Society | Spielzeiten

Recht auf Spiel und Freizeit

Spielen als Kinderrecht, die Sorge um die Zukunft der Ferienprogramme und der Nutzen von Spielplätzen für die persönliche Entfaltung, denn: „Fallen lernt man nur durch Fallen“.
Spielplatz
Foto: privat
  • Spielzeiten

    Spielzeiten ist der Name unserer kleinen Reihe, die das Spielen von Kindern in den Mittelpunkt stellt.

  • Seit über 50 Jahren setzt sich der „Verein für Kinderspielplätze und Erholung“ (VKE), in Südtirol für das Recht von Kindern auf Spiel und Freizeit ein. Was 1974 als kleine Elterninitiative begann, ist heute eine Organisation mit 3.500 Mitgliedsfamilien, rund 30 festangestellten Mitarbeitenden und über 350 weiteren Personen, die in Projekten mitarbeiten. Zum Angebot gehören Spielplätze, Spielhäuser, Jugendzentren, Ferienprogramme, mobile Spielbusse und noch vieles mehr. Trotz aller Erfolge steht der Verein vor großen Herausforderungen und Sorgen.

     

    „Unser Ziel war und ist es, Kindern Raum für Spiel und Begegnung zu geben.

     

    „Unser Ziel war und ist es, Kindern Raum für Spiel und Begegnung zu geben“, sagt Angelika Stuefer, die seit fünf Jahren Geschäftsführerin des VKE ist. Dieses Ziel zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Vereins. Schon der erste große Erfolg, der Spielplatz im Herzogpark in Bozen-Gries, wurde gemeinsam mit der Stadt umgesetzt und existiert bis heute. In den 1980er-Jahren erkämpfte der VKE den ersten Radeweg in Südtirol, ein Projekt, das damals politisch umstritten war, inzwischen aber unverzichtbar geworden ist. Es gehört zum Credo des VKE, dass Spielräume für Kinder nicht nur sicher, sondern auch herausfordernd sein müssen.

  • Informationen zum ersten Radweg in Südtirol:

    Bereits ab dem Jahr 1983 begann der Einsatz des VKE für Radwege und nachhaltige Fortbewegungsmittel. Leider wurde die Bedeutung der Idee von der Politik damals nicht erkannt und so dauerte es fast 10 Jahre bis erste Erfolge sichtbar wurden. Die Landesregierung verabschiedete im Jahr 1992 ein Konzept für ein übergemeindliches Radwegenetz. Im Jahr 1997 wurde der erste Abschnitt eines Radweges von Salurn nach Neumarkt begonnen: eine VKE-Utopie wurde somit endlich Wirklichkeit!

  • Spielräume brauchen Mut

    Das Thema Spielplätze ist auch heute noch aktuell. Stuefer betont, dass Spielplätze weit mehr sind als einfache Spielflächen. Sie sind Treffpunkte, soziale Räume und Orte der kindlichen Entwicklung. Während in kleineren Gemeinden oft mehr Möglichkeit für kreative Spielplätze bestehen, fehle es in städtischen Gebieten wie Bozen oft an mutigeren Konzepten. Standardisierte Geräte, die vor allem Sicherheitsanforderungen erfüllen, reichten nicht aus. 

     

    „Wir sprechen gerne von einem kalkulierbaren Risiko. Fallen lernt man aber nur durch Fallen.“

  • Angelika Stuefer: ist seit fünf Jahren Geschäftsführerin des VKE. Foto: privat

    Der VKE plädiert für kreativere Spielräume, die Kindern nicht nur Sicherheit, sondern auch Herausforderungen bieten. „Wir sprechen gerne von einem kalkulierbaren Risiko. Fallen lernt man nur durch Fallen“, betont Stuefer. Kinder müssten die Möglichkeit haben, Neues auszuprobieren, Risiken einzugehen und ihre Fähigkeiten zu testen.

    Ein großer Wunsch des Vereins sei ein Abenteuer- und Bauspielplatz, wie er in anderen Ländern existiere: ein Gelände, auf dem Kinder mit Holz und Werkzeug frei bauen dürfen. 

    „Ein Problem in Bozen ist, dass wir noch kein geeignetes Grundstück gefunden haben. Wir freuen uns über jeden Hinweis zu verfügbarem Raum“. Solche Spielräume seien essenziell, um Kindern vielfältige Entwicklungsräume zu bieten und Spiel und Kreativität jenseits standardisierter Geräte zu ermöglichen.

