Economy | Interview

Direkt vermarktet: Genuss & Gewinn

Die lokale Wirtschaft stärken und die Wertschöpfung in der Region halten? Die Direktvermarktung von landwirtschaftlichen Produkten ist eine mögliche Lösung. Welche Produkte sich dafür eignen und welche Chancen sich daraus für Südtirol ergeben, lesen Sie hier.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Ein Kiste voller frisches Gemüse und eine Hand die Karotten in der Hand hält.
Foto: IDM Südtirol - Alto Adige/Patrick Schwienbacher
  • Ob frische, dunkelrote Kirschen aus dem kleinen Hofladen an der Landstraße, Eier und Milch vom Bauernhof direkt nebenan oder der Wein des Lieblingsweingutes. Südtirol hat viele regionale Schätze zu bieten, aber direkt und vom Betrieb selbst werden sie noch selten verkauft. Dabei kann das eine große Chance für Bäuerinnen und Bauern sein, sich über eine direkte Vermarktung ihrer Produkte, unabhängig von schwankenden Marktpreisen zu machen. Wie sich die Direktvermarktung in der Landwirtschaft auch in Südtirol etablieren kann? Dazu haben wir David Frank befragt.

  • Foto: IDM Südtirol - Alto Adige
  • David Frank ist Agronom und Produktmanager bei IDM Südtirol. Bereits in seiner Masterarbeit befasste er sich mit dem Thema landwirtschaftliche Direktvermarktung in Südtirol. Er studierte im Studiengang „Agrar- und Ernährungswirtschaft“ an der Universität für Bodenkultur Wien. 

  • SALTO: Landwirtschaft spielt eine zentrale Rolle in Südtirol. Wie haben sich die Rahmenbedingungen für Bäuerinnen und Bauern in den letzten Jahren verändert und welche neuen Chancen ergeben sich daraus?

    David Frank: Die landwirtschaftliche Direktvermarktung wird in Südtirol immer bedeutender. Sie gibt Landwirtinnen und Landwirten die Möglichkeit, unabhängig von den Marktpreisen zu wirtschaften und dadurch höhere Einnahmen zu erzielen. Dies stellt für viele Betriebe eine große Chance dar, sich ein zusätzliches Standbein aufzubauen.

    Warum ist Direktmarketing im Agrarbereich von Vorteil?

    Diese Entwicklung ist eine Antwort auf den Strukturwandel in der Landwirtschaft und die sinkenden Auszahlungspreise für Agrarprodukte auf dem Weltmarkt. Diese Faktoren erhöhen insbesondere für kleine landwirtschaftliche Betriebe den Druck, wettbewerbsfähige Betriebskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Angesichts dieser Herausforderungen entscheiden sich viele Betriebe für die Direktvermarktung, um ihre Abhängigkeit von schwankenden Marktpreisen zu reduzieren und ihre Existenz langfristig zu sichern.

    Darüber hinaus bietet die Direktvermarktung die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Man entwickelt ein Produkt, vermarktet es eigenständig, legt den Preis selbst fest und plant die passende Kommunikations- und Distributionsstrategie. 

    Dies ermöglicht den Landwirtinnen und Landwirten, ihre eigenen Ideen und Visionen umzusetzen und ihren Betrieb nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

     

    Welche Chancen ergeben sich aus einer landwirtschaftlichen Direktvermarktung für Südtirol?

    Direktvermarktung stärkt die lokale Wirtschaft, da die Wertschöpfung in der Region bleibt. Landwirte erzielen höhere Einkommen, was wiederum Investitionen in die lokale Landwirtschaft und eine gesteigerte Produktion fördern kann. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass sich durch die landwirtschaftliche Direktvermarktung der Selbstversorgungsgrad bei verschiedenen Produkten im Inland erhöhen kann und wir weniger vom Import abhängig werden. 

    In Südtirol variiert der Selbstversorgungsgrad je nach landwirtschaftlichem Produkt erheblich. Bei Produkten wie Äpfeln, Milch und Wein ist Südtirol nahezu autark, da mehr produziert wird, als lokal konsumiert. Andere Bereiche, wie beispielsweise Getreide, Gemüse, Eier, Fisch und Kräuter, sind weniger stark vertreten, sodass ein gewisser Prozentsatz dieser Produkte importiert wird. Die Direktvermarktung kann den Selbstversorgungsgrad positiv beeinflussen, wodurch der Absatz regionaler Produkte erhöht und die Nachfrage nach importierten Gütern verringert wird.

    Gibt es andere Regionen oder Länder, in denen die Direktvermarktung in der Landwirtschaft schon gut funktioniert?

    Österreich setzt stark auf die landwirtschaftliche Direktvermarktung. Die Ergebnisse einer Landwirtebefragung veranschaulichen die aktuelle Situation der Direktvermarktung in Österreich: 27 % aller Landwirte (36.000 Betriebe) vermarkten einen Teil ihrer Erzeugnisse selbst und erwirtschaften damit einen Großteil ihres landwirtschaftlichen Einkommens. Laut Befragung sind es etwa 31.000 Vollzeit-Arbeitsplätze. Die Zuständigkeiten sind fast gleich verteilt und je größer die Bedeutung der Direktvermarktung für den Betrieb ist, umso eher sind Bäuerin und Bauer gleichermaßen verantwortlich.

