Society | Inklusion

Nicht erwünscht

Die Inklusion in Südtirol ist noch immer rückständig. Lucia Russo über Probleme und Schwierigkeiten im Alltag.
Kinderbetreuung
Foto: Artem Kniaz/Unsplash
  • Vor kurzem ereignete sich ein Vorfall, bei dem Kindern und Jugendlichen mit Autismus der Zutritt zu einem Freizeitpark verwehrt wurde. Lucia Russo, Mitglied der Bürgerliste Pfitsch und des Team K, erzählt von Alltagssituationen Betroffener und erklärt, wie rückständig Südtirol in manchen Bereichen noch ist.

  • Lucia Russo: „Sie haben genau die gleichen Rechte wie wir alle, egal um welche Thematik es sich handelt.“ Foto: Privat

    SALTO: Frau Russo, warum haben Sie sich in einer Presseaussendung zu den Schwierigkeiten geäußert, mit denen Kinder mit Autismus betroffen sind?

    Lucia Russo: In der Zeitung Alto Adige habe ich einen Bericht gelesen, den ich nicht so stehen lassen wollte. Ich kenne derartige Zustände aus meiner eigenen Situation.

    Sie sind selbst Mutter eines betroffenen Kindes?

    Ja, deshalb bin ich auch in einer Gruppe von Eltern aktiv. Für uns sind das Alltagssituationen, oftmals wird man beim Einkaufen angesprochen, und in der Schule ist es nochmals schwieriger. Die Kinder können teilweise bei keinem Sportverein eingeschrieben werden. Sobald jedoch einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen, die sogar von Betreuern begleitet sind, der Zutritt zu einem Freizeitpark verwehrt wird, werden Betroffene nicht nur in ihrem Alltag behindert, sondern von der Gesellschaft ausgeschlossen. Es gibt leider so viele derartige Beispiele, damit könnte man eine ganze Liste füllen. Eine Vielzahl von Eltern kann das bestätigen, sie erleben solche Dinge tagtäglich. Im Jahr 2024 sollte man erwarten können, dass unsere Gesellschaft nicht mehr so verschlossen ist und Verständnis zeigt.

     

    „Sie erleben solche Dinge tagtäglich.“

     

    Was müsste jetzt getan werden, um die Situation zu verbessern? Welche Maßnahmen können von Seiten der Politik ergriffen werden, um solche Vorfälle zu vermeiden?

    Alle sollten wissen, was es heißt, von Autismus betroffen zu sein. Nicht alle autistischen Personen sind gleich, manchen fällt es schwer zu sprechen und sie wirken verschlossen, manchen haben Probleme mit anderen Dingen. Deshalb ist hier die Sensibilisierung äußerst wichtig. Zudem muss betroffenen Personen der Zugang zu allen Einrichtungen gewährt werden. Sie haben genau die gleichen Rechte wie wir alle, egal um welche Thematik es sich handelt.

    Gibt es Beispiele von Einrichtungen, wo es besser funktioniert als hier in Südtirol?

    Ja, die gibt es. In Innsbruck beispielswiese gibt es einen See, der allen zugänglich ist. Am Anfang der Saison begleitet man sein Kind dorthin und gibt an, welche Beeinträchtigung es hat. Alles wird schriftlich festgehalten, damit für beide Seiten klar ist, um welche Situation es sich handelt. Es wird Hilfe angeboten und sie kommen den Familien entgegen, da das Kind nicht alleine gelassen werden kann. 

    Wäre so etwas bei uns nicht auch umsetzbar?

    Es gibt diese Offenheit bei uns nicht, aber so könnte diesen Menschen enorm geholfen werden. Es gibt so viele Bereiche, in denen sie eingeschränkt werden, und durch solche Orte können wir Betroffenen entgegenkommen. Es ist wichtig, dass sie sich willkommen fühlen. Dabei muss auch mit Vereinen zusammengearbeitet werden, damit die Inklusion besser funktionieren kann.

     

    „Ist Gewinnen denn wirklich das Allerwichtigste?“

     

    Ist Südtirol hier also noch rückständig?

