Chronicle | Sparkasse-Prozess

Eingabe beim Justizministerium

Die neue Aktionärsvereinigung verlangt, dass "Verzögerungen und Unterlassungen" des Bozner Gerichtes im Prozess gegen die ehemaligen Sparkassenspitze untersucht werden.
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Foto: Othmar Seehauser
„Es geht hier um einen schwerwiegenden Schaden, den 11.000 Sparerinnern und Sparer erlitten haben“, sagen Walter Andreaus und Massimo Cerniglia unisono. Der Präsident der neuen Südtiroler Aktionärsvereinigung für Bankengeschädigte und sein römischer Rechtsanwalt lassen keinen Zweifel daran: „Wir werden hier keine Ruhe geben“.
Wenige Tage nach dem ersten Urteil im Strafprozess gegen die ehemaligen Sparkassenspitze stehen die Zeichen auf Sturm. Vorerhebungsrichter Emilio Schönsberg hat am vergangenen Mittwoch die Anklagepunkte Fälschung der Informationsbroschüre für Anleger (falso in prospetto), Kursmanipulation (Aggiotaggio) und vor allem schwerer Betrug (truffa agravata) als verjährt erklärt.
Demnach werden Norbert Plattner, Peter Lothar Schedl, Richard Maria Seebacher und Sergio Lovecchio nur mehr wegen wahrheitswidriger Mitteilungen an die Aufsichtsbehörde (false communicazioni all´autorità di pubblica vigilanza) vor Gericht stehen.
Am 9. Juni 2021 will Schönsberg die Einleitung des Hauptverfahrens beschließen. Im Prozess werden nicht nur die Banca d’Italia und die Börsenaufsicht CONSOB als Nebenkläger auftreten, sondern auch Massimo Cerniglia und die Aktionärsvereinigung.
Trotz dieses Teilerfolges sind Walter Andreaus und Massimo Cerniglia ob der Entscheidung des Vorerhebungsrichters und des Ablaufs des Verfahrens aber entrüstet. In einer am Montag verschickten Presseaussendung heißt es: 
 
„Die Aktionärsvereinigung Südtirol wird eine Eingabe beim Justizministerium machen, um die möglichen Verantwortlichkeiten der Bozner Justizbehörden für mögliche Verzögerungen und Unterlassungen festzustellen, die dazu führen könnten, dass die Angeklagten sich nicht oder nur teilweise für die schweren Verbrechen zum Schaden tausender Sparer vor Gericht verantworten müssen.“
 
Starker Tobak - aber mit einer konkreten Vorgeschichte
 

Die Ermittlungen

 
Die Ermittlungen gegen die Sparkasse starten 2015 noch unter dem damaligen Chefstaatsanwalt Guido Rispoli. Geführt von der Carabinierisondereinheit ROS beschlagnahmt man am Zentralsitz der Traditionsbank mehrere Terabyte an Daten. Zudem verhört man Dutzende Zeugen und setzt auch auf Abhörungen und Lauschangriffe.
Der leitende Staatsanwalt Rispoli setzt am 22. Jänner 2016 auch einen Gutachter ein. Der damalige Vizedirektor der Bozner Filiale der Banca d´Italia und nunmehrige Direktor der Banca d’Italia in Trient, Maurizio Silvi, liefert am 21. Juni 2016 seinen Bericht ab.
 
 
 
Auf 86 Seiten zeichnet Silvi dabei die unlauteren Machenschaften rund um die Sparkassen-Tochter Reatia SRG, um die Kapitalerhöhung 2012, um die Gewährung fragwürdiger Kredite und um eine ganze Reihe unüblicher Immobilienan- und verkäufe detailliert nach. Der Gutachter leuchtet nicht nur alte Geschichten aus, sondern er beschäftigt sich auch mit Operationen, die bereits in die Ära der amtierenden Bankenführung fallen.
Im späten Frühjahr 2016 wird Guido Rispoli Oberstaatsanwalt in Campobasso, die Ermittlung 12877/15 erbt damit sein Nachfolger als Chefstaatsanwalt in Bozen, Giancarlo Bramante. Obwohl allein die Ergebnisse des Gutachters der Staatsanwaltschaft Maurizio Silvi schon eine Anklagerhebung zu ermöglichen scheinen, ermittelt man weiter.
Der Fall wandert von der Carabinierispezialeinheit ROS zur Finanzwache. Als die Verbraucherzentrale Südtiroler über Massimo Cerniglia 2017 bei der Staatsanwaltschaft eine Eingabe zur Kapitalerhöhung der Sparkasse von 2012 macht, werden die Fälle zusammengelegt. Noch im selben Jahr erhalten die betroffenen Sparkassenfunktionäre einen Garantiebescheid (avviso di garanzia), dass sie unter Ermittlung stehen.
Ende März 2018 liefert die Finanzwache einen 312 Seiten langen Abschlussbericht der Ermittlungen ab. Unmittelbar danach lassen sich mehrere der Angeklagten von der Gerichtspolizei einvernehmen und hinterlegen Verteidigungsschriftsätze. Das Verfahren gegen den ebenfalls angeklagten Sparkassen-Funktionär Luca Cristoforetti wird abgetrennt und archiviert.
 
