Environment | offener Brief

“Rampold war gegen die Verschandelung”

Südtirols Heimatpfleger antworten mit einem offenen Brief auf die Replik der Schnalstaler Gletscherbahnen AG zum “Iceman Ötzi Peak” in den Schnalstaler Bergen.
Aussichtsplattform "Iceman Ötzi Peak"
Foto: Schnalstaler Gletscherbahnen AG

Die Kritik an ihrer Kritik lässt der Südtiroler Heimatpflegeverband nicht auf sich sitzen. Vergangene Woche hatten die Obfrau Claudia Plaikner und das Vorstandsmitglied Johannes Ortner die Sinnhaftigkeit und den Namen der neu errichtete Aussichtsplattform “Iceman Ötzi Peak” auf der Grawandspitze in den Schnalstaler Bergen, die die Seilbahn- und Skigebietbetreibergesellschaft Schnalstaler Gletscherbahnen AG hat errichten lassen, hinterfragt. Umgehend folgte die Replik der Schnalstaler Gletscherbahnen AG, die den Heimatpflegern unter anderem “rückwärtsgewandte Romantik” vorwirft.

Nun antworten Plaikner und Ortner mit einem offenen Brief. Darin ziehen sie auch den ehemaligen Chefredakteur der Dolomiten Joseph Rampold heran (die Schnalstaler Gletscherbahnen AG befindet sich seit 2018 mehrheitlich in den Händen des Athesia-Konzerns). Wörtlich heißt es in dem offenen Brief:

“Sehr geehrte Damen und Herren,
 

die Pflege einer zeitgemäßen authentischen Volkskultur und der Schutz der gewachsenen Kultur- und Naturlandschaft sind Kernanliegen des Heimatpflegeverbands Südtirol. Ihre geäußerte Replik auf unsere Presseaussendung wird von uns zurückgewiesen.
 

Die Aussichtsplattform auf der Grawand ist Ausdruck einer seit Jahren grassierenden Berg-Bespaßung und Inszenierung der Alpen, deren Ergebnis Funparks oder über Abgründe hinauskragende Plattformen (z.B. Martell, Naturnser Sonnenberg) sind – geradezu eine Verkehrung des echten Naturerlebnisses! Ihre Aussichtsplattform verunziert den Gipfel der Grawand, das Gipfelkreuz wirkt nun beinahe deplaziert. Ihrem Hinweis, dass durch die Aussichtsplattform ‘alle Menschen – und nicht nur wenige bergerfahrene – das Bergerlebnis leben können’, möchten wir entgegnen, dass die zehn Minuten von der Bergstation bis zur Grawand von einigermaßen kreislaufstabilen Menschen durchaus bewältigbar sind.
 

Zur Benennung der Plattform: Sie weisen darauf hin, dass nicht der Grawandspitz, sondern nur der Kunstbau den Namen ‘Iceman Ötzi Peak’ tragen würde. Die englische Bezeichnung (auf Deutsch ‘Eismann-Ötzi-Spitze’) bezieht sich jedoch eindeutig auf den Gipfel. Dies erinnert frappierend an die 2007 erfolgte Umbenennung des Osttiroler Mullwitzkogels in ‘Wiesbauerspitze’ (nach einem Wiener Wurstfabrikanten). Die Arbeitsgemeinschaft für Kartographische Ortsnamenkunde (AKO), das Koordinationsgremium aller in Österreich mit geografischen Namen befassten Dienststellen, verfasste dazu eine Stellungnahme: Darin heißt es, dass Neu- oder Umbenennungen von geografischen Objekten nach dem ortsüblichen Gebrauch zu erfolgen hätten, dass Bergnamen eine wichtige Orientierungsfunktion aufweisen würden (im Falle eines Rettungseinsatzes lebenswichtig!) und dass geografische Namen allgemein ein wertvolles Kulturgut einer Talschaft darstellten, welches – wie Gerüche (Heumahd) oder vertraute Laute (Kuh-/Kirchenglocken) – einen Teil der Identität der Lokalbevölkerung bildeten. Namen reflektieren die Wahrnehmung der Bevölkerung, die Grawand erschien den Kurzrasern eben als eine „graue Felswand“. Das Englische nun als Sprache des Respektes in Südtirol zu bezeichnen, ist in unseren Augen unverständlich. Verstehen Sie uns nicht falsch – wie alle Sprachen verdient auch das Englische größten Respekt. Wir sind aber der Überzeugung, dass das dreisprachige Südtirol mit seinen vielen dialektalen Abstufungen gerade die Besonderheit als zentralalpine Region ausmacht. Gerade in anglophonen Ländern wie Australien und den USA wurden in letzter Zeit berühmte Berge umbenannt. Mit den Namen Uluru (statt Ayers Rock) und Denali (statt Mount McKinley) hat man ein Zeichen der Wiedergutmachung gegenüber der indigenen Bevölkerung gesetzt. Namenlandschaft ist geistige Kulturlandschaft. Geografische Namen, so Egon Kühebacher, sind Denkmäler der Sprachgeschichte. Die Schnalstaler Glestscherbahnen schlagen mit dem Terminus ‘Iceman Ötzi Peak’ einen unzeitgemäßen Weg ein – weg von Authentizität, hin zu billiger Anbiederung an den internationalen Seilbahn- und Halbschuhtouristen.
 

