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Der 400-Millionen-Deal

Ein Mehrwert von mindestens 50 Millionen Euro im Jahr für Südtirol, ein wichtiger Schritt für die Autonomie: Details zur vollständigen Heimholung von elf ENEL-Werken.

Update: Bekanntgeworden ist Arno Kompatschers Coup bereits am frühen Morgen – am Vormittag wurden im Kraftwerk Kardaun die Details zur Übernahme der Enel-Anteile an der SEL-Tochter SE-Hydropower bekannt gegeben. Ein Deal im Umfang von 400 Millionen Euro, den Landeshauptmann Arno Kompatscher und Energielandesrat Richard Theiner als historischen Schritt und wichtige Basis für Südtirols Autonomie sowie die Entwicklung zur Green Region bezeichneten. Noch bis in die frühen Morgenstunden des Freitags hatten die Enel- und SEL-Verhandler an den letzten Details der Operation gefeilt. Herzstück davon: die Übernahme der 40-prozentigen Enel-Anteile an den elf Großwasserkraftwerken und sieben Kleinkraftwerken der SE Hydropower. Damit sind zehn historische Enel-Konzessionen – in Ulten laufen zwei Kraftwerke unter einer Konzession – erstmals zu 100 Prozent im Besitz der SEL und damit vollständig in Südtiroler Hand. Eine Errungenschaft, die sich die Landesenergiegesellschaft 345 Millionen Euro kosten lässt.

Die restlichen 55 Millionen Euro werden für die Übernahme der Drittel-Quote von Enel beim Kraftwerk St. Florian reserviert. Dessen Eigentümergesellschaft SF Energy gehört seit 2011 zu je einem Drittel SEL, Enel und der Trentiner Dolomiti Energia. Noch ist nicht klar, ob die Trentiner ihre Option auf die Hälfte des Enel-Drittels ausüben; wenn nicht, übernimmt es die SEL vollständig. Weitere Gegenstände des Vertrags: die Übernahme verschiedener Dienstleistungen, die Enel noch bis Ende 2015 gegen Bezahlung für die SEL erbringt, sowie, noch weit wichtiger, das Energy Management der SE Hydropower. Laut den bisherigen Verträgen hätte die ENEL noch bis 2040 bestimmen sollen, wann in den Kraftwerken der SE Hydropower jeweils die Turbinen eingeschaltet werden; ab 2017 hat hier nun die SEL zumindest bei rund 55 Prozent der Anlagen das letzte Wort. Mit Ende 2025 geht das Management der Produktion vollständig an die Südtiroler über. Ausgebaut wird klarerweise auch der Tradingbereich der Landesenergiegesellschaft: Denn bislang vermarktet Enel die Produktion der SE-Hydropower - nur die Erträge wurden im Anteil von 40:60 zwischen Enel und SEL aufgeteilt.

Südamerika statt Südtirol

Wie der Italien-Direktor von Enel Carlo Tamburi bei der Presskonferenz deutlich machte, hat die Landesregierung einen günstigen Zeitpunkt genutzt. Seit dem Frühjahr hat der Energiekonzern ein neues Management und einen neuen Strategieplan. Und laut Tamburis Ausführung schielt man darin mit ehrgeizigen Plänen von Südamerika bis Afrika weit mehr auf die große Welt als auf das kleine Südtirol. „So wichtig manche Minderheitenbeteiligungen auch sein mögen, legen wir unsere Augenmerk nun primär auf solche Wachstumsbereiche“, sagte der Enel-Direktor. Entsprechend willkommen sind dafür neben den Einnahmen aus dem Verkauf von anderem Tafelsilber auch die 400 Millionen Euro aus Südtirol.

