Politics | US-Wahlen

„Trumps Macht ist gebrochen“

Der langjährige USA-Korrespondent des ORF, Franz Kössler, über den Ausgang der Midterms, die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft und die Zukunft von Donald Trump.
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Foto: upi
Salto.bz: Herr Kössler, die amerikanischen Midterms sind geschlagen. Der Ausgang ist aber alles andere als klar. Die Interpretation der Kommentatoren schwankt zwischen einem Denkzettel für Trump und einer Bestätigung für den US-Präsidenten. Wie sehen Sie es?
 
Franz Kössler: Der Ausgang dieser Wahlen zeigt vor allem, wie gespalten die amerikanische Gesellschaft ist. Auf der einen Seite haben die Demokraten nach zehn Jahren die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückerobert. Das ist für sie ein großer Sieg. Auf der anderen Seite haben die Republikaner im Senat ihre Mehrheit ausbauen können. Wobei man sagen muss, dass die Republikaner im Senat bei diesen Wahlen im Vorteil waren.
 

Weil Trump im Senat bereits eine hauchdünne Mehrheit hatte?
 
Nein. Im Senat werden bei den Midterm Elections immer ein Drittel der Sitze neu gewählt. Diesmal waren es vor allem Sitze der Demokraten, die zur Wahl standen. Demnach mussten dort die Demokraten nicht nur ihre Sitze verteidigen, sondern sie hätten für einen Sieg auch noch dazugewinnen müssen. Das ist ihnen nicht gelungen, sondern Trump hat sogar noch Sitze im Senat dazubekommen. Alles in allem ist es also ein sehr gespaltenes Wahlergebnis.
Trump kennt das Konzept der Niederlage nicht. Das kann er nie zugeben, das widerspricht seiner Eitelkeit und seiner Selbstverliebtheit. Demnach ist klar, dass er nur das herausnimmt, wo er gewonnen hat.
Kann man es als Bestätigung der Trump-Politik sehen?
 
Nein. Bestätigt hat sich, dass es in den USA eine zweigeteilte Gesellschaft gibt. Es gibt eine Schicht, die urban und global denkt und die demokratisch gewählt hat. Für diese Schicht war es eindeutig eine Protestwahl gegen Donald Trump. Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine starke Wählerschaft des Präsidenten, die seine Politik unterstützt und voll mitträgt.
 
Welche Kammer ist im amerikanischen Kongress wichtiger: Das Repräsentantenhaus oder der Senat?
 
Das kann man schwer sagen. Die beiden Kammern haben unterschiedliche Kompetenzen. Der Senat ist zum Beispiel bei der Ernennung der Richter sehr wichtig. Trump hat bereits zwei Höchstrichter ernannt, die in sein konservatives, reaktionäres Weltbild passen, die ganz eindeutig auf seiner Seite sind und die auf Jahrzehnte hinaus die Entwicklung in Amerika mitbestimmen werden. Dass Trump jetzt dort noch freier entscheiden kann, ist für die Demokraten ganz klar eine herbe Niederlage. Auch in der internationalen Politik hat der Senat weit mehr Gewicht als des Repräsentantenhaus.
 
Das Repräsentantenhaus ist dafür innenpolitisch wichtiger?
 
Ohne eine Mehrheit im Repräsentantenhaus kann Trump keine Gesetze machen. Er muss jetzt schauen, wie er für seine Vorschläge eine Mehrheit bekommt. Was dazu kommt: Das Repräsentantenhaus hat die Möglichkeit, durch seine Ausschüsse Untersuchungen rund um den finanziellen Hintergrund von Donald Trump einzuleiten. Und dort ist einiges faul. So hat Trump sich als erster Präsident in der amerikanischen Geschichte geweigert, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen zu legen. Das Repräsentantenhaus kann ihn jetzt dazu zwingen, seine Steuererklärung zu veröffentlichen. Ich gehe davon aus, dass noch einige unangenehme Dinge für Trump dabei herauskommen werden. Man muss sich deshalb darauf einstellen, dass dieser Machtkampf, den es bisher gegeben hat, in der Zukunft noch viel härter werden wird.
 
Allgemein war man vor diesen Wahlen davon ausgegangen, dass Trump abgewatscht wird. Davon ist nicht viel geblieben?
 
