Politics | Eiertreter*in

Znicht und Zwider

Bis 5. September, 12.00 Uhr müssen die Kandidatenlisten für die Wahl 2023 hinterlegt sein. Wenn Sie auf meiner Liste kandidieren wollen, sollten Sie sich melden. Jetzt!
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Vielleicht erinnern Sie sich? Ich habe ja schon letztes Jahr meine Bereitschaft erklärt nach Jahren des Nörgelns endlich Verantwortung für unser Land zu übernehmen, Politik nicht nur anzuprunzen, sondern aktiv zu gestalten. Vor allem das „Gestalten“ ist mir wichtig. Meine erste Durchführungsbestimmung als Landeshauptmännin gestalte ich in Form einer Blumenvase mit einem gelb-grünen Streifenmuster. Wenn Sie mit mir gestalten wollen und seien es Obstschüsseln oder banale, aus der Form geratene Aschenbecher, melden Sie sich bitte. Meine zukünftige Landesregierung steht nämlich noch nicht ganz. Also Landeshauptmänninstellvertreter wird natürlich meine bessere Hälfte und den Großen würden wir von Außen berufen, weil der noch Minderjährig ist, ergo nicht kandidieren darf, aber auch irgendwie zu Taschengeld kommen muss.
Den Rest können Sie sich untereinander ausschnapsen. Natürlich geht Blindwatten mit Guatn und Rechten auch - wir sind ja ein freies Land. (Wie's dann in fünf Jahren aussieht, wenn ich mit meinem Despotismus durch bin, steht auf einem anderen Blatt Papier). Qualifikation ist übrigens kein Kriterium: Ich meine, wir sind mit einem Studienabbrecher als Superlandesrat durch eine Pandemie gekommen und hatten einen Laiendarsteller aus einem Werbespot für Apfelsaft als Gesundheitslandesrat. Was die humorlose Bissgurn aus dem Osten im wirklichen Leben war, könnte ich nicht mal sagen. Aber lassen Sie es sich gesagt sein, auch Bildung schützt vor Totalversagen nicht und ich finde jeder sollte mal die Chance bekommen, seine „Perspektiven“ für unser Hoametl an einem sechs Milliarden Haushalt abzuarbeiten. Beachten Sie, dass ich „jeder“ nicht gegendert habe. Offengestanden wären mir in meinem Kabinett Männer lieber als Frauen. Bei Gott, bin jetzt nicht gegen eine Frauenquote oder so, aber Mandrleit muss man nur sagen, was sie zu tun haben - sind von Zuhause so domestiziert. Unter unseresgleichen musst du immer elend lange diskutieren und alles genau erklären und die Zukunft unseres Landes - besser die Notlage in der es sich nach 75 Jahren Filz und Geschacher befindet - erfordert schnelles Handeln. Also schreiben Sie in die Kommentare welches Amt Ihnen vorschwebt. Wenn Sie nur so mitmachen möchten, wegen der fetten Gehaltsüberweisung am Monatsende, geht das auch in Ordnung. Schließlich müssen im Schlafsaal am Magnagoplatz mit absolutistischer Mehrheit 35 Landtagssitze gewärmt werden.

2023 - 2025

Habe keine Sorge, dass wir dieses Wahlziel nicht schaffen könnten. Nicht mit so einem Wahlprogramm: So unverschämt gelogen wurde selten, aber schließlich heiligt der Zweck die Mittel und sowas wie die Südtiroler Verbands-Partei, mit ihrem nachhaltigen Greenwashing blanker Wirtschafts- und Bauernpolitik, können wir schon lange. Um uns bei den Wahlschafen populistisch einzuschleimen - bevor wir die großen Brocken in Angriff nehmen - streichen wir die automatische Inflationsangleichung unserer Politikergehälter. Wäre ja noch schöner, dass unsere Gehälter ohne Verhandlung steigen, während sich der Pöbel ständig steigenden, vom Tourismus zusätzlich befeuerten, Lebenshaltungskosten gegenübersieht - mit seinen alten mickrigen Löhnen. Die Inflationsangleichung der Politikergehälter wird durch eine fixe, alljährliche Erhöhung um fünfzehn Prozent ersetzt. Die Inflation kann steigen und steigen, mehr als fünfzehn Prozent werden's nicht.
Ein weiterer wunder Punkt ist der Fahrkostenausgleich. Sie erinnern sich an die neidschürenden Tabellen in der Südtiroler Tageszeitung? Wer wieviel Kilometer verfahren hat; die Beifahrerin die wegen unsauberer Rechnungslegung einen Hupfer in ein ewiges Wochenende machen musste? Fahrkostenabrechnung wird abgeschafft! Wird durch einen Dienstwagen samt Chauffeur ersetzt - für alle 35 Landtagler.
Sie glauben das qualifizierte Personal rekrutieren wir von den Dorf- und Stadtputz im Land, weil die sicher ein Hochgeschwindigkeitstraining absolviert haben? Zugegeben es hätte seinen Reiz, dem Menschen hinter dem Lenkrad aufzutragen, mal hinne zu machen, auf jegliche Geschwindigkeitsbegrenzung zu pfeifen, da man spät dran sei. Vornehmlich in jenen Orten, wo der Betreffende bis vor kurzem gelasert hat. Aber nein: Dorf- und Stadtputz werden ersatzlos ihrer Amtspflicht entbunden, weil der Tourismus händeringend qualifizierte Fachkräfte braucht. So ein Uniformierter muss schon berufsbedingt gegen Alkoholmissbrauch sein. So nüchterne Abspüler rekrutierst so sonst nirgends, wenn nicht unter den Law-and-Order-Hütern dieses von Gott verachteten Flecken Erde. Außerdem sollen die endlich mal ein lavoro socialmente utile machen.

