Environment | Superbonus 110

Gar nicht so super?

Eigenheim sanieren und grünen Daumen zeigen, zum Nulltarif. So das Versprechen des Superbonus 110. Auf dem Weg zur Steuererleichtertung warten aber einige Brocken.
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Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

Die ersten Wochen und Monate der Anfrageflut, in der die Telefone der Klimahausagentur „regelrecht heiß gelaufen“ sind, seien zwar vorüber. Das Interesse am Superbonus 110, der Steuerbegünstigungen von mehr als 100% für Eingriffe an Gebäuden zur Verbesserung der Energieeffizienz und der seismischen Sicherheit vorsieht, ist nach wie vor ungebrochen, meldet Ulrich Santa, Direktor der KlimaHaus-Agentur. Mit dem Interesse am Superbonus, bleibt auch die Nachfrage nach dem Dienstleistungspaket der KlimaHaus aufrecht: zu den bisher bearbeiteten 280 Anfragen kommen wöchentlich deren 10 dazu.

Die Agentur unterstützt Antragsteller und Techniker in den einzelnen Phasen der Planung und Umsetzung der Bau- und Sanierungsmaßnahmen, beginnend mit der Sondierung, ob Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Bonus überhaupt bestehen, bis hin zur Beeidigung vorgenommener Eingriffe. Dass sich Interessenten und Interessentinnen professionelle Unterstützung holen, verwundert kaum. Die bürokratischen Anforderungen sind riesig und die technischen Hürden zum Teil komplex.

 

Der Bonus

 

Der Superbonus teilt sich auf in zwei Komponenten: den Super Ecobonus und den Super Sismabonus. Letzterer kommt allerdings in Südtirol, aufgrund der Einstufung als seismische Zone 4, nicht zum Tragen. Voraussetzung für den Bezug der Erleichterungen, ist mindestens eine sogenannte tragende Intervention, in Form einer Wärmedämmung der Gebäudehülle oder dem Austausch der Heizungsanlagen.

Mit der Durchführung mindestens einer primären Intervention, kann der Begünstigte in Person des Eigentümers, Inhabers des Nutzungsrechts oder Mieters, entscheiden, auch andere Maßnahmen durchzuführen. Dazu gehören unter anderem der Austausch von Fenstern und Türen, die Installation von Photovoltaikanlagen, Speichersystemen und Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder die Beseitigung von architektonischen Barrieren für behinderte und ältere Menschen. Die Kombination dieser Maßnahmen muss zu einer Verbesserung von mindestens zwei Energieklassen des Gebäudes oder der Gebäudeeinheit - sei es ein Einfamilienhaus, eine Doppelhaushälfte oder ein Kondominium bzw. Mehrfamilienhaus - führen. 

 

Das Heim auf Vordermann zu bringen und energieeffizienter zu gestalten, zum Nulltarif. So das Versprechen. Laut der Regierung schafft der Superbonus 110 einen „positiven Marktmechanismus, der allen Beteiligten Vorteile bietet“: Bürger können ihre Häuser kostenlos sanieren, die Energiekosten senken und den Wert ihrer Immobilien erhöhen, die Unternehmen können ihr Arbeitsvolumen steigern und der Staat kann die Häuser effizienter und sicherer machen und mehr Beschäftigung und Einkünfte schaffen. Zumindest in der Theorie. Als „zweifelsfrei edles Ansinnen“ startete laut Ulrich Santa der Superbonus auch vor dem Hintergrund der zu erreichenden europäischen Klimaschutzziele. Die EU-Kommission weist nämlich ca. ¾ der Behausungen in Europa kein gutes Zeugnis in Sachen Energieeffizienz aus. Ob mit der Maßnahme allerdings großflächige Verbesserungen in dieser Hinsicht erreicht werden können, darf bezweifelt werden. Aus mehreren Gründen.

