Economy | Einzelhandel

Pur Südtirol übernimmt Naturalia

Sie gelten als Schwergewichte im Lebensmittelhandel des oberen Preissegments. Die neu gegründete Purnamh GmbH setzt auf ihrem Erfolgszug weiterhin auf regional und bio.
naturalia_bozen.jpg
Foto: Salto.bz
Der Lebensmittelhändler Pur Südtirol und der Biomarkt Naturalia haben sich kürzlich zusammengeschlossen. Die im Oktober 2022 gegründete Purnamh GmbH Societá Benefit – Pur Südtirol hat damit fünf Pur Südtirol- und zwei Naturalia-Läden in den Knotenpunkten Meran, Lana, Bozen, Brixen und Bruneck. Außerdem führt das Unternehmen das Meraner Weinhaus und einen Onlineshop für Pur Südtirol. Es beschäftigt zurzeit rund 170 Angestellte, der Umsatz des Jahres 2021 beträgt 27,4 Millionen Euro.
 
 
Der Grund für die Fusion sind persönliche Gründe der ehemaligen Naturalia-Besitzer Hannes Desaler und Evelyn Abler: „Wir kennen sie bereits schon lange und sind freundschaftlich verbunden. Sie sind bereits im Pensionsalter und haben jetzt die Lebensentscheidung getroffen, in den Marken ein kleines touristisches Projekt zu starten“, erklärt Purnamh-Geschäftsführer Ulrich Wallnöfer.
Wir werden aber nicht zu einem Unternehmen, das sich nach Labels richtet, sondern bleiben unserer Philosophie treu, mit kleinen und Kleinstproduzent*innen zusammenzuarbeiten und sie zu stärken - Ulrich Wallnöfer
„Es war uns wichtig, dass die Naturalia weiterhin in den Händen von Menschen mit Passion für Lebensmittel bleibt. Es war ein Prozess des intensiven Austausches im Laufe eines Jahres“, sagt er im Rückblick. Das Unternehmen hat mit der Societá Benefit außerdem eine recht neue Rechtsform gewählt, die Unternehmen statutarisch verpflichtet, sich ans Gemeinwohl zu orientieren. „Damit kommen im Firmennamen nicht nur die Initialen von Pur, Naturalia und Meraner Weinhaus vor, sondern es wird auch unser Gedanke ans Gemeinwohl betont“, so Wallnöfer.
„Für uns ist die Gemeinwohlökonomie und -bilanz und auch das Modell der Societá Benefit eine sehr gute Möglichkeit, um das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich anzubieten. Heutzutage schreiben sich viele Unternehmen Nachhaltigkeit auf die Fahnen. Für Pur Südtirol und die Naturalia gehört das seit jeher dazu. Das zeigt sich in unseren Prozessen, aber es spiegelt sich auch bei der Überzeugung unserer Mitarbeiter*innen“, sagt Wallnöfer.
„Sehr vielen leuchtet ein, dass jetzt etwas zu tun ist. Da kann jede*r bei sich im Kleinen beginnen. Wir haben nicht unendlich Zeit und sind dringend gefordert, ins Handeln zu kommen“, so Wallnöfer. Sein Unternehmen erfasst seit Jahren die eigenen Treibhausgasemissionen und versucht sie zu reduzieren. Beispielsweise erhalten Mitarbeiter*innen kostenlos E-Bikes für die Anfahrt zur Arbeit.
Außerdem kompensiert Purnamh seine Emissionen mit zertifizierten Projekten, die CO2 speichern. Heuer will das Unternehmen ein alpines Projekt in Österreich unterstützen, das durch Humusaufbau in Vorarlberg CO2 bindet. „Es wäre schön, wenn wir uns auch in Südtirol auf die Hinterfüße stellen und Projekte anbieten würden. Wir haben da noch viel zu tun“, so Wallnöfer.
 

Strategie für die Naturalia

 
Was die Naturalia-Läden betrifft will Purnamh verstärkt auf Regionalität setzen: „Die Naturalia ist ein Bio-Pionier in Südtirol mit einer über 30-jährigen Historie und dem weitaus größten Sortiment mit rund 8.500 Artikel. Unser Ziel ist es hier, gemeinsam mit den Südtiroler Bäuer*innen den regionalen Bio-Anteil weiter zu erhöhen. Da gibt es in Südtirol noch Potential in verschiedensten Bereichen.“
Trotz stagnierenden oder gar sinkenden Absatzmärkten im reinen Bio-Fachhandel ist Pur Südtirol bisher gut durch die letzten Jahre gekommen und setzt nun als Purnamh auch auf die Naturalia-Läden. Hierzulande scheint die Nachfrage nach Bio-Produkten im Trend zu liegen. „Der Südtiroler Bio-Markt wächst weiter, aber die Konkurrenz ist stark geworden“, erklärt Heini Grandi, der vor mehr als 30 Jahren gemeinsam mit Rudi Dalvai die Südtiroler Weltläden ins Leben gerufen hat.
 
