Society | Hausärzte

Auf den Barrikaden

Zwei Tage streiken die Hausärzte kommende Woche. "Wir sehen keine andere Möglichkeit mehr, um uns Gehör zu verschaffen." Kritik auch an EDV-Reform in der Sanität.

Nun scheinen die Hausärzte tatsächlich Ernst zu machen. Bereits mehrmals haben sie heuer mit Streik gedroht, immer wieder schaffte man es, ihn abzuwenden. Zuletzt vor zwei Monaten. Doch die Unzufriedenheit und Skepsis der Hausärzte war mit den im Oktober wieder aufgenommenen Verhandlungen in Sachen Gehaltsnachzahlungen und Fördergelder nicht vom Tisch. “Wir werden nun von Woche zu Woche sehen, ob und wie die Verhandlungen weitergehen und sind nach wie vor bereit, Protestaktionen zu starten”, kündigte die Präsidentin der Hausärzte-Gewerkschaft SNAMI Susanna Hofmann damals an. Die Wochen vergingen, Gespräche zwischen dem Hausärzte-Landesbeirat und Martha Stockers Ressortchef Michael Mayr folgten. Mit dem Ergebnis, dass alle vier Hausärzte-Gewerkschaften Ende vergangener Woche geschlossen ankündigten, kommende Woche an zwei Tagen streiken zu wollen.

“Wir lassen uns von der Provinz nicht mehr zum Narren halten”, schreiben die vier Hausärzte-Gewerkschaften SNAMI, Cisl, Fimmg und Smi in einer gemeinsamen Mitteilung. Seit Monaten ist in den Verhandlungen nichts weiter gegangen, zahlreiche Ärzte warten heute noch auf die versprochenen Ausgleichszahlungen nachdem sie seit August Gehaltsverluste von bis zu 25 Prozent hinnehmen müssen. Auch gibt es noch keine finanziellen Förderungen für Jungärzte, die mit Nachdruck gefordert und zugesichert wurden. “Es gibt eine Reihe von Erwartungshaltungen, die nicht erfüllt wurden und wir fühlen uns demotiviert”, erklären die Gewerkschaften. Man sei zum Streik gezwungen, “weil es der einzige Weg ist, aufzurütteln und klar zu machen, dass die Allgemeinmedizin – effizient, geschätzt und wenig kostend – Gefahr läuft, bis auf die Grundmauern abgebaut und wichtiger Ressourcen entzogen zu werden”.


Noch lange nicht vorbei

Im Zentrum der Kritik stehen Reformabsichten für das Gesundheitssystem. “Langsam sickern auch zu uns die Pläne durch, wonach wir Hausärzte zu funktionellen Gruppen zusammengefasst werden und sich jeder von uns um bestimmte Patientengruppen kümmern soll”, berichtet Cisl-Ärzte-Gewerkschafter Eugen Sleiter im Gespräch mit den Dolomiten. Die Hausärzte würden dadurch ihre bisherige Rolle als Vertrauens- und Familienmediziner verlieren und die persönliche Arzt-Patient-Beziehung verloren gehen. Inakzeptabel für die Gewerkschafter, auch für Luigi Rubino von der Fimmg: “Wir leiden, angesichts der Arroganz, mit der hier versucht wird, die Betreuung vor Ort zu revolutionieren und dabei komplett die Stärke der Allgemeinmedizin ignoriert – nämlich das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.” Nachhaltig gestört scheint indes jenes zwischen Hausärzten und zuständigen Verantwortlichen in Politik und Sanitätsbetrieb. Eigentlich stand für kommenden Mittwoch ein weiteres Treffen mit Ressortchef Mayr an. Doch dieser will nun nicht mehr verhandeln solange die Streikdrohung nicht zurückgezogen wird. Davon wollen die Hausärzte allerdings nichts wissen. “Es tut uns Leid für die Bevölkerung”, meinen die vier Gewerkschaften, “aber wir sehen keine andere Möglichkeit mehr, um uns Gehör zu verschaffen”.

Zwei Mal im Dezember – am 16. und am 18. – werden die Hausärzte nun ihre Arbeit niederlegen. Für dringende Fälle gibt es jeweils einen Arzt in Rufbereitschaft. Und ein Ende der Streikbereitschaft ist nicht abzusehen: “Wir haben bereits ein weiteres Paket von drei, vier Tagen im Jänner bereit und werden so weiter machen, bis zum Ende”, teilen die vier Gewerkschaften mit.


Weiter wie bisher?

Der bereits seit Monaten schwelende Konflikt ist seit einigen Tagen übrigens um ein weiteres Spannungsfeld reicher. Am Freitag präsentierte Gesundheitslandesrätin Martha Stocker gemeinsam mit dem Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebs Thomas Schael den EDV-Masterplan, mit dem die unterschiedlichen und fehlerbehafteten IT-Systeme der einzelnen Krankenhäuser erneuert und vereinheitlicht werden sollen. Zur Umsetzung des Vorhabens will die Landesregierung mehr als 70 Millionen Euro für die kommenden drei Jahre dafür zur Verfügung stellen. Mit dem Auftrag betraut wird die SAIM (“Südtirol Alto Adige Informatica Medica Srl – Südtirol Alto Adige Informatik und Medizin GmbH”). Gegründet 2004, scheiterte das Unternehmen bislang, seinem Auftrag der Informatisierung und EDV-gestützten Vernetzung der Südtiroler Krankenhäuser, nachzukommen. Und verschlingt dabei Millionen an Euro.

Nun soll die SAIM also eine zweite Chance bekommen. Wenn auch mit neuer Ausrichtung (“Es ist klar, dass die bisher angewandte Methode nicht funktioniert hat”, Thomas Schael). Unverständnis bei den Hausärzten: Eine Firma, die es bisher nicht geschafft hat, ein funktionierendes Informatik-System für alle Krankenhäuser zu entwickeln soll noch einmal beauftragt werden? Da werde Geld zum Fenster hinaus geworfen, so die Kritik. Ähnlich sieht es Andreas Pöder. Die SAIM-Gründung habe unter anderem das EDV-Chaos in der Sanität überhaupt erst verursacht, zeigt der Landtagsabgeordnete der Bürgerunion auf: “Die umstrittene und auch dubiose Gründung des  sanitätsbetriebseigenenen Informatikunternehmens SAIM war der Kardinalfehler in der gesamten Informatikmisere im Sanitätsbetrieb. Dadurch wurde  die Harmonisierung des Informatiksystems in den Krankenhäusern und im Sanitätsbetrieb nicht nur blockiert sondern das Informatikchaos noch verstärkt.” Er fordert, anstatt nun noch einmal auf sie zu setzen, die SAIM aufzulösen, “schlichtweg deshalb, weil es sie nicht braucht und sie bei der Reform des Informatiksystems nicht dienlich sein kann”. Die Kooperation des Sanitätsbetriebes mit der Informatik-AG Siag und mit den externen Software- und Dienstleistungsunternehmen reiche völlig aus, so Pöder. Für ihn ist es schwer nachvollziehbar, warum der neue Generaldirektor Thomas Schael diesen “Informatik-Kardinalfehler” der früheren Betriebsführung unter Andreas Fabi beibehalten wolle.