 

Durchsichtigkeit fehlt

 

Santa gesteht, dass man mit den Regularien um den Superbonus 110 einen „Mechanismus geschaffen hat, der an Komplexität nur schwer zu überbieten sein dürfte." Laut einer repräsentativen Umfrage von mUp Research und Norstat im Auftrag von facile.it haben drei Millionen am Superbonus interessierte Italiener, aufgrund bürokratischer Hürden auf eine Inanspruchnahme verzichtet. Mehr als doppelt so viele gaben an, die Steuernachlässe, die auch an beteiligte Baufirmen oder die Bank abgetreten werden können, nicht verstanden zu haben.

Das Regelwerk sei, im Vergleich zu den KlimaHaus-Standards, wesentlich komplexer und, so der Direktor der Agentur, „zumindest auf dem Papier weit restriktiver“, rechnerische Nachweise seien ungleich aufwändiger und zudem müssen die Mindestumweltstandards (CAM) eingehalten werden, etwa wenn es um die Auswahl der Dämmmaterialien geht. Dazu kämen noch Fragestellungen im Hinblick auf fiskalische Regelungen und die baurechtliche Konformität, sowie mit dem Haushaltsgesetz 2021 aufkommende Neuregelungen. Nicht zu vergessen sei auch die große Verantwortung, die bei den beauftragten Technikern und Planern liegt. Diese haften durch die beeideten Nachweise vollumfänglich für die abgesetzten Beträge.

 

Kondominien schwach vertreten

 

„Das außerordentlich hohe Fördermaß von 110% und die Möglichkeit zur Abtretung des Steuerguthabens sollte vor allem den Stillstand bei der energetischen Sanierung von Mehrfamiliengebäuden überwinden“, sagt Santa. Aber auch in der Verteilung der bisher durchgeführten Ansuchen lassen sich Defizite ausmachen. Rund die Hälfte der Ansuchen betreffe Einfamilienhäuser, wo die Entscheidungsfindung einfach und eine Sanierung vielleicht ohnehin angedacht war. Rund jeweils ein Fünftel der Anträge betreffe Zweifamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser mit drei oder vier Wohneinheiten. Laut Santa verfehle der Superbonus in Südtirol die eigentlich erhofften Nutznießer: „Die großen Kondominien, an die sich diese Förderung in erster Linie ja richtet, sind aber nach wie vor nur schwach vertreten. Kondominien mit mehr als 8 Parteien kommen beispielsweise aktuell nur auf einen Anteil von knapp über 5 Prozent.“

 

 

Die Krux mit dem neuen Raumordnungsgesetz

 

Ein hinderlicher Aspekt für die Nutzung des Superbonus, der ausschließlich die Provinz Bozen betrifft, scheint zudem das neue Gesetz für Raumordnung sein. In einer Aussendung der Südtiroler Architektenkammer heißt es, das Landesgesetz Raum und Landschaft stelle dem Superbonus ein Bein. In die gleiche Kerbe schlagen das Kollegium der Bauunternehmer und der Landtagsabgeordnete Carlo Vettori: „Wir erweisen uns als völlig unfähig, die wenigen Gelegenheiten zu nutzen, die Rom uns bietet.“ Das Problem hierbei liegt in erster Linie bei der Handhabung der Fassadendämmung, erklärt Ulrich Santa: „Die notwendigen Dämmstärken bilden zum einen eine zusätzliche urbanistische Kubatur, zum anderen kommt dabei aber auch die Abstandsregelung ins Spiel.“ Während man auf staatlicher Ebene bei energetischen Sanierungen Ausnahmen in Bezug auf Bauvolumen und Abstände geschaffen hat, stünden diese in Südtirol noch aus. Laut Santa sei eine entsprechende Regelung bereits ausgearbeitet, die in Kürze in Kraft treten dürfte. 

Wenn wir uns anschauen, wer - zumindest in Südtirol - zurzeit den Superbonus nutzt, dann muss man dabei aber auch die Frage nach der Treffsicherheit der Förderung und, im Hinblick auf deren Dauer, auch jene der Förderhöhe stellen.