Wir werden alles auf den Prüfstand stellen, jeden Cent umdrehen, den Haushalt auf Null stellen - den der Landwirtschaftssubventionen meinte ich jetzt im speziellen. Wer sich nicht am Füllen des Steuersäckl beteiligt, soll daraus auch kein müden Heller erhalten. Die Bauern haben alle ein Schindeldach über dem Kopf und ein paar Hektar Brennholz für den Winter dazu. Und bald eine Zufahrtsstraße auf jede Alm, die wir mit mindestens 70 Prozent bezuschussen. Schluss mit ihrem Opfer-Abo! Das Kabinett Goggel Totsch I kümmert sich deshalb vornehmlich um die, denen ihre vier Wände nicht gehören oder deren Kreditlaufzeit wegen der Zinserhöhungen der EZB auf 80 Jahre geklettert ist. Martelen und Hofkapellen, wie der Rest des katholischen Firlefanz, sind mir eh zwider.
Da, da ist es schon wieder: Zwider! Das Schlagwort unter dem meine Liste und später meine Präsidentschaft firmieren wird. Ursprünglich sollte meine Bewegung ja „Südtirol in Bewegung/Sudtirolesi in lento movimento“ heißen - mit dem Bettfetzer als Listensymbol, aber das würde nicht dem Wählerpool der Wutbürger entsprechen, aus dem sich meine Gefolgschaft rekrutiert. „Znicht und zwider“ beschreibt viel treffender den Wesenszug des Südtirolers im Allgemeinen - und dem Umgang untereinander im Besonderen. Gegenüber der Obrigkeit wird er hingegen von Speichelleckerei geprägt. Man will es sich ja mit niemanden verscherzen. Könnte ja Repressalien nach sich ziehen: Verweigerte Baugenehmigungen oder dass jemand den bewohnten, unbewohnbaren Dachboden kontrolliert; dass einem der Unterwirt den Gschprizten mit mehr Mineralwasser als Leps füllt; du als Persona-non-grata von der Musi geschnitten wirst, wenn sie für den Glückstopf lottern gehen.
Gegenüber unseren lieben Gästen färbt sich das ganze Richtung Servilismus: Die Piefke könnten ja auf die Idee kommen, nächstes Jahr zur Abwechsung mal die Straßen auf Mallorca oder in Andalusien zu verstopfen. Gästeehrungen für 50 Jahre Treue sind Auszeichnung für das völlige Fehlen von Phantasie und Abenteuerlust – seitens des Ausgezeichneten. Die Landesregierung Totsch wird zusätzlich dafür sorgen, dass die Volksmärsche mit Wandernadeln und Medaillen der Siebziger Jahre verpflichtend wieder eingeführt werden. Das Land der Blauschürzen muss sich in seiner Spießigkeit suhlen.
Als Landeshaupmännin werde ich deshalb ein völliges Novum einführen: Niederschwellige Sprechstunden, wo jede Südtirolerin und jeder Südtiroler ab 22 Uhr sein Anliegen vorbringen kann und die/den ich mit einem 50-Euro-Schein aus meiner Sonderfond-Handtasche (von D&G) dann in die Nacht entlasse. Apropos: Als bekennende Langschläferin, die sich Jahr und Tag mit dem Schulbeginn ihrer zwei Laggl in Aller-Hergotts-Früh geplagt hat, dekretiere ich gleich an meinem ersten Arbeitstag, dass Wirtschaft und gesellschaftliches Leben nicht vor 10 Uhr 30 beginnt.

