Politics | SVP

Dorfmanns Fahrgemeinschaft

Herbert Dorfmann versucht aus einem einfachen Grund ein Nein der SVP zur Meloni-Regierung zu verhindern. Er hat Angst 2024 nicht mehr den Sprung nach Brüssel zu schaffen.
Herbert Dorfmann
Foto: Ute Schweigkofler
Herbert Dorfmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund. „Wenn wir jetzt Nein sagen, dann schauen wir die nächsten 5 Jahre lang durch die Finger“, warnt er am Freitag in der Tageszeitung Dolomiten.
Dem SVP-EU-Parlamentarier wird im Tagblatt der Südtiroler breiter Raum eingeräumt, um die von SVP-Obmann Philipp Achammer ausgegebene und mehrheitlich in der SVP mitgetragene Linie - ein entschiedenes Nein zur Regierung Meloni - zu kritisieren.
Für Dorfmann hätte ein „vorschnelles Nein“ weitreichende Folgen. Herbert Dorfmann gegenüber den Dolomiten: „Aber warum lassen wir uns nicht 2 Wochen Zeit, warten erst ab, wer den Regierungsauftrag bekommen wird – auch wenn alles auf Giorgia Meloni hindeutet – schauen, wie die Ministerliste aussieht, führen erst Gespräche mit Meloni und entscheiden dann? Seit ich in der Partei bin, haben wir das immer so gemacht.
Gleichzeitig winkt der Eisacktaler SVP-Bezirksobmann aber mit dem Zaunpfahl. Er habe von der Entscheidung, die Landeshauptmann Arno Kompatscher, Parteiobmann Philipp Achammer und die 5 SVP-Parlamentarier am Mittwoch Mittag im kleinen Kreis mehrheitlich getroffen haben, aus der Zeitung erfahren. „Ich glaube, dass eine so zentrale Entscheidung wie diese unbedingt in den Parteigremien besprochen werden muss“, greift er dieses Vorgehen gegenüber Dolomiten-Redakteur Michael Eschgfäller frontal an.
 

Die Mobilmachung

 
Es ist kein Zufall, dass Herbert Dorfmann über die Dolomiten seiner Parteiführung die Rute in Fenster stellt. Bereits im Wahlkampf hat Athesia in ihren Medien Giorgia Meloni unüblich breiten Raum eingeräumt und unmittelbar nach den Parlamentswahlen hat Chefredakteur Toni Ebner in einem Kommentar eine politische Liebeserklärung in Richtung der designierten neuen Regierungschefin abgegeben.
 
 
 
Es ist die neue Geschäftspolitik eines Medienhauses, das immer wieder stolz auf den Kampf des eigenen Verlages gegen Faschismus und Nationalsozialismus verweist. Denn in den vergangenen Tagen hat sich auch Athesia-Direktor Michl Ebner bei maßgeblichen SVP-Exponenten zu Wort gemeldet, um das Nein der SVP gegen Meloni offen zu kritisieren.
Nach gesicherten Informationen von Salto.bz hat er dabei die deckungsgleichen Argumente und fast dieselben Worte gebraucht, mit denen Dorfmann in den Dolomiten zitiert wird.
Die Ebner-Brüder und Herbert Dorfmann stehen mit dieser Meinung innerhalb der SVP aber nicht alleine da. Die gesamte konservative Gruppe unterm Edelweiß, die nach Mitte-Rechts schielt und die, in der Lega und Forza Italia ihre politische Bündnispartner sehen, versucht alles, um bei der Vertrauensabstimmung wenigstens eine Enthaltung der SVP zu erreichen.
 

Tobender Durnwalder

 
Einer, der mit allen Kräften in diese Richtung rudert, ist auch Meinhard Durnwalder. Der Pusterer SVP-Senator tobt seit Tagen. Der Grund dafür ist das „Geheimtreffen“, das auch Herbert Dorfmann in den Dolomiten bewusst anspricht.
Landeshauptmann Arno Kompatscher und Senatorin Julia Unterberger trafen sich vor acht Tagen in einem Restaurant in Faedo/San Michele mit den beiden neugewählten Mitte-Links-Senatoren Luigi Spagnolli (Bozen) und Pietro Patton (Trient), um über die Bildung einer gemeinsamen Autonomiegruppe im Senat zu beraten. Während Patton mehr oder weniger bereits seinen Beitritt zugesagt hat, hat sich Luigi Spagnolli Bedenkzeit auserbeten. Er wollte noch mit seinen Unterstützerparteien PD, Grüne, Sinistra Italiana und Team K darüber beraten. Das ist inzwischen geschehen und Spagnolli hat grünes Licht erhalten. Anfang der kommenden Woche dürfte der einzige Südtiroler Nicht-SVP-Parlamentarier seine Zusage - verbunden mit einigen Forderungen - zur gemeinsamen Autonomiegruppe abgeben.
 
 
 
Meinhard Durnwalder ist menschlich zurecht erbost über seine Nichteinladung beim Mittagessen in San Michele. Politisch ist diese Entscheidung aber durchaus verständlich. Denn für SVP-Politiker wie Herbert Dorfmann oder Meinhard Durnwalder ist allein das Wort PD ein Brechmittel. Beide schimpfen seit Jahren offen und vehement gegen Mitte-Linke.
Auch deshalb tut diese Gruppe in der SVP - maßgeblich unterstützt vom Medienkoloss Athesia - alle, um das Nein zur neuen Regierung innerhalb der SVP abzumildern und die Lega wieder mit ins Boot zu holen.
Meinhard Durnwalder ist politisch eng mit Roberto Calderoli verbunden. Es ist deshalb kein Zufall, dass der scheidende Präsident der 6er-Kommission plötzlich bei Philipp Achammer vorstellig wird, um dem SVP-Obmann bei der Bildung der Autonomiefraktion mit zwei Lega-Senatoren „aus der Patsche zu helfen“.
Das Angebot ist ungefähr so, wie wenn im Mailänder Derby Inter Milan zwei Spieler leihen würde.
Das Angebot ist ungefähr so zu verstehen, wie wenn im Mailänder Derby Inter den Vorschlag machen würde, Milan zwei Spieler zu leihen.
 

