An den Worten gemessen
Es ist jedes Jahr der wichtigste Auftritt des Landeshauptmannes im Landtag: Am Freitag hielt Arno Kompatscher seine Haushaltsrede – die erste seit er die SVP-Lega-Koalition anführt. Neben der Verwendung des bisher größten Landeshaushalts von 6,2 Milliarden Euro definierte der Landeshauptmann vor allem die politischen Leitlinien der Arbeit der Landesregierung für 2020. In den Mittelpunkt seiner Rede stellte er den Wert der Autonomie, die Bedeutung des Vertrauens, den Mut zum Kompromiss und die Notwendigkeit eines ressourcenschonenden Lebensstils. Ein leidenschaftliches Plädoyer für Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Fairness, Solidarität, Fürsorge und ein klares Statement gegen Populismus und Angstmacherei waren von Kompatscher zu hören.
Die Rede hat beeindruckt – vor allem die Opposition. Als Vertreter der größten Minderheitenpartei haben Paul Köllensperger und Josef Unterholzner von Team K als einzige einen Minderheitenbericht zum Haushaltsvoranschlag vorgelegt. Darin wird Arno Kompatscher zwar der Vorwurf gemacht, “keine klar erkennbare Vision für das Land und seine Menschen” zu haben – nach der Rede allerdings schlägt man beim Team K andere Töne an. Es gibt Lob – für den Landeshauptmann, nicht aber für seine Partei. “Progressiv” seien Kompatschers Worte gewesen, gestehen Köllensperger & Co. ein, doch zugleich frage man sich: “Welche SVP hat hier gesprochen?” In einer Aussendung heißt es:
“Die heutige Rede zum Haushalt des Landeshauptmanns ließ die Abgeordneten des Team K hellhörig werden: soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein, dazu ein entschiedenes Entgegentreten den Populisten und Angstpredigern von rechts. Alles Themen, die das Team K so mittragen kann und im Konkreten auch laufend durch seine Anträge in den Landtag einbringt. Doch welche SVP hat hier gesprochen? Ist es dieselbe Partei, die Raumordnungsgesetze auf den Weg bringt, die weder mit sozialer Gerechtigkeit noch Nachhaltigkeit vereinbar sind? Die gerade mit den Rechtspopulisten der Hass-Prediger-Partei in Koalition regiert? Die Realität der Regierungspartei und ihre konkrete politische Aktion sieht eben leider anders aus als man aus der Haushaltsrede schließen könnte. Machterhalt heiligt die Mittel (und die jeweiligen Partner) und politische Grabenkämpfe haben die Partei eingegipst. Den großen Lobbyverbänden wurde Tür und Tor geöffnet, im Sinne einer Politik, in der das Heute und Jetzt dominiert, aber der Gedanke an die künftigen Generationen, die noch die früheren Generationen der SVP-Politiker auszeichnete, schon lange nicht mehr der Leitfaden der politischen Aktion ist.”
In dieselbe Richtung geht der Kommentar der drei Grünen Landtagsabgeordnten. “Einerseits nehmen wir zufrieden zur Kenntnis, dass es die grünen Grundthemen in die Agenda der Landesregierung geschafft haben. Andererseits die Erinnerungen an die Diskussionen zum Raumordnungsgesetz letzte Woche, hier im selben Saal, in der die SVP ein völlig anderes Bild zu Raum und Landschaftsschutz gezeichnet hatte”, schreiben Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba und Hanspeter Staffler, die Kompatschers Rede als “skurriles Schauspiel” empfunden haben. “Skurril auch die Tatsache, dass doch der Lega-Vize neben Kompatscher sitzt. Für die Lega gab es nur Statistenrolle – und ein kleines Trösterle (nämlich die Zusage, dass man die Ärmsten der Armen weiterhin und verstärkt zurück in den Hunger schicken wird). Unser Fazit: Entweder diese Rede war eine Art Weihnachtsrede, oder Kompatscher regiert mit dem falschen Partner.”
Kritik an der Lega übt auch der Ex-Partner der SVP. Die Lega unterwerfe sich dem Regierungspartner, im Haushaltsvoranschlag für die kommenden Jahre finde sich “überhaupt nichts” von ihr, meint der PD-Landtagsabgeordnete Sandro Repetto. Davon abgesehen lobt auch er Kompatscher für seine klares Bekenntnis zu einer nachhaltigen Politik, vermisst aber in einigen Bereichen klare Maßnahmen, zum Beispiel in Sachen Personalmangel in Sanität und Sozialwesen. Schöne Worte und Vorsätze habe er vom Landeshauptmann gehört, sagt Diego Nicoloni. Die “sehr grüne Vision” für Südtirol gefalle ihm, so der 5-Sterne-Landtagsabgeordnete.
Anders als seine Oppositionskollegen lässt Alessandro Urzì (Alto Adige nel Cuore) kein gutes Haar an Kompatschers Rede. Unter anderem stört ihn, dass die Landeshauptstadt Bozen nur am Rande erwähnt worden sei.