Von vornherein war klar, dass es für die Demokraten durch dieses Wahlsystem ganz schwer werden wird, im Senat die Mehrheit zu bekommen. Ich finde aber, dass der Erfolg der Demokraten im Repräsentantenhaus für Trump eine Ohrfeige ist. Er ist ein klares Zeichen, dass sehr viele Menschen mit dieser Politik der Hetze, des unterschwelligen und manchmal auch sehr offenen Rassismus nicht einverstanden sind. Sicher ist: Trump wird jetzt mehr Schwierigkeiten haben. Man darf ja nicht vergessen, er hatte zwei Jahre lang in beiden Häusern des Kongresses eine klare Mehrheit. Das hat ihm eine ungeheure Macht verliehen. Diese Macht ist jetzt gebrochen. Trump wird Kompromisse machen müssen und er wird viele Dinge nicht mehr durchbringen.
Ich finde, dass der Erfolg der Demokraten im Repräsentantenhaus für Trump eine Ohrfeige ist. Er ist ein klares Zeichen, dass sehr viele Menschen mit dieser Politik der Hetze, des unterschwelligen und manchmal auch sehr offenen Rassismus nicht einverstanden sind.
Eines der Hauptthemen im Wahlkampf war die Einwanderung. Glauben Sie, es kommt hier zu einer Kursänderung?
 

Auch hier wird das neue politische Gleichgewicht zum Tragen kommen. Nehmen wir Trumps berühmte Mauer an der Grenze zu Mexiko. Das war einer seiner Wahlkampfschlager. Dieses Vorhaben kann er ohne die Zustimmung des Repräsentantenhauses vergessen. Dort wird Trump jetzt große Schwierigkeiten haben.
 
Donald Trump verkauft bereits jetzt diese Wahl als großen Sieg und sich selbst als „Magic Man“. Alles andere seien Fake News.
 
Das war nicht anders zu erwarten. Trump kennt das Konzept der Niederlage nicht. Das kann er nie zugeben, das widerspricht seiner Eitelkeit und seiner Selbstverliebtheit. Demnach ist klar, dass er nur das herausnimmt, wo er gewonnen hat. Und er hat im Senat gewonnen. Ganz eindeutig. Diese Wahl ist kein eindeutiger Sieg der Opposition. Die Niederlage im Repräsentantenhaus wird Trump zwar öffentlich nicht anerkennen, doch er wird damit umgehen müssen.
Ich fürchte, dass Trump jetzt versuchen wird, diese Polarisierung noch einmal zu verschärfen.
Im Schatten der Kongresswahlen fanden in den meisten Bundesstaaten aber auch die Wahlen zum Gouverneur statt. Wie schaut es dort aus?
 

Bei diesen Wahlen wurden 36 Gouverneure neu gewählt. Das wird in der allgemeinen Berichterstattung oft vergessen. Dabei werden die Gouverneure in den kommenden Jahren ganz entscheidend sein. 2020 findet in den USA die zehnjährige Volkszählung statt. Aufgrund dieser Volkszählung werden die Wahlbezirke neu geordnet. Dabei hat der Gouverneur große Möglichkeiten, die Wahlkreise so zu ziehen, dass seine Partei bevorzugt wird. Die Republikaner haben genau das gemacht und damit ermöglicht, dass Trump - obwohl er 3 Millionen Stimmen weniger hatte - die Mehrheit bei den Wahlmännern bekam und damit zum Präsidenten wurde. Diese Stimmen sind derzeit noch nicht ganz ausgewählt. Aber es zeichnet sich hier ein Sieg der Demokraten ab. Demnach haben sie jetzt die Möglichkeit, diese legale Wahlfälschung wieder geradezurücken.
 
Das Ergebnis dieser Wahlen: eine weitere politische Polarisierung und Spaltung der amerikanischen Gesellschaft?
 
Ja. Es hat sich genau das bestätigt, was bereits die Trump-Wahl gezeigt hat. Amerika ist in zwei Lager gespalten. In eine urbane Wählerschaft, die global und aufgeschlossen denkt. Und eine eher rurale Wählerschaft, die mehr ansprechbar ist für Nationalismus und Rassismus. Ich fürchte, dass Trump jetzt versuchen wird, diese Polarisierung noch einmal zu verschärfen. Er wird versuchen, seine Linie weiterhin durchzusetzen und überall dort, wo er nicht durchkommt, sagen: Das sind die unamerikanischen Blockierer und Verräter. Er wird die Polarisierung bewusst vorantreiben, um in zwei Jahren als US-Präsident wiederbestätigt zu werden.