Dorfmanns Problem

 
Selbstredend findet man in den Dolomiten aber kein Wort über den eigentlichen Grund für den Aufschrei von Herbert Dorfmann. Denn der Einsatz des SVP-Parlamentariers für eine Stimmenthaltung der SVP bei der Vertrauensabstimmung zur ersten Regierung Meloni ist alles andere als uneigennützig.
 
 
 
Nachdem Herbert Dorfmann 2009 und 2014 zweimal über eine Listenverbindung SVP-PD ins EU-Parlament eingezogen ist, dockte der Eisacktaler Bauernpolitiker bei den EU-Wahlen 2019 bei der politischen Kraft an, die ihm ideologisch weit nähersteht: Forza Italia.
Herbert Dorfmann reiste bei den letzten EU-Wahlen auf dem Forza-Italia-Ticket nach Brüssel und Straßburg. Zudem hat Dorfmann seit langem eine persönliches und politisches Nahverhältnis zum EU-Parlamentarier, Vizepräsident der Europäischen Volkspartei und nationalen Koordinator von Forza Italia Antonio Tajani. Ausgerechnet Tajani steht jetzt aber in der Pole Position für das Außenministerium in der Regierung Meloni.
2024 finden die nächsten EU-Wahlen statt. Herbert Dorfmann will wiedergewählt werden. Der Eisacktaler Agronom und die SVP brauchen aber eine nationale Partei, um einen eigenen Vertreter nach Brüssel zu schicken. Klar ist, dass Mitte-Links einen Herbert Dorfmann auf keinen Fall mitnehmen wird. Dazu hat der EU-Parlamentarier allzu deutlich Stellung gegen den PD genommen.
Für Dorfmann bleibt demnach nur mehr Forza Italia und die Lega.
Deshalb wird der EU-Parlamentarier alles tun, damit die SVP nicht gegen die Regierung Meloni stimmt.
Denn nur so lebt seine Chance für eine Wiederwahl 2024.
Bild
Profile picture for user alfred frei
alfred frei Fri, 10/07/2022 - 14:50

Böse Zungen behaupten dass die SVP anläßlich der nächsten Landtagswahlen das Edelweiß mit einem Doppeladler als Symbol eines dualen Prinzips Links und Rechts ersetzen will: "Freunde der Partei" : was soll's ?

Fri, 10/07/2022 - 14:50 Permalink
Bild
Profile picture for user G. P.
G. P. Sat, 10/08/2022 - 16:37

In den heutigen "Dolomiten" auf Seite 1 die nächste plumpe Anbiederung von Ebner an Meloni und ihre Fratelli. Zum Fremdschämen!

Sat, 10/08/2022 - 16:37 Permalink
Bild
Profile picture for user Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Sun, 10/09/2022 - 14:59

Die Verteidigung des Faschismus scheint in Südtirol gesellschaftsfähig geworden zu sein. Die Ebners verteidigen, hauptsächlich aus ökonomischen Interessen, die Meloni, von der man sich eine Gegenleistung erwartet, der Dorfmann setzt sich gemeinsam mit seinen Freunden Tajani und Weber für die extreme Rechte ein, weil es um seine einträgliche politische Zukunft geht, der Durnwalder Meini und die Gebhard wollen da nicht zurückstehen, auch wenn es eigentlich niemanden interessiert was die beiden vollkommen unbedeutenden Personen so von sich geben. Aber irgendwelche Vorteile werden auch sie sich erhoffen bzw. in Aussicht gestellt bekommen haben. Derartige Politiker machen zwar vieles vergeblich, aber nichts umsonst.

Sun, 10/09/2022 - 14:59 Permalink
Bild
Profile picture for user △rtim post
△rtim post Sun, 10/09/2022 - 16:47

Auch Dorfmann, Ebners ... sollten die Gründungssgeschichte der SVP aus dem Widerstand heraus nie vergessen. Ebenso nicht, dass die Brüder Italiens der SVP längst schon den Krieg erklärt haben, indem sie der SVP ganz offen das Existenzrecht absprechen. Dieses heißt Legimition, die sie seit 1945 als einzig anerkannte Vertretung der Minderheitenbevölkerung durch die amerikanischen Militärverwaltung für Italien und als älteste demokratische Partei im italienischen Parlament seit 1948 hat. Wie könnte/sollte sie derzeit überhaupt nur in Betracht ziehen, eine Meloni-Regierung ohne Garantieerklärung zu tollerieren?
Die Südtiroler Volkspartei und andere sollten Mattarella wohl vielmehr auf das Beispiel seines Amtskollegen Klestil seinerzeit in Österreich ansprechen.
Es gilt sich nicht täuschen zu lassen. Die Maskeraden der Meloni und des „piccolo fascista di provincia“ sind bekannt. Zumindest sollten es sein. Ihre Ausagen zu Zwangsaustreibung für Südtiroler-innen auch. Nicht mal für eine Entschuldigung hat es bislang gereicht. Auch nicht für die Zwangs- und Terrorherrschaft, kulturellen Genozid in der Vergangenheit.
Ich hielte es für ein Debakel, würde sich das Südtirol zum Standard des Meloni-Faschismus herablassen. Die demokratische Welt braucht musterhafte Ausnahme von Übeln.

Sun, 10/09/2022 - 16:47 Permalink