Economy | Landwirtschaft

Global oder lokal?

Auf welchem Markt liegt die Zukunft der Landwirtschaft: auf dem lokalen oder dem globalen?
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: unibz

Dieser Frage ist eine von der Freien Universität Bozen und der Trentiner Mach-Stiftung organisierte Fachtagung der Italienischen Gesellschaft der Agrarökonomen (Sidea) nachgegangen. So einfach die Frage klingt, so komplex ist die Antwort, fällt diese doch von Produkt zu Produkt, von Region zu Region unterschiedlich aus. Das ersieht man bereits an Südtirols Topprodukten, also Milch, Äpfeln und Wein.

Weltweit genügend Lebensmittel in der jeweiligen Region bereitstellen zu können, wäre in Sachen Nachhaltigkeit ein Traum – und wird es wohl auf absehbare Zeit auch bleiben. „Die einhellige Meinung auf unserer Tagung war, dass wir globale Märkte brauchen, um die wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgen zu können“, sagt Günter Schamel, Professor an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Uni Bozen und einer der Organisatoren der wissenschaftlichen Fachtagung. Er liefert auch gleich einen Grund für diese Aussage: „Gerade dort, wo die Bevölkerung am meisten wächst, ist es schwer, nachhaltig und in ausreichendem Maße Lebensmittel zu produzieren.“

Konsumenten entscheiden mit

So sehr man sich allerdings einig darüber ist, dass landwirtschaftliche Produkte weltweit gehandelt werden müssen, so wenig Einigkeit gibt es über die aus dieser Erkenntnis abzuleitende Handelspolitik. So plädieren die einen für eine weitgehende Liberalisierung und eine Selbstregulierung durch den Markt, während andere privilegierte Zugänge zu den Weltmärkten für Agrarprodukte aus Entwicklungsländern fordern. „Für sie ist der Export eine Quelle der wirtschaftlichen Entwicklung“, betont Schamel, der für einen „fairen“ Zugang plädiert und dafür, dass kleinere Anbieter nicht durch Marktmacht ausgegrenzt würden. Diese Diskussion ist übrigens alles andere als eine rein akademische, auch weit mehr als nur eine agrarökonomische. „Es ist eine geopolitische“, sagt der Professor, der lapidar formuliert: „Kaufen wir nicht Produkte aus der Dritten Welt, kommen die Leute…“

Das Stichwort „Kaufen wir“ ist übrigens auch ein guter Aufhänger, um die Konsumenten in die Pflicht zu nehmen, denn derzeit bestreiten diese nur einen sehr kleinen Teil ihrer Ernährung mit Produkten aus der Region. Das ist übrigens in Europa nicht anders als in den USA. „Die Fachwelt ist hier der Meinung, dass man für die Konsumenten echte Wahlmöglichkeiten zwischen regionalen Produkten und anderen schaffen muss, etwa auch indem man sicherstellt, dass drinnen ist, was drauf steht“, so Schamel. „Dafür soll die Politik sorgen, anstatt durch Handelsschranken den Verkauf lokaler Produkte zu fördern.“

Globale Äpfel, globaler Wein

Dass es letztendlich aber keine einfache Antwort auf die Frage gibt, ob nun der lokale oder der globale Markt die Zukunft der Landwirtschaft sei, zeigt sich bereits, wenn man mit Professor Günter Schamel die Absatzchancen der heimischen Agrar-Topprodukte Äpfel, Wein und Milch näher unter die Lupe nimmt. Der Apfelabsatz zum Beispiel könne nur global gedacht werden: „Wir könnten schließlich nie so viele Äpfel essen, wie wir produzieren“, lacht Schamel. Die Frage, die sich hier stelle, sei vielmehr, ob man den Anbau von Äpfeln in Südtirol noch ewig sinnvoll ausweiten und für steigende Mengen auch immer ein Markt gefunden werden könne. Langfristige Prognosen seien schwierig, seien diese mit Mitteln der Agrarmarktanalyse allein doch nicht zu stellen. „Hier spielen immer auch geopolitische Fragen hinein“, so der Professor, der etwa auf das Russland-Embargo verweist. „Solche Entwicklungen zwingen die Produzenten, immer neue Märkte zu erschließen, um Ausfälle zu kompensieren“, erklärt Schamel.