 
„Mittlerweile gibt es auch industriell hergestellte Bio-Produkte“, bestätigt Wallnöfer. Während Naturalia traditionsgemäß nur Bio-Artikel verkauft, gilt bei Pur Südtirol der Ansatz, so regionale Produkte wie möglich anzubieten, bestmöglich biologisch. „Wenn wir von Bio-Labels sprechen, hat Demeter sicherlich den höchsten Standard. Dann folgen Bioland, Naturland und andere. Das Angebot dieser Labels auszubauen, ist auch eines unserer Ziele. Wir werden aber nicht zu einem Unternehmen, das sich nach Labels richtet, sondern bleiben unserer Philosophie treu, mit kleinen und Kleinstproduzent*innen zusammenzuarbeiten und sie zu stärken.“
 

Zähes Geschäft

 
Wie viel den Produzent*innen vom Kaufpreis eines Produktes im Geschäft bleibt, könne nicht pauschal gesagt werden. „Wie viel ihnen bleibt, hängt davon ab, um wie viele Wertschöpfungsstufen es hier geht. Deshalb versuchen wir seit jeher so nahe wie möglich beim Bauern zu kaufen. Dadurch vermeide ich, dass morgen ein Importeur oder ein Großhändler eine Marge braucht“, sagt Wallnöfer.
Wenn es zum Massenprodukt wird, wo nur noch der Preis zählt, dann stellt sich schon die Frage, ob das der richtige Weg ist - Heini Grandi
Gleichzeitig sei es kein Leichtes, als Lebensmittelhändler dieser Größenordnung am Markt bestehen zu bleiben. Die Absatzmärkte in Italien oder Deutschland sind im Bio-Fachhandel letzthin zurückgegangen. „Der größte spezialisierte Kette Ecor-NaturaSi in Italien ist letztes Jahr in Krise geraten, auch die spezialisierten Bio-Händler in Deutschland kämpfen mit Einbrüchen und starkem Konkurrenzdruck von Discountern. Das passiert wahrscheinlich auch in Südtirol, schließlich gibt es die Discounter hier auch“, so Altromercato-Gründer Grandi.
„Der Handel wird oft verteufelt und beschuldigt, hohe Margen zu ziehen. Der Bio-Fachhandel ist über weite Strecken in Krise, in Südtirol sind wir mit einigen Schließungen konfrontiert“, sagt Wallnöfer. Beim Südtiroler Bioland-Verband haben letztes Jahr 25 Betriebe gekündigt, 30 neue kamen hinzu. „Für den kleinstrukturierten Handel trifft die landläufige Meinung meist nicht zu, dass er sehr gut verdient, das trifft eher bei Großdiscountern und anderen Betrieben zu“, sagt Purnamh-Geschäftsführer Wallnöfer.
 

Hervorstechen

 
Sein Unternehmen ist offenbar weiterhin erfolgreich: „Unser Rezept kann man sicherlich nicht auf einen Satz herunterbrechen. Wir haben exzellente Mitarbeiter*innen, die eine hohe Passion für das Thema haben, wir versuchen immer wieder unsere Prozesse zu optimieren und mit den bestmöglichen Produzent*innen zusammenzuarbeiten. Wir haben eine hohe Begeisterung für das, was wir machen“, sagt Wallnöfer.
Auch Grandi beurteilt die Entwicklungen auf dem Bio-Lebensmittelmarkt differenziert und gesteht ein, dass dort noch viel Potential für Rationalisierung existiere, es aber auch auf bewusste Konsumentscheidungen ankomme. „Es ist positiv, wenn der Bio-Markt wächst und die Kundschaft großer Anbieter biologische Produkte sucht. Die Frage ist, wie die Supermarktketten reagieren. Wenn es zum Massenprodukt wird, wo nur noch der Preis zählt, dann stellt sich schon die Frage, ob das der richtige Weg ist“, erklärt Grandi.
 
 
Dabei unterscheiden sich die Siegel-Standards über die europäische Bio-Norm hinaus teils sehr. Deshalb sei es wichtig, sich als Konsument*in zu informieren. „Wer aufmerksam ist, weiß zu wählen“, so Grandi. Die Zielgruppen von Purnamh beschreibt Wallnöfer so: „Es sind Menschen, die bewusst einkaufen. Es ist mittlerweile sehr vielen klar, dass ein nachhaltiges, bestmöglich biologisches Produkt gesünder für den Menschen ist. Wir hoffen, dass das in die Breite kommt, da unsere Angebote auch gut ankommen.“ Bei Pur Südtirol sind zudem Tourist*innen häufig gesehene Einkäufer*innen: „Ungefähr 30 Prozent unserer Kund*innen sind Gäste.“
Blicken wir über Südtirol hinaus, gab es in unserem Nachbarland trotz Rückschlägen eine bemerkenswerte Entwicklung auf dem Markt: „Deutschland ist in dieser Branche Italien um zehn Jahre voraus, die Bio-Märkte mussten sich dort ein Eigenständigkeitsmerkmal kreieren, um ihren Kund*innen den Preisunterschied zu erklären. Sie versuchen deshalb ein höherwertiges Bio-Produkt anzubieten. Dabei wird das Produkt etwa mit Regionalität und anderen Werten verbunden“, erklärt Grandi. Um Glaubwürdigkeit herzustellen, brauche es dann aber auch Kontrollen von unabhängigen Stellen zur Überprüfung der Standards. Was die Bio-Märkte in Deutschland geschafft haben, dürfte auch Purnamh gelungen sein.