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Machtverhältnisse in Südtirol

Günther Pallaver hat es in einem Interview in der Rai auf den Punkt gebracht: Die Wirtschaft treibt die Politik vor sich her.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Bolzano
Foto: Fabio Petrini Cgil-Agb

In Südtirol wird Kritik an dieser Situation sofort als ideologische Voreingenommenheit abgetan. So wurde Renzler medial von den Vertretern der Wirtschaft regelrecht abgewatscht, weil er sich die Freiheit genommen hat, einige Überlegungen öffentlich zutun. Dies sollte in einer Demokratie auch erlaubt sein, wobei man natürlich jederzeit dagegen argumentieren kann.

Es ist nicht unsere Aufgabe, Renzler zu verteidigen. Der Angriff war aber sicherlich überzogen, denn es wurden Dinge gesagt, die weder neu noch revolutionär sind und über die man durchaus diskutieren kann.

Dabei handelt es sich um Denkanstöße, die im vergangenen Mai auch in einigen anderen europäischen Ländern vorgebracht wurden. So stand die Frage im Raum, ob man Unternehmen, die (auch durchaus legale) Möglichkeiten zur Umgehung der Steuerpflichten ausnützen, bzw. ihrer Steuerpflicht nicht in dem Lande verrichten, in dem sie den Gewinn erzielen, Anspruch auf staatliche Hilfen haben.

Das Thema ist sicherlich komplex und man kann darauf keine pauschale Antwort geben. Natürlich steht die ethische Frage im Raum, ob man die Gelder der Steuerzahler auch für jene verwenden kann, die durch zweifelhafte Operationen das Steuersystem umgehen. Diesbezüglich wäre die Antwort natürlich ein klares Nein.

Gesamtwirtschaftlich gesehen sind die Dinge allerdings etwas schwieriger. So muss man überlegen, inwiefern ein Unternehmen systemrelevant ist oder nicht und welche Auswirkungen ein Konkurs hätte. Die Wirtschaftskrise von 2009 kann einige Hinweise liefern: Man denke nur an das Debakel von Lehman Brother und dessen Auswirkungen.

Man kann wichtige Bankinstitute nicht in ohne größeren Schaden in den Ruin schicken, auch nicht im Falle von Spekulation und übertriebener Risikobereitschaft. Der Fehler war allerdings, dass der Gesetzgeber bestimmten Auswüchsen nicht rechtzeitig Einhalt geboten hat.

So werden auch heute noch Verluste auf die Kollektivität abgewälzt, während man die Gewinne ungeniert einstreicht. Daher kann man den Vorschlag, dass die öffentliche Hand in irgendeiner Form bei stark angeschlagenen Betrieben einsteigen soll, natürlich in Frage stellen.

Es gilt im Einzelfall abzuwägen. Allerdings muss man auch klarzustellen, dass nach einer eventuellen Sanierung mit öffentlichen Mittel, auch angesichts der wohlbekannten Privatisierungswut, man die Beteiligung nicht wieder wohlwollend abgeben kann.

Ganz nebenbei war die Privatwirtschaft immer darauf bedacht – natürlich im Sinne von mehr Effizienz und geringeren Kosten –  öffentliche Betriebe zu privatisieren. Billiger wurden diese Dienste damit allerdings nicht.

Will man jetzt mehr Beteiligung der öffentlichen Hand zur Rettung von Unternehmen, wäre dies ein Umdenken, das in lebenswichtigen Bereichen auch sinnvoll ist. Wichtig wäre es aber, alle Facetten des Problems zu beleuchten und ohne Voreingenommenheit oder ideologischen Vorverurteilungen nach Lösungen zu suchen.

Wir als Gewerkschaft sind sicherlich bereit, darüber zu diskutieren. Allerdings sollte die öffentliche Hand im Falle von Betriebssanierungen bei einem späteren Ausstieg das investierte Kapital zurückbekommen. Eventuell kann man von anfallenden Zinsen aufgrund der Ausnahmesituation absehen.

Eventuelle Zweifel aber als ideologischen Firlefanz abzutun, ist aufgrund der jahrelangen Kritik der Wirtschaft an der angeblich starken Präsenz des Landes im Wirtschaftsbereich ziemlich widersprüchlich,

Der Vorschlag, die Steuererklärung als Grundlage für eventuelle Hilfen herzunehmen, ist natürlich ein heikles Thema. Zumindest sollte man die Mehrwertsteuererklärungen zusätzlich heranzuziehen, denn man kann zwar einen großen Umsatz haben, aber nur wenig Profit erwirtschaften.

Wer nichts zu verbergen hat, könnte damit sicherlich leben. Dies wäre sicherlich kein Verbrechen und könnte auch gezieltere Maßnahmen ermöglichen. Schließlich muss auch der Bürger seine Brieftasche herzeigen, weil das darin enthaltene Bargeld zum Vermögen dazugezählt wird.

Deutschland als Beispiel herzunehmen ist kaum nützlich. Italien und Deutschland kann man in vielen Bereichen nicht vergleichen. Auch verlaufen die Auszahlungen bei unserem nördlichen Nachbarn nicht so reibungslos wie angenommen und die Proteste häufen sich.

Betrachtet man abschließend die Vergangenheit Südtirols, so sind einige Entwicklungen der letzten Monate leicht zu erklären: Wer sich nicht der Meinung der Mehrheit unterwirft, wird sofort abgekanzelt oder bloßgestellt, ohne dass man auch nur zumindest versucht, auf dessen Meinung einzugehen. Kritik wird sofort als ideologische Voreingenommenheit verunglimpft.

Dabei sind die Machtverhältnisse in Südtirol ohnehin derart ungleich verteilt, dass die Mehrheitspartei eigentlich jede Diskussion ohne Probleme angehen könnte. Eine bessere Gesprächskultur würde nicht nur dem Land guttun, sondern auch dem Populismus einen Riegel vorschieben. Leider sitzen aber bestimmte Kräfte seit Jahrzehnten sehr nahe am Futtertrog und sind nicht bereit, sich davon zu trennen.

 

Alfred Ebner