2025 - 2028

Auch zum Aufreger der letzten Tage habe ich eine klare Linie: Autorennen auf den Pässen. Ich versuche mal die Position des noch bis zum 22. Oktober amtierenden Verkehrslandesrates zusammenzufassen: Die Conventions von Chevrolet Corvettes, das Ausführen von Lamborghinis oder Sonntagsfahrten von Porsche Cabrioletts sind nicht per se ein No-Go. Es ist der Lärm, wenn die Grotten - ob der leeren Straßen - um 5 Uhr morgens die Passstraßen hochgejagt werden und so Urlaubsgäste in Wolkenstein und vor allem Kolfuschg aus den Betten werfen. Deshalb soll die Geschwindigkeit mit Tutoren und automatischen Strafen eingebremst werden. Dass die Horden an Motorradfahrern tagsüber beim Heizen um den Sellastock den selben Krach machen, dass du als Klettererin in der Ciavazes-Südwand dein eigenes Wort nicht mehr verstehst, sieht der Herr Landesrat nicht. Klar, da reisen die Harley-Rowdies mit ihren Maschinen auf dem Anhänger an, um auf Grödner Joch, Sella, Pordoi und Campolongo mal ordentlich die Sau raus zu lassen und füllen mit ziemlicher Sicherheit auch die Betten des Naturhotel Delta, direkt an der Passstraße, dessen 47prozentiger Teilhaber du zusammen mit deinem Bruder in der Alfreider GmbH bist. Da kannst du als Landesrat nicht die Pässe sperren, sondern monitorierst und zählst und zählst und monitorierst. Und überhaupt sind nicht die PS-starken Boliden oder die Motorradrentner das Problem sondern: Wir, Sie und ich, die in das ladinische Biotop aus touristischen Scusis, Sentas und Zweitwohnungsbesitzer einfallen. Die Kredner haben schon vor Corona die Tagestouristen als Ursache des Verkehrskollaps zwischen St. Ulrich und dem Grödner Joch ausgemacht und das hat sich der Daniel zu eigen gemacht: Die Pfoat isch olm gleimer wia die Hos. "Unser Ziel ist es, schon in den Tälern bzw. am Beginn der Täler Maßnahmen zu setzen", ließ er sich vom Boazner nach seinem Besuch beim Lega-Populisten zitieren.
Der Pragser Wildsee macht also Schule und so werden wir zwar mit unserem Steuergeld Straßen und Infrastrukturen des Touristen-Hotspots Südtirol finanzieren dürfen, aber online einen Slot buchen müssen, wenn wir mal irgendwo hin fahren wollen. (Unwillkommener) Gast im eigenen Land, sag ich nur. Knausrig dazu, weil er nicht bereit ist, für einen Macchiato am Pudl 2,60 Euro auf den Tresen zu legen.

Die Idee der Kredner Touristiker ist ja nicht neu und ich habe seinerzeit als ausgleichende Gerechtigkeit eine Mauer um Ladininen vorgeschlagen, damit unsere lieben Gäste bei Regenwetter nicht die Städte fluten. Da aber der Daniel als Bauingenieur (Alfreider Engineering) so eine Affinität zu Beton hat - es sei denn der Nachbar verbaut ihm mit seiner Pseudo-Fünf-Sterne-Bude die Aussicht - und uns überall mit mastodontischen Umfahrungen und zweistöckigen Kreisverkehren beglücken will, kann sich meine Landesregierung damit nicht gemein machen. Allerdings hat mich der Landesrat mit Ablaufdatum auf eine Idee gebracht: Ich werde die Pässe schließen lassen und für alle, die nicht das ganze Jahr hier wohnen und mein Gehalt als Landeshauptmännin alimentieren elektronische Fussfesseln verordnen. Beim Überschreiten des Kreisverkehrs in Pontives, der Kreuzung in Zwischenwasser oder der Auffangparkplätze in Plan de Gralba und Rönn wird dann automatisch eine Strafe ausgestellt. Hmmm …. vielleicht sollte ich meine Verordnung gleich auf die Hoteliere ausdehnen. So verhasst wie die Touristiker mit ihrem Business mit fremden Gästen, fremden Personal und immer mehr fremden Kapital mittlerweile sind, würde es für die Wahl im Herbst 2028 bulgarische Zustimmung für meine Regierungsarbeit geben.
Sie sehen, ich bin gekommen um zu bleiben. Melden Sie sich, denn rachsüchtig wie ich bin, ist es besser Sie sind für mich, als gegen mich. Gibt keine, die znichter und zwiderer ist.