 
Danach aber passiert fast eineinhalb Jahre lang kaum mehr etwas. 2018 gibt Bramante schließlich den Fall an seinen Stellvertreter Igor Secco weiter.
"Es stimmt nicht, dass wir nichts getan haben", widerspricht Igor Secco diesem Vorwurf, "die Ermitttlungeen liefen auf Hochtouren weiter auch durch Abhörungen. Zudem mussten wir uns mit den Verteidigungsschriftsätzen auseinandersetzen".  
Zur Verteidigung der Ermittler muss aber auch gesagt werden: Die Staatsanwaltschaft Bozen ist personalmäßig chronisch unterbesetzt. Es fehlt an Staatsanwälten, Kanzleibeamten und vor allem an Beamten der Gerichtspolizei für die Ermittlungen. Das zieht die Ermittlungen - vor allem solche, die so komplex sind wie der Fall Sparkasse - unverhältnismäßig in die Länge.
Dass es aber über fünf Jahre dauert, bis man zur Vorverhandlung kommt, dürfte selbst unter diesen Umständen jedes Erkärungsschema sprengen.
 

Das Gericht


Aber nicht nur die Staatsanwaltschaft hat im Fall Sparkasse anscheinend den Schleichgang eingelegt. Ende 2019 erhebt die Staatsanwaltschaft formell Anklage gegen Norbert Plattner, Peter Lothar Schedl, Richard Maria Seebacher und Sergio Lovecchio. Weil die Straftaten aber bereits im Juni 2020 verjähren, ersucht das Duo Bramante/Secco das Voruntersuchungsgericht um eine schnelle Behandlung.
Die Verhandlung wird für März 2020 vor Vorerhebungsrichterin Carla Scheidle festgesetzt, dann aber wegen der Corona-Krise auf Mai 2020 verschoben. Weil Scheidle aber inzwischen ans Freiheitsgericht wechselt, muss ein neuer Richter gefunden werden.
Die Verhandlung wird erneut vertagt. Aber nicht für wenige Wochen, sondern am Ende um mehr als ein ganzes Jahr. Der erste Anlauf wird am 20. Jänner 2021 genommen. Vorerhebungsrichter Emilio Schönsberg vertagt die Verhandlung unmittelbar nach der Eröffnung auf den 3. März. Auch vergangene Woche kommt es trotz der wichtigen Vorentscheidungen zu keinem Urteil. Das soll jetzt am 9. Juni erfolgen.
 
 
 
Damit dauert allein die Phase der Entscheidungsfindung vor dem Richter für die Vorerhebungen inzwischen über eineinhalb Jahre. Ein Grund für die mehrmalige Vertagung ist auch ein Kapitalfehler der Ermittler, der kaum zu entschuldigen ist.
Der ehemalige Sparkassen-Generaldirektor Peter Schedl hatte bereits 2018 im Verfahren die deutsche Sprache als Prozesssprache gewählt. Das aber hat man aber anscheinend übersehen. Damit drohte die Nichtigkeit des Prozesses.
Auch hier widerspricht der ermittelende Staatsanwalt: "Wir haben alle zentralen Akten bereits 2019 übersetzt, beim Einwand ging es nur mehr um die letzten Zustellungen".
Am Ende scheint man eine Art Gentleman-Agreement gefunden zu haben. Weil der Vorermittlungsrichter die Verjährung bestätigt, haben die Verteidiger Schedls auf diesen Einwand verzichtet. Es wird nur jener Teil übersetzt werden, der in der Hauptverhandlung relevant ist.
Massimo Cerniglia hat in der Vorverhandlung ausgeführt, dass der schwere Betrug nach der geltenden Rechtssprechung noch nicht verjährt sei. Damit hätte die Anklage im Verfahren Schützenhilfe bekommen. Staatsanwalt Igor Secco unterstützte aber den Einwand der Verteidiger auf Verjährung.  "Ich kann nicht eine Anklage vertreten von der ich nicht überzeugt bin", sagt der Staatsanwalt zu Salto.bz.
Das Justizministerium soll jetzt den Fall unabhängig prüfen“, meint Walter Andreaus. 

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