    Auch die Idee, Spielplätze als generationenübergreifende Treffpunkte zu gestalten, gewinnt an Bedeutung. Sitzgelegenheiten für Eltern, Bewegungsgeräte für ältere Menschen und Räume für Jugendliche könnten Spielplätze zu Orten für alle machen.

  • Spielplatz in St. Vigil: Abenteuer- und Bauspielplätze seien essenziell, um Kindern vielfältige Entwicklungsräume zu bieten. Foto: privat
  • Treffpunkte in Stadt und Land

    Heute betreibt der VKE neben der der Spielplatzgestaltung fünf Spielhäuser in Bozen, Meran, Brixen und St. Ulrich. Sie bieten offene Räume, in denen Kinder nachmittags spielen, basteln oder an Workshops teilnehmen können, während Eltern und Großeltern miteinander ins Gespräch kommen. „Die Spielhäuser sind weit mehr als nur Orte zum Spielen, sie sind Treffpunkte für Familien mit ganz unterschiedlichen Hintergründen“, erklärt Stuefer.

    Für Jugendliche gibt es seit 20 Jahren ein Jugendzentrum im Bozner Mignone-Park. Offene Türen, kostenloser Zugang und eine bunte Mischung an Besuchern prägen den Alltag. Betreut wird das Zentrum von Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeitern sowie Freiwilligen aus dem Europäischen Solidaritätskorps und dem Zivildienst.

    Besonders beliebt sind vor allem die Spielbusse, die seit über 45 Jahren Sportgeräte und die berühmte Rollenrutsche direkt zu den Kindern bringen. Erst kürzlich organisierte der VKE ein internationales Spielbus-Festival, bei dem über 20 Busse aus Italien und Deutschland in Bozen Station machten.

    Zwei Waldkindergärten in Naturns und im Passeiertal zeigen zudem, wie Lernen und Spielen im Freien aussehen kann. Dort sind Natur und Wald selbst die Spielräume, die Kindern Freiheit und Selbstvertrauen geben.

  • Ferienbetreuung für 8.000 Kinder in Gefahr?

    Ein weiterer Schwerpunkt des VKE ist die Ferienbetreuung. Jeden Sommer nehmen rund 8.000 Kinder an den Programmen teil, eine Zahl, die die enorme Nachfrage deutlich macht. Besonders beliebt sei die Kinderstadt „MiniBZ“ in der Kinder ihre eigene Stadt mit Währung, Stadtrat und Werkstätten aufbauen. „Es geht auch darum, dass die Kinder ihre eigene Wirksamkeit spüren“, so Stuefer.

     

     „Je standardisierter etwas ist, umso weniger pädagogische Vielfalt kann zugelassen werden.“

     

    Doch gerade hier gibt es Unsicherheit: Die öffentliche Finanzierung der Ferienangebote soll künftig neu geregelt werden. Standardisierte Modelle, wie sie derzeit diskutiert werden, könnten die Vielfalt der Projekte gefährden. „Je standardisierter etwas ist, umso weniger pädagogische Vielfalt kann zugelassen werden“, warnt Stuefer. Gerade besondere Angebote wie die Kinderstadt oder Waldwochen könnten unter Druck geraten. 

    Wichtig sei, dass die Programme weiterhin für alle Familien leistbar bleiben und nicht nur für wenige. Eine mögliche Kürzung der Fördermittel durch die Provinz könnte die Vielfalt dieser Programme bedrohen.

  • Spielhaus im Mignonepark in Bozen: Foto: privat
  • Zwischen Stolz und Sorgen

    50 Jahre nach seiner Gründung bleibt der VKE ein wichtiger Akteur für Kinderrechte in Südtirol. Mit seinen Angeboten erreicht er jährlich tausende Kinder, Jugendliche und Familien. Spielplätze, Spielhäuser, Jugendzentren, Ferienprogramme und Waldkindergärten bieten Kindern Räume für Begegnung, Kreativität und Entwicklung. 

     

    „Das Recht auf Spiel und Freizeit ist in der UN-Kinderrechtskonvention verankert.“

     

    Gleichzeitig steht der Verein vor Herausforderungen. Finanzierung, politische Unterstützung und der Mut zu neuen, kreativen Spielräumen müssen gesichert werden.

    „Das Recht auf Spiel und Freizeit ist in der UN-Kinderrechtskonvention verankert“, erinnert Stuefer. Für den VKE ist es sowohl Verpflichtung als auch Auftrag, diese Rechte zu verteidigen und ein Thema, das auch in den kommenden Jahrzehnten nicht an Aktualität verlieren wird; denn die Vereinbarkeit von Natur, Spiel und Gesellschaft bleibt aktuell.