    Ja, absolut. Um ein weiteres Beispiel zu nennen: Wenn ein Junge mit Beeinträchtigung Fußball spielen möchte und sich nicht genau an die Regeln hält, darf es nicht passieren, dass er vom Training ausgeschlossen wird oder nie bei einem Spiel dabei sein darf. Ist Gewinnen denn wirklich das Allerwichtigste? Wir müssen uns vor Augen halten, welches Beispiel wir unseren Kindern und Jugendlichen vorleben. Soll es ein Beispiel sein, in dem nur Perfektion und Status in der Gesellschaft zählen? 

    In welchen Bereichen herrscht noch Aufholbedarf?

    Sowohl bei Freizeitaktivitäten als auch in Restaurants und Bars. Überall ist diese Hemmung zu spüren und man merkt, dass man nicht erwünscht ist. Hier muss etwas passieren. Es handelt sich ja nicht nur um ein Kind in ganz Südtirol, sondern um viele Betroffene. Den Kindern und Jugendlichen selbst ist schließlich auch klar, dass sie nicht erwünscht sind und andere sich von ihnen distanzieren. Es gibt noch viel zu tun, so müssen etwa auch die Nachmittagsangebote ausgebaut werden. Diese Kinder haben alle Talente, die sie im Moment nicht zeigen können. Unzählige Projekte könnten umgesetzt werden, die für die Betroffenen auch gleichzeitig eine große Hilfe sind. Ich bin fest davon überzeugt, dass alle, die mit beeinträchtigen Personen arbeiten, viel von ihnen lernen können.

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K V

Der See bei Innsbruck ist sicher ein begrüßenswertes Beispiel, ich würde jedoch nicht daraus schließen, dass Österreich bei der Inklusion vorne liegt. Dort gibt es nach wie vor Sonderschulen, die auch ihre Vorteile haben, jedoch wenig mit Inklusion zu tun haben. Es gibt kaum Sonderrechte, die finanziellen Unterstützungen sind ebenfalls geringer als bei uns. In Italien bekommt man mit dem Gesetz 104 eine Reihe von rechtlichen Unterstützungen und es gibt schon seit den 70ern eine förderliche Gesetzgebung. Es gibt noch viele Baustellen und es sollte noch viel getan werden, aber die Situation in Südtirol ist im internationalen Vergleich recht gut.

Wed, 08/07/2024 - 13:13 Permalink

Ritengo la risposta di KV interessante, pur non essendo un'esperta del settore. Auspico che i progetti di cui parla Lucia Russo vengano realizzati e mi sento per questo solidale.
Confesso tuttavia che, quando si parla di inclusione a livello provinciale, mi viene in primo luogo in mente l'esclusione che si vive in una società separata per lingua e cultura; una separazione che incomincia dalla scuola dell'infanzia e continua perlopiù fino alla tomba.🙄

Wed, 08/07/2024 - 16:15 Permalink

WER hindert Sie daran, in Südtirol im privaten und beruflichen Leben an der deutschen Kultur und Sprache teilzuhaben und teilzunehmen?

WO haben Sie keinen Zugang, bitte teilen Sie das umgehend mit?

WANN wurde Ihnen der Zugang zu kulturellen Veranstaltungen deutscher Sprache verwehrt (auch das bitte umgehend mitteilen)?

Wed, 08/07/2024 - 17:15 Permalink

La lingua che si è imparata (Hochdeutsch/Standarddeutsch) conta poco o niente, per la verità. Si dimentica perché non c'è nella maggior parte dei casi chi la usa con te o addirittura la sa usare (fatto comune quest'ultimo, in ogni comunità che parla dialetto a qualsiasi latitudine). Quella che conta è la lingua d'uso, il sudtirolese. Quello lo puoi imparare solo in una società non separata, di convivenza fin dalla scuola dell'infanzia! L'esclusione dalla vita politica, economica e sociale che conta è assai grave e penalizza chi non parla la lingua d'uso, il sudtirolese.
È un'altra cosa, è vero, ma per niente meno grave dell'inclusione impedita di cui all'articolo in questione.

Wed, 08/07/2024 - 17:57 Permalink

@ Liliana Turri, Mi., 07.08.2024 - 17:57:

Zitat: “ L'esclusione dalla vita politica, economica e sociale ...”:

ich bitte Sie, das meinen Sie nicht wirklich ernst???