Wenn Sie dann auch den Heimatpfleger/innen ‘rückwärtsgewandte Romantik’ vorwerfen und Sie die Covid-Krise als Vorwand für eine weitere technische Erschließung des Schnalser Talschlusses hernehmen, möchten wir an dieser Stelle die Südtiroler Bevölkerung fragen, wer hier rückwärtsgewandt handelt: jene die sich für den Erhalt gewachsener Landschaften einsetzen oder jene, die vor zwei Jahren den Weidegang der Schafe planierten (ein Tälchen!), in eine weitere Skipiste verwandelten und anschließend die Unverfrorenheit besaßen diese Piste ‘Transhumanz’ zu nennen? Für die Schnalserinnen und Schnalser wird der Skibetrieb gewiss wirtschaftliche Vorteile bringen – aber welcher Preis wurde bis heute dafür bezahlt? Ich darf Sie daran erinnern, dass sich Josef Rampold, der frühere Chefredakteur der Dolomiten, in den 1970er und 1980er Jahren vehement gegen die Verschandelung des Schnalser Talschlusses eingesetzt hat. Dies scheint heute weitgehend vergessen.
 

Mit freundlichen Grüßen
Claudia Plaikner, Obfrau Heimatpflegeverband Südtirol
Johannes Ortner, Vorstand Heimatpflegeverband Südtirol”

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Sebastian Felderer Tue, 07/07/2020 - 18:58

Frau Plaikner, bravo. Sie haben meinen vollen Respekt. Unter Ihrer Führung spüre ich die Kraft zum entschlossenen Widerstand des Heimatpflegeverbandes. Die Verschandelung vom Schnalstal würde von Rampold gnadenlos verurteilt und vieles andere mehr. Aber die Wirtschaft hat nur Kurzzeitgedächtnis. Also hat sie Rampold schon vergessen und es zählt nur der Profit von heute. Gegen diese Gedächtnisbeschränkung, sprich Vogelgrippe, könnte nur ein radikales Stutzen der Flügel helfen, um das Ungeheuer fluguntauglich zu machen. Es ist aber ein schwieriges Unterfangen, weil die Flügel diese Vogels sofort nachwachsen, wie der Schwanz der Eidechse. Deshalb kann ich nur die Bibel zitieren, in der es heißt "Sammelt nicht Schätze, die Rost und Motte verzehren ....... ". Im Katholischen Sonntagsblatt wäre das sicher nachzulesen. Aber wie komme ich darauf, wir sind ja im Schnalstal und dort geht es hoch hinaus.

Tue, 07/07/2020 - 18:58 Permalink
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Schorsch Peter Tue, 07/07/2020 - 19:23

Ein Bravo an die Heimatpfleger!

Übrigens, liebe Südtiroler Tourismustreibende, wir waren vor kurzem in den dolomiti friulani, auch Teil des UNESCO-Welterbes. Warum? Weil es dort noch richtig viel unberührte Natur gibt, und weil man dort die Natur noch Natur sein lässt, Disneyland braucht es dort nicht, Wanderwege und bewirtschaftete und unbewirtschaftete Schutzhütten reichen. Bei uns in Südtirol hingegen...
Und wenn wir mit anderen Wanderern von dort ins Gespräch gekommen sind, haben diese von sich aus gesagt, dass Südtirol ja auch tolle Berge hat, dass sie aber dort nicht mehr hinfahren, weil es ihnen zu übertouristifiziert und zu voll ist. Ist das wirklich, was Südtirol will? Hat Südtirol nicht auch eine gewisse Verantwortung, dieses Naturerbe zu erhalten?

Tue, 07/07/2020 - 19:23 Permalink
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Walter Kircher Wed, 07/08/2020 - 20:34

In der einzigartigen Natur- und Kulturlandschaft des Alpenlandes Südtirol immer öfter Allerweltszeichen zu setzen um einem Weltpublikum mit vermeintlicher Weltläufigkeit zu gefallen ist wohl kein seriöser Weg um auf die Unverwechselbarkeit des Landes aufmerksam zu machen! - Dies gilt für die Grawand in Schnals ebenso wie für den Hofburggarten in Brixen!
Was geht in den Köpfen der maßgeblichen Personen vor? - Wer und wie viele wollen nun daraus schließen ebenso handeln zu müssen und das Recht auf entsprechende Genehmigung zu erhalten?!

Wed, 07/08/2020 - 20:34 Permalink
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Elisabeth Garber Sat, 07/11/2020 - 09:22

"Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht. Sonst werden seine Bilder den Spanischen Wänden gleichen, hinter denen man nur Kranke und Tote erwartet."
Geniales Zitat von C. D. Friedrich, das nicht nur für Kunstschaffende Geltung hat.Übertragen auf Politiker* und Medienleute wie z.B. die Ebner-Bruderschaft heißt das, wer ohne Visionen ist, sollte sein Handwerk bleiben lassen.
Geld, Macht und Massentourismus sind keine Visionen.

Sat, 07/11/2020 - 09:22 Permalink