er könnte ja schön klingen), verfolgte jeder seine eigenen Ziele und ich gestehe, dabei leicht überfordert mit dem hohen Maß an Autonomie und den wenig definierten Zielen gewesen zu sein. Die Brücke wurde am Ende mehr optisch neu gestaltet, als dass viel Neues zur Klangerzeugung hinzu gekommen wäre. Einige Steine, Hölzer und am Fahrradrastplatz Zurückgebliebenes fanden sich dann aber doch bis zur Aufführung hin, welche die Teilnehmer ebenso staunend wahrnahmen, wie das Publikum.
 
Melody of Encounters, Lana Live; Jonathan Zwießler
Melody of Encounters: Ziehen, Schleifen, Zupfen, Schlagen: Die Brücke wurde auf verschiedene Weisen in „Schwung“ gebracht, abgenommen wurde dieser an den Metallteilen. | Foto: Fanni Fazekas
 
„Die Tanzenden wurden für verrückt gehalten von denjenigen, die die Musik nicht hören konnten.“, soll Nietzsche mal gesagt haben, auch wenn es dafür keine Belege gibt. Ähnlich muss jenen (Rad-)Passanten ohne Funkkopfhörern die Szene auf der Brücke erschienen sein, als ein gutes Dutzend Menschen mit diesen sich zupfend, schabend, klopfend und schließlich auch singend an der Brücke erprobte. Die Klangdimensionen in welchen man sich bewegte waren schlicht zu verschieden. Vielleicht dachte auch Wittfrida Mitterer dahingehend, welche dem Treiben ohne Kopfhörer beiwohnte. Die Prinzipien der Schallübertragung im Medium Metall waren dabei bald keine Geheimnisse mehr und die Eigenarten des auf der Brücke geteilten Klangraumes waren es ebensowenig. Ein gemeinsamer Rhythmus oder eine Begegnung in Form von Melodie (um den Werktitel umzudrehen) war dabei schwerlich möglich, den Teilnehmern gelangen Frage und Antwort, auf dem durch den Fluss definierten Grundrauschen. „Deins“ und „Meins“ gab es dabei nicht mehr, man tauschte frei und neugierig.
Als eine Teilnehmerin ihr Kontaktmikrophon aus nächster Nähe ansang, taten es ihr andere gleich und schnell merkte die Gruppe, dass menschliche Stimmen über diese Abnahmemöglichkeit mehr nach Walgesang als nach sich selbst klangen. Also versucht sich die menschliche Stimme diesem Klang anzunähern, während ich versuchte dem Regenmacher mehr als nur ein kurzes Plätschern zu entlocken (wenn dessen flache Seite kurz mit dem Brückenboden in Kontakt war). Der eine oder andere bewies Rhythmusgefühl, ich bewies es nicht zu haben und irgendwo, aus großer Tiefe und wie aus dem Fluss war „Sur le pont d’Avignon“ in verschiedenen Abspulgeschwindigkeiten zu hören, wenn der Klangkörper der Spieluhr nach oben hin geschlossen wurde. Ist man bei diesen Spielereien, abgekapselt im selben Klangraum mehr dem inneren Kind oder einander begegnet? Es fällt schwer, das zu sagen.