Mit Hochdeutsch kann man jeder Diskussion folgen und an jeder Diskussion teilnehmen... und wie die Trentiner, die Bergamasker, die Sizilianer und alle anderen in diesem Staate haben auch die Südtiroler ein Anrecht auf ihre gewachsene Mundart.

In welche Zeit wünschen Sie sich zurück, möchte ich fragen?

Wed, 08/07/2024 - 18:11 Permalink

Questa storia l'ho già sentita da Lei!
Provi solo a immaginarsi che la comunità italiana parli tutta un dialetto italiano stretto come quello sudtirolese, che anche i turisti germanici - come spesso si sente dire dagli stessi - capiscono con difficoltà! Vorrei vederla io!
Concludo qui ben conscia di aver ceduto alla tentazione di risponderLe. Pur consapevole che "Un bel tacer non fu mai scritto"!

Wed, 08/07/2024 - 18:59 Permalink

Zitat: “Questa storia l'ho già sentita da Lei!”

Wie ich diese “storia” auch von Ihnen hier schon mehrfach gelesen hatte (die unter diesen Artikel gar nicht hergehört);

“Questa storia” beginnen doch Sie immer wieder - wissend, dass es überall in Deutschland und Italien wie eben auch bei uns Mundarten (Dialekte) gibt.
Und das ist gut so - in Deutschland, in Italien und - wir wollen da keine Ausnahme sein - auch in Südtirol.

.

Zitat: “Concludo qui ben conscia di aver ceduto alla tentazione di risponderLe”: joo, sic tacuisses, Signora...

Thu, 08/08/2024 - 00:14 Permalink

Themenfremder Kommentar

Liebe Frau Turri,

ich bitte Sie, nochmal darüber nachzudenken, ob Sie hier unter dem richtigen Artikel kommentieren. Im Artikel geht es um die nicht eingehaltenen Rechte (Recht auf Teilhabe, Inklusion, Bildung, Zugang zu Mobilität, Gesellschaft etc.) von Menschen mit chronischer Erkrankung, Behinderung oder Beeinträchtigung. Diese Rechte werden in Südtirol, wie in vielen anderen Ländern oder Regionen auch, nicht zugestanden: konkret den 10 Prozent der Gesellschaft, die behindert sind. Hier geht es um strukturelle Diskriminierung. Ihr Vergleich mit der italienischen Sprachgruppe ist unter diesem Artikel vollkommen unangemessen.
Er überrascht aber nicht, weil nicht-behinderte Personen seit jeher und immer (!) die Räume von Menschen mit Behinderung einnehmen.
Ihr Vergleich ist diskriminierend, dass dieser Kommentar-Thread für eine Diskussion, die völlig themenfremd ist, genutzt wird, bestätigt den Artikel.

Wed, 08/07/2024 - 20:14 Permalink

Das waren noch Zeiten, als der faschistische Unterrichtsminister Giovanni Gentile alle Minderheitensprachen in der Schule, vor allem Slowenisch und Deutsch, verboten und begonnen hat, alle weiblichen Personen (Schülerinnen und Lehrkräfte) aus den Oberschulen zu verbannen. Diese glorreichen Zeiten der Exklusion wünscht man sich zurück, wie die jüngste Ehrung des faschistischen Ministers beweist.

Wed, 08/07/2024 - 20:53 Permalink

Danke Frau Russo !
Eine Gemeinsamkeit, Ihres Beitrags zu den
( themaverfehlenden) Kommentaren :
Jeden Menschen zeichnet die Tatsache aus, dass er/sie ein soziales Wesen ist, das nach Akzeptanz strebt.
Der Wunsch nach sozialer Akzeptanz heißt auch Zugehörigkeitsgefühl.
Wer sich zugehörig fühlt, empfindet sich als gleichwertig.
(Bei fehlendem Zugehörigkeitsgefühl dominieren oft diese Gefühle:
angespannt, traurig, aggressiv, ängstlich, dumm, mutlos, allein)
Zusammenfassend: Der Wunsch nach sozialer Akzeptanz bzw. Zugehörigkeit, ist Teil der eigenen Persönlichkeit. - ein menschliches Grundbedürfnis - von Geburt an bis zum Tod.
- Gesellschaftspolitisch bedeutet dies, uns zu Fragen, wie wir als Gesellschaft in Vielfalt zusammenleben wollen.

Wed, 08/07/2024 - 23:28 Permalink