Wachstumsschmerzen
Johannes Schneebacher lässt sich nicht leicht aus der Ruhe bringen. Doch man merkt es dem Generaldirektor der Südtiroler Volksbank an, dass dieser Vergleich ihm gar nicht gefällt.
„Nein, es wird nicht so gehen, ganz im Gegenteil“, antwortet er trocken auf die Frage, ob sich in der Volksbank, das wiederholt, was wir in den vergangenen drei Jahren bei der Südtiroler Sparkasse gesehen haben. Ist es das Ende einer Erfolgsgeschichte und der Beginn des Absturzes?
Schneebacher wählt die Worte bewusst: „Es ist das transparente Abbild einer Situation, wir haben aber weder Leichen im Keller, noch wird es weitere unangenehme Überraschungen geben.“ Dann sagt er einen Satz, der für den Generaldirektor einer Bank nicht selbstverständlich ist. Auch weil er damit Einiges riskiert. „Sie werden sehen, die Volksbank wird am Ende des Jahres wieder in der Gewinnzone sein.“
Die Verluste
Dass diese Prognose gewagt ist, zeigen die Ereignisse der letzten Wochen. Am 17. Juni 2016 hat die Volksbank per Pressemitteilung mitgeteilt, dass die Wertberichtigungen auf Kredite infolge einer Prüfung der Banca d’Italia in der Volksbank höher ausfallen als geplant. Dies wird negative Auswirkungen auf das Halbjahresergebnis haben.
In der Presseaussendung werden auch die Kennzahlen dieser für Bank und Mitglieder durchaus unerfreulichen Entwicklung mitgeliefert. Die Volksbank hatte für das laufende Jahr 55 Millionen Euro an Wertberichtigungen auf faule Kredite eingeplant. Jetzt muss man aber allein im ersten Halbjahr Wertberichtigungen von insgesamt 85 Millionen Euro machen. Daraus resultiert ein Verlust in der Halbjahresbilanz 2016, der zwischen 25 und 30 Millionen Euro liegen wird.
Die Ausgangslage
Die massiven Wertberichtigungen müssen auf Anweisung der Bankenaufsicht gemacht werden. Die Volksbank hat in den vergangenen Jahren einen Expansionskurs gefahren. Die letzten zwei Schritte sind die Einverleibung der Banca Popolare di Marostica und der angegliederten Banca di Treviso im Oktober 2015, sowie die anschließende Kapitalerhöhung von 95.752.377,60 Euro, die zwischen dem 30. November 2015 und dem 22. Jänner 2016 durchgeführt wurde. Die Volksbank hat damit vom Geschäftsvolumen her die Südtiroler Sparkasse überholt. Die italienische Regierung hat ein Gesetz erlassen, dass Volksbanken mit einem Gesamtvolumen von über 8 Milliarden Euro in Aktiengesellschaften umgewandelt werden müssen. Diese Umwandlung steht jetzt im Herbst auch für Volksbank an.
Generaldirektor Johannes Schneebacher: "Weder Leichen im Keller, noch wird es unangenehme Überraschungen geben."
Die Inspektion
Vor diesem Hintergrund hat die Banca d´Italia die Volksbank zwischen Mitte Februar und Mitte Juni 2016 einer ausführlichen Inspektion unterzogen. Fünf Inspektoren und Inspektorinnen der Bankenaufsicht haben einen großen Teil der Kreditakten, aber auch die Abläufe in der Bank, sowie die Vorgänge um die Kapitalerhöhung akribisch geprüft. Die Bankenaufsicht hat dabei einige Anmerkungen etwa zu den Kontroll- und Planungsprozessen gemacht. „Wir haben umgehend alle dieser Verbesserungsvorschläge angenommen“, sagt Johannes Schneebacher. In der Bankensprache heißt das „in condivisione“. Das heißt auch, dass die Banca d´Italia kein Sanktionsverfahren einleitet. Am Ende gibt die Bankenaufsicht in ihrem Endbericht auch jeder Bank eine Note. Dieser Bericht wird erst Mitte September vorliegen. In der Volksbank ist man aber durchaus zuversichtlich.