  • Ein Beispiel für gelungene Direktvermarktung aus Südtirol

    Der Südtiroler Bauernbund hat dieses Jahr im Mai bereits zum zweiten Mal den „Direktvermarkter des Jahres“ verliehen. Die Auszeichnung ging an Lukas Unterhofer vom Valentinhof in Meran. Direktvermarkterinnen und -vermarkter produzieren landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeiten sie gegebenenfalls weiter, sie organisieren den Verkauf und die Lieferung, sie kümmern sich um die damit zusammenhängende Bürokratie. Und nicht zuletzt gehört auch Marketing zu ihren Aufgaben, die den Produkten erst die notwendige Sichtbarkeit gibt. Wie Lukas all diese unterschiedlichen Aufgaben gemeinsam mit seiner Familie und drei Angestellten bewältigt? Mehr dazu auf der Plattform TourisMUT.

  • Welche Hauptfaktoren tragen zum Erfolg von Direktmarketingstrategien bei? Gibt es konkrete Beispiele?

    Um in der Direktvermarktung erfolgreich zu sein, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden, die sich in innere und äußere Rahmenbedingungen unterteilen lassen. Zu den inneren Faktoren, die aktiv gestaltet und verbessert werden können, zählen Produktqualität, Kommunikation, Innovation und Diversifizierung, Leidenschaft, Organisationskultur, Unternehmensphilosophie sowie die Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter. Externe Rahmenbedingungen, die von den Betriebsleitern kaum beeinflusst werden können, umfassen hingegen Glück und die Unterstützung durch landwirtschaftliche Beratungsorganisationen.

    Auch erfolgreiche Direktvermarkter können täglich vor neuen Herausforderungen stehen, welche es zu überwinden gilt. Im Zuge meiner Forschung konnten die Faktoren „Investitionskosten“, „Bürokratischer Aufwand“, „Arbeitsaufwand“, „Vermarktung“, „Wetter“, „Logistik“, „digitale Werbemittel“ und „Arbeitsorganisation“ als Herausforderungen der landwirtschaftlichen Direktvermarktung identifiziert werden.

  • Foto: IDM Südtirol - Alto Adige/Armin Huber
  • Gibt es landwirtschaftliche Produkte, für die sich Direktmarketing besonders gut eignet?

    Durch die Direktvermarktung werden Produkte verarbeitet und veredelt. Die Produktvielfalt wird somit gefördert und der Innovationsgrad im Land steigt. Die Vermarktung von Eiern und Fleisch ist typisch für die Direktvermarktung. Produkte wie Milch, Wein, Obst oder Spirituosen konnten in den letzten Jahren zulegen.

    Ich sehe besonders großes Potenzial im Bereich der Freiland- und Bioeier. In Südtirol ist die Haltungsform Bodenhaltung nahezu verschwunden und liegt bei knapp 1 %.  Die restlichen Eier kommen aus der Haltungsform Freiland- und Biohaltung, was den hohen Qualitätsstandard unterstreicht. Angesichts der Tatsache, dass jährlich etwa 100 Bergbauernhöfe schließen und die Milchwirtschaft aufgeben, ist es entscheidend, Alternativen aufzuzeigen. Im europäischen Vergleich und im Vergleich mit dem Trentino ist diese Zahl noch relativ gering. Eine mögliche Alternative könnte der Einstieg in die Direktvermarktung von Freiland- oder Bioeiern sein, was sich hervorragend als Nebenerwerb kombinieren lässt und zur Einkommenssicherung beträgt.

    Mit einem Blick Richtung Zukunft: Was wäre für dich die bestmögliche Entwicklung auf diesem Gebiet?

    Direktvermarktung ist genauso wichtig wie die Genossenschaften, für die Südtirol bekannt ist und die viele Vorteile bieten. Durch diese Strukturen können Produkte großflächig vermarktet werden, was für viele Landwirte wichtig ist, da nicht jeder für die Direktvermarktung geeignet ist. Beide Formen, die Genossenschaften mit ihrem umfassenden Marketing- und Vertriebswissen sowie die Direktvermarkter, sind essenziell. 

    Während die Genossenschaften eine breite Vermarktung sicherstellen, treiben Direktvermarkter Innovation und Vielfalt voran und tragen erheblich zum positiven Image der Landwirtschaft in Südtirol bei. 

    Besucher, Influencer und Journalisten besichtigen häufig kleinere Strukturen wie Hofkäsereien oder Hofbrennereien, was das Interesse und das Image der Produkte stärkt. Beide Formen der Landwirtschaft sind unverzichtbar für die Agrar- und Ernährungswirtschaft in unserem Land und sollten sich gegenseitig respektieren und stärken, um gemeinsam eine nachhaltige und vielfältige Agrarlandschaft zu fördern. Wenn Südtirol sich zukünftig zu einem Genussland entwickeln möchte, ist die Förderung der landwirtschaftlichen Direktvermarktung unumgänglich.