Eine gewaltige Summe, die die SEL über einen Kredit eines Bankenpools aus Banca IMI/Intesa, Mediobanca und Barclays Corporate Banking stemmt. Für die ersten beiden Jahre übernimmt das Land dafür eine Bürgschaft, für die ihm die SEL jährlich 960.000 Euro zahlt. Ein Detail, das direkt mit dem Rechtsstreit um die SEL-Konzessionen in Zusammenhang steht. Bis dahin hofft man wieder vollständige Rechtssicherheit zu haben; die aktuelle Lage war offenbar auch den Banken zu heiß.

Insgesamt hat der Kredit derzeit nur eine kurze Laufzeit von fünf Jahren. An deren Ende soll dann neu verhandelt werden – auch angesichts der frischen Einnahmen, auf die die SEL bis dahin hofft. Denn 2017 hat die Landesenergiegesellschaft ein Ausstiegsrecht für ihren 7-prozentigen Anteil am nationalen Stromriesen Edipower, in den sie Anfang 2012 ihr Delmi-Beteiligung eingebracht hatte. Künftig soll hier zumindest ein Teil von dem Geld zurückgeholt werden, das sie nun ausgeben muss.

Und die Etschwerke?

Dass sich die gewaltigen Investitionen zumindest für das Land Südtirol rechnen, steht  für Energielandesrat Richard Theiner außer Zweifel: Rund eine Millionen zusätzliche Megawattstunden an Strom bringen laut ihm zwischen Gewinnen und Steuern ein Plus von 50 Millionen Euro pro Jahr. Welchen Mehrwert der Landesgesellschaft die Übernahme der Enel-Anteile für die geplante Fusion mit den Etschwerken bringt, wird sich definitiv in den kommenden Wochen zeigen. Laut SEL-Präsident Wolfram Sparber wird sich beim Feilschen um die Anteile an der gemeinsamen neuen Gesellschaft nur ein leichter Mehrwert ergeben. „Es würde aber für die gesamte neue Gesellschaft einen riesigen Mehrwert darstellen, wenn die Führung und das Management der Kraftwerke vollständig in eigener Hand liegt“, sagt er.

Und was passiert, wenn die Rettung der manipulierten SEL-Konzessionen über die Fusion mit den Etschwerken doch nicht gelingt? Dafür gibt es in den Verträgen eine Sicherheitsklausel, erklärt Landeshauptmann Arno Kompatscher. Eine große Gefahr scheint er diesbezüglich aber nicht zu sehen: „Ich habe keinen Zweifel, dass auch die Etschwerke großes Interesse haben, diese Angelegenheit zu Ende zu führen."  

 

 

Ob der "Coup" wirtschaftlich Sinn macht, wird sich in Zukunft zeigen. Zwei Anmerkungen seien aber erlaubt, da die große Euphorie völlig übertrieben ist und sich nur aus der Angst der Landesregierung (nicht Südtirols!) vor den Folgen des Schwindels erklären lässt. Die "Green Region" ist nur bedingt "grün". Einige Stauseen im Ultental werden nämlich mit Atomstrom aus Frankreich nachts wieder aufgefült. Der Fall zeigt, dass man ethisches und juridisches Unrecht mit (unserem) Geld weg bügeln kann. Somit wird Unrecht nicht beseitigt sondern bestätigt und verfestigt.

Fri, 11/07/2014 - 14:46 Permalink

Die Möglichkeit der 100%-"Heimholung" dieser Kraftwerke hat sich wohl im Zuge der Verschlankungskur des Energieriesen ergeben, sie bringt aber auch das Risiko bei Verlust der Konzessionen allein im Regen zu stehen. Aber hätte die SEL dank genialer Rainer-Klauseln der Enel nicht sowieso den durch die Konzessionsverluste entstandenen Schaden ersetzen müssen? Stichwort Knebelverträge. Wenn das Kalkül aufgeht und Kompatscher dank Etschwerke-Deal schon so was wie ein Vorgefühl zu den Gerichtsentscheidungen haben sollte, könnte sein Plan vom heimischen Energiekoloss aufgehen...

Fri, 11/07/2014 - 16:10 Permalink