Die Wertberichtigungen
Der brisanteste Teil der Inspektion sind die Wertberichtigungen. 70 Millionen Euro an Berichtigungen im ersten Halbjahr hat die Bankenaufsicht von der Volksbank gefordert. 15 Millionen hat das Bankenmanagement nochmals zur Vorsicht draufgelegt.
Dabei waren ursprünglich für das Gesamtjahr 55 Millionen vorgesehen. Wie aber kann die Einschätzung zwischen Bank und Aufsicht so weit auseinander gehen?
„Die Bankenaufsicht hat unser Kreditportefeuille erstmals mit den neuen viel strengeren Kriterien geprüft“, erklärt Generaldirektor Johannes Schneebacher. Es sind genau jene Kriterien, die auch bei der Sparkasse angewandt wurden und dort 2014 zu Wertberichtigungen von 343,9 Millionen Euro und 2015 zu Berichtigungen von 53,1 Millionen Euro geführt haben.
Die unterschiedlichen Bewertungen in der Risikoabsicherung gründen vor allem auf zwei Pfeilern:
-
Die Banca D´ Italia erkennt persönliche Bürgschaften - auch wenn sie werthaltig sind - nicht an.
-
Die Volksbank hatte jene Objekte, die in die Versteigerung gehen, mit dem Ausrufepreis in den Büchern. Die Banca d´ Italia hingegen geht davon aus, dass die erste Versteigerung leer ausgeht und der Wert deshalb um 20 Prozent niedriger angeben werden muss.
Der Großteil der jetzt gemachte Wertberichtigungen gehen auf Operationen zurück, die vor 2011 gemacht wurden. Geographisch liegen 40 Prozent der Fälle in Südtirol, 60 Prozent in den norditalienischen Nachbarprovinzen.
Die zwei größten Einzelfälle mit jeweils rund 3,5 Millionen Wertberichtigung betreffen zwei Südtiroler Unternehmen. Es geht dabei um Immobilienprojekte in Südtirol und in Verona. „Gerade hier bin ich aber überzeugt, dass dieses Geld zurückkommt“, sagt Generaldirektor Schneebacher.
Der Interessenkonflikt
Äußerst genau kontrollierten die Inspektoren der Banca d´ Italia auch die Kreditakten der sogenannten „verbundenen Subjekte“. Damiti sind vor allem der Verwaltungsrats-Präsident Othmar Michaeler und der Präsident des Aufsichtsrates Heinz Peter Hager in den Fokus der Bankenaufsicht gekommen.
Aufsichtsratspräsident Heinz Peter Hager: Von den Inspektoren unter die Lupe genommen.
Othmar Michaeler ist geschäftsführender Gesellschafter der „Falkensteiner Michaeler Tourism Group“, die bei der Volksbank ein Kreditvolumen von rund 10 Millionen Euro hat. Heinz Peter Hager hingegen ist Berater der Signa-Gruppe von René Benko, die rund 30 Millionen an Finanzierungen aus der Volksbank hat.
Weil gerade in solchen Fälle mögliche Interessenskonflikte zwischen beruflich-privaten Engagement und der Funktion in einer Bank auftreten können, prüft die Banca d´ Italia diese Positionen und Akten besonders genau. Das ist nach Informationen von salto.bz in letzten Monaten auch in der Volksbank passiert.
„Es wurden uns von der Bankenaufsicht in diesem Bereich keinerlei Vorhaltungen gemacht“, sagt Generaldirektor Schneebacher. Genaueres wird man es wissen, wenn Mitte September der Inspektionsbericht dem Verwaltungsrat zugestellt wird.
Denn auch hier will die Volksbank auf Transparenz setzen. „Wir werden die Benotung durch die Bankenaufsicht öffentlich machen“; sagt Johannes Schneebacher.