Society | Diskussion

Mit Kompatscher in der Fish Bowl

Der Landeshauptmann stellte sich im Überetsch mit Landesrat Alfreider zu dem Schlagwort Nachhaltigkeit den Fragen der Bevölkerung. Von Olympia 2026 bis zu Wohnbau.
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Foto: LPA / Tiberio Sorvillo
Nicht nur, aber auch über Nachhaltigkeitsthemen der Gemeinden Eppan und Kaltern konnten Interessierte mit Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landesrat Daniel Alfreider in Kaltern diskutieren. Erprobt wurde das neue Dialogformat „Fish Bowl“. Rund 150 Bürgerinnen und Bürger waren am Dienstag, den 5. Juli, zu einem Nachhaltigkeitsabend der Gemeinden Kaltern und Eppan gekommen, an dem sich Landeshauptmann Arno Kompatscher und Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider den Fragen und Anregungen des Publikums stellten.
Neue Straßen in dem Ausmaß wie früher wird es dagegen nicht mehr geben - Daniel Alfreider
Teilweise emotional wurde es dabei vor allem im zweiten Teil, in dem die Bürgerinnen und Bürger direkt und unmittelbar mit den politischen Vertretern diskutieren konnten. In diesem Diskussionsteil wurde das Dialogformat „Fish Bowl“ erprobt: Bei dieser Methode ist die Diskussionsbühne mitten im Raum inmitten der Menschen aufgebaut. Die Bürgerinnen und Bürger können direkt auf das Podium treten, einen freien Stuhl besetzen und mitdiskutieren, solange sie dies mögen. Anschließend geben sie den Stuhl für die nächste Person frei. Sehr viele aus dem Publikum nutzten diese Möglichkeit, Seite an Seite mit der Politik ihre Anliegen anzusprechen und taten dies auf intensive, teilweise auch emotionale Weise.
 
 

Die Themen

 
Der Bogen der sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit reichte von der Ebene der Überetscher Gemeinden und des Landes bis zu globalen Themen: Die Radwege wurden ebenso angesprochen wie lokales Einkaufen, finanzierbares Wohnen und der Umgang mit touristischen Hotspots, aber auch die Geschlechtergerechtigkeit, der Klimaplan und seine Ziele, Olympia 2026 oder der Fachkräftemangel. Auch die Covid-19-Pandemie und der Umgang damit waren Thema, ebenso die Politikerbezüge.
Immerhin stammen 43 Prozent der CO₂-Emissionen in Südtirol aus der Mobilität - Arno Kompatscher
Zuvor hatten Landeshauptmann Kompatscher und Landesrat Alfreider die Ziele des Landes Südtirol vorgestellt. Der Landeshauptmann verwies auf die im Strategiepapier „Everyday for Future – Gemeinsam für die Nachhaltigkei“ der Landesregierung enthaltenen Vorhaben, die sich an internationalen Vorgaben wie den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals - SDG) orientieren. Mit Blick auf die dramatische Erderwärmung, die im Alpenbogen bereits bei 2 Grad Celsius liege, erläuterte Kompatscher den Klimaplan des Landes und nannte „als eine der größten Herausforderungen in Südtirol die Umstellung unseres Mobilitätsverhaltens. Immerhin stammen 43 Prozent der CO2-Emissionen in Südtirol aus der Mobilität“.
 
 
Alfreider berichtete von einem Paradigmenwechsel: „Wir müssen die Auswirkungen von Bauwerken auf Südtirols Zukunft unter ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten bewerten.“ Daher setze das Land Südtirol in erster Linie auf den Ausbau der Schiene und die Vernetzung des öffentlichen Nahverkehrs: „Nur so können wir den Verkehr auf der Straße reduzieren. Neue Straßen in dem Ausmaß wie früher wird es dagegen nicht mehr geben.“
 

Erfahrungen und Projekte in Kaltern und Eppan

 
An diesem von der Kalterer Gemeinderätin Karin Tanzer moderierten Abend berichteten zudem die Nachhaltigkeitsbeauftragten der Gemeinden Kaltern, Vize-Bürgermeister Werner Atz, und von Eppan, Gemeindereferent Reinhard Zublasing, wie wichtig und gleichzeitig schwierig es sei, alle bei diesem Thema mitzunehmen und vor allem Wirtschaft und Umwelt zusammenzubringen.
 
 
Kaltern habe 2018 mit dem Beitritt zum Programm „Klimagemeinde“ einen ersten konkreten Schritt gemacht. Das „Schönste im Prozess“ war laut Atz, „dass sich in dessen Folge 25 Vereine zum Netzwerk ‚You can do it‘ zusammengeschlossen haben und tagtäglich konkrete Initiativen auf Gemeindegebiet umsetzen“. Laut Zublasing „passiert Nachhaltigkeit nicht von alleine“. Daher habe die Gemeinde Eppan einen eigenen Mitarbeiter genau mit diesem Ziel beauftragt. Neben vielen laufenden Nachhaltigkeitsprojekten in der Gemeinde sind vor allem beim Ideenwettbewerb für den Umbau des Kasernenareals schon einige der 17 Nachhaltigkeitsziele eingeflossen.
„Nachhaltigkeit beginnt in unseren Köpfen“, brachte gegen Ende des Abends ein Bürger die Gedanken, Zweifel und Hoffnungen der Bürgerinnen und Bürger von Eppan und Kaltern an diesem Abend auf den Punkt. 
 
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△rtim post Thu, 07/07/2022 - 19:30

Es ist nur zu begrüßen, wenn wir hierzulande alle und nicht nur der LH lernfähig sind. Ich hoffe diese Performance hat nicht nur mit Imagepflege, Selbstvermarktung ... der Akteure in Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen 2023 zu tun, dass es, hierzulande in dieser Form offenbar neu, zur Abwechslung mal ein bisschen Bürgernähe und (politische) Gesprächskultur hat.
Was nun nicht meinen soll, "schön, dass wir mal darüber geredet haben", sondern auch, dass dabei gemeinsame Ergebnisse herauskommen und umgesetzt werden — auch um dem besorgniserregenden Ohnmachtsgefühl, dem Wählerschwund, dem politischen Frust etwas entgegenzusetzen.
Sollte man auch in Meran, sehr akut dort, unbedingt nachholen: https://www.salto.bz/de/article/03062022/wenn-der-zenoberg-zittert Demokratie ohne Demokratinnen und Demokraten funktioniert nicht. Das ist jedenfalls in Europa lange Zeit eine nachhaltige historische Erfahrung gewesen. Ersatz- und Ankündigungspolitik hingegen braucht es nicht unbedingt.

Thu, 07/07/2022 - 19:30 Permalink