Dabei dürfte für viele Eile geboten sein. Die Fristen für die Nutzung des Superbonus wurden zwar mit dem neuen Haushaltsgesetz bis Juni 2022 bzw. für Kondominien bis Ende 2022 verlängert. Abhängig vom Ausmaß der Eingriffe kann die nötige Planung allerdings viel Zeit in Anspruch nehmen. Allein für das Servicepaket der KlimaHaus müsse man vom Zeitpunkt des Ansuchens bis zur Bestätigung, dass die Voraussetzungen für den Bonus erfüllt werden – also noch vor dem ersten Spatenstich – drei bis vier Monate zuwarten.

Wie lange der Prozess vom ersten Ansuchen, bis zum Abschluss der baulichen und energetischen Maßnahmen schlussendlich dauert, hänge von mehreren Faktoren ab. Zum Beispiel vom Ausmaß der Eingriffe: „Es macht natürlich einen Unterschied, ob ich nur die Heizanlage tausche oder eine Gesamtsanierung durchführe, wo der Aufwand für Planer und Fachplaner ein viel größerer ist“, stellt Santa klar. Knapp die Hälfte der von KlimaHaus unterstützten Bauherren nehmen sowohl eine Dämmung des Gebäudes, als auch einen Austausch der Heizanlage vor. In 38 Prozent der Fälle wird nur die Gebäudehülle gedämmt, in zwölf Prozent wird lediglich die Heizanlage getauscht und in nicht einmal fünf Prozent kommt es zu einem Abbruch und Wiederaufbau. Ebenfalls berücksichtigt werden müssen laut dem Direktor der KlimaHaus, die Wartezeiten für die Ausstellung der Baugenehmigungen, sowie die Suche nach Bauunternehmen und Handwerkern, die „derzeit noch recht gut gefüllte Auftragsbücher“ hätten.

 

Hoffen auf Verlängerung

 

Die Agentur selbst habe ihr Personal deutlich aufgestockt, um die Anfragenflut besser bewältigen zu können. Gleichzeitig führe man nun auch von Verzeichnis an freiberuflichen Technikern, an die man sich wenden könne. Angesichts des durchaus langwierigen Ansuchens und möglicher Verzögerungen, rät Ulrich Santa schon von Beginn an, auf einen Planer zu setzen, der sich um die notwendigen Unterlagen kümmern und eventuell die baurechtliche Konformität prüfen und richtigstellen könne. „Im Idealfall liegt auch bereits ein Sanierungsprojekt vor und natürlich sollte dabei auch die architektonische Gesamtqualität nicht zu kurz kommen, was leider oft etwas in den Hintergrund gerät.“

Jetzt bleibt zu hoffen, dass es mit den Mitteln des Recovery Funds gelingen wird, zeitnah eine hinreichende Verlängerung des Superbonus zu ermöglichen.

Unklar bleibt weiterhin, ob es seitens der Regierung in Rom weitere Aufschübe für die Nutzung des Bonus geben wird. Die mit dem Haushaltsgesetz 2021 gebilligten Fristverlängerungen für Einfamilienhäuser bis 30. Juni 2022 und für Kondominien bis Ende 2022, sind laut Santa wohl nicht ausreichend: „Im Hinblick auf die Komplexität und in Folge auch Dauer größerer Sanierungen und die alles andere als einfachen Entscheidungsfindungsprozesse in Kondominien, wäre eine längerfristige Planungssicherheit aber absolut notwendig. In Zeiten von Covid ist es ja bereits eine große Herausforderung, überhaupt eine Kondominiumsversammlung zu organisieren, um das Thema besprechen und darüber befinden zu können.“

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erika santer Tue, 03/09/2021 - 09:43

Das Leben der Interessierten am Bonus 110% , der Planer und damit all derer, die durch diese Maßnahme gefördert werden sollten, könnte -unabhängig von aller Verwirrung und Verunsicherung durch das Staatsgesetz-dadurch erleichtert werden, dass auf Landesebene endlich die Mindesttarife festgesetzt würden, welche die Planer als Grundlage für die notwendigen Ausschreibungen benötigen

Tue, 03/09/2021 - 09:43 Permalink