Auch der Südtiroler Wein sei lange schon über einen lokalen Markt hinausgewachsen – mit positiven Nebeneffekten, übrigens: „Der Export von Südtiroler Wein hat einen spill-over-Effekt, das gute Image des Weins überträgt sich auch auf das Land“, so der Professor. Auch für den Weinabsatz gebe es allerdings immer größere Hürden. Eine davon sei die zunehmende Konzentration. „Auf der Seite des Einzelhandels ist die lange schon Realität“, erklärt Schamel, „aber auch im verarbeitenden Bereich schreitet sie voran“. Wenige große Produzenten beherrschten demnach den amerikanischen Markt und auch in deutschen Supermärkten seien immer mehr Standardweine zu haben.

Die Situation in einem Weinland wie Südtirol ist eine andere, hier sind auch lokale Weine noch in den Supermarktregalen zu finden. Allerdings sei der Trend hin zu einer Konzentration auch bei den Kellereien spürbar, von denen es heute nur mehr 13 gebe, so der Professor: „Eine Konzentration war hier sicher sinnvoll, die Frage ist nur: wo ist die Grenze? Ab wann geht die Identifikation mit dem Produkt verloren?“ Letztere Frage gilt übrigens nicht nur für den heimischen Konsumenten, sondern auch für den Produzenten.

Ausnahme Milch

Die Konzentration sei auch im Milchbereich spürbar: bei gleichbleibender Menge gebe es immer weniger Produzenten. Politik und Wirtschaft steuerten dieser Entwicklung auf verschiedenen Fronten entgegen: mit Strukturmaßnahmen, verstärktem Marketing oder qualitativ hochstehenden Produkten. Vor allem letztere beide scheinen zu wirken, ist die Südtiroler Milch doch eine agrarmarktökonomische Ausnahme. „Das ist ein Markt, auf dem die Konzentration auf den regionalen Markt funktioniert“, so Schamel, der den Gründen für dieses Phänomen auch wissenschaftlich zu Leibe rücken möchte. Fakt sei, dass die Südtiroler Konsumenten bereit seien, für Südtiroler Milch und Milchprodukte mehr zu bezahlen.

Die Milch kann demnach eine Ausnahme sein. „Für viele andere Produkte und Regionen ist der lokale Markt keine Option“, so Professor Günter Schamels Fazit. Es sei denn, die Menge überschreitet die Aufnahmefähigkeit des Marktes nicht. Und es sei denn, der Konsument ist bereit, für regionale Produkte mehr zu bezahlen. Wie gesagt: Die Antwort auf die Frage, ob global oder lokal, ist nie einfach…

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Christian Mair Thu, 11/10/2016 - 10:02

Spill-over-Effekt oder verpasste Chance?

Von einem aus dem universitären Bereich stammender Information würde man sich wesentlich mehr Belege der Daten erwarten, Vergleiche mit anderen Produktionsstandorten, Absatz von Bio-und regionalen Produkten etc. Eine einfache Internetrecherche und siehe da: http://www.marktmeinungmensch.de/studien/lebensmittelhandel-nachfrage-n…

Herr Professor Schamels: Werden Sie bezahlt eine Aussage zu treffen oder keine Aussage zu machen?

Die Landwirtschaft in Trentino-Südtirol unterliegt nicht den Gesetzen des Marktes ist Sie doch weitgehend subventioniert, wie in ganz Europa. Somit ist es eine politische Entscheidung, welche Märkte bespielt werden. Eine Produktion für lokale Märkte kann Diversität der Produkte, Kundenbindung, Kundenvertrauen etc. steigern sowie regionales Verkehrsaufkommen begrenzen, Arbeitsplätze in der Verarbeitung schaffen und ein Qualitätssiegel und Markenzeichen des Tourismus sein. Die Antwort ist einfach.

Thu, 11/10/2016 - 10:02 Permalink