Environment | Mals

"Pestizidfreie Gemeinden sind EU-konform"

Schafft es Mals, den Willen der Bevölkerung in Sachen Spritzmittel rechtlich umsetzen? Warum der Bozner Rechtsanwalt Rudi Benedikter dem Chor der Skeptiker widerspricht.

Kaum ist das Ergebnis des Votums in Mals bekannt, geht der Streit um die rechtliche Durchsetzbarkeit eines Pestizidsverbots richtig los. Nicht nur die Sonntagszeitung Zett stellte dem breiten Jubel der Pestizidgegner am Wochenende die Frage „War alles umsonst?“ gegenüber. Auch auf RAI Südtirol reihte sich der in Innsbruck lehrende Europarechtsexperte Walter Obwexer am Montag in den Chor all jener ein, die wie nicht zuletzt EU-Abgeordneter Herbert Dorfmann die These vertreten,  dass eine pestizidfreie Gemeinde aufgrund der bestehenden EU-Gesetzgebung  rechtlich unmöglich sei.. Denn, wie der Uniprofessor argumentierte: Mals müsste belegen, dass die Gesundheit der eigenen Bevölkerung durch den Spritzmitteleinsatz schwerwiegender beeinträchtig werde als im restlichen Europa – und dieser Beleg wird laut Einschätzung des Universitätsprofessors schwierig werden.

Auf die Herausforderung, das Gegenteil zu beweisen, wird sich in den kommenden Wochen nicht nur  Obwexers Kollege Marino Marinelli einlassen. Der Universitätsprofessor an der juristischen Fakultät der Universität Trient und Honorarprofessor in Innbsruck, soll im Beratungsteam sein, das den Malser Gemeinderat bei der Umsetzung des Volkswillens unterstützen wird. Rückendeckung für die MalserInnen kam am Montag aber auch vom Bozner Rechtsanwalt und Gemeindepolitiker Rudi Benedikter. „Pestizidfreie Gemeinden sind  durchaus EU-konform“,  widerspricht er Dorfmann & Co. unter Verweis auf auf die europäische Gesetzgebung im Bereich biologischer Landbau.

Seit 1991 sei diese eine vom EU-Recht offiziell anerkannte  landwirtschaftliche Produktionsweise, die in Folge von unzähligen Kommissionsrichtlinien geregelt und gefördert wurde. Als Beispiel nennt Benedikter die  EU-Richtlinie Nr. 834/2007 „Ökologischer Landbau“, die ausdrücklich den Einsatz von ökologischen Pflanzenschutzmitteln erlaube bzw. in dem Bereich fordere. „Dies setzt natürlich den Verzicht oder die Einschränkung herkömmlicher Pestizide voraus“, argumentiert Rudi Benedikter. Sein Tipp in Richtung Mals? „Keinerlei EU-Verordnung oder Richtlinie verbietet es, eine solche regionale oder lokale Umstellungen auf biologischen Landbau etwa auf Gemeindeebene festzulegen. Keinerlei staatliches, regionales oder Landesgesetz schränkt hier die subsidiäre Regelungskompetenz einer Gemeinde ein, weder aus dem Blickpunkt Gesundheitsschutz noch aus jenem der Landwirtschaft.“

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Martin Daniel Mon, 09/08/2014 - 17:54

Gegen das Pestizidverbot werden immer EU-Richtlinien ins Feld geführt, diese sind aber im Unterschied zu den Verordnungen nicht automatisch geltendes Recht, sondern müssen durch staatliche Gesetze in nationales Recht verwandelt werden. Die Tatsache, dass die Richtlinien "lediglich" in Richtung ökologische Landwirtschaft gehen, ohne ausdrücklich die Möglichkeit eines generellen Verbots von Pestiziden vorzusehen, dürfte wohl nicht zwingend deren Ausschluss bedeuten. Und ein solcher scheint auch vom "Piano d'Azione Nazionale" nicht erwähnt zu werden.

Mon, 09/08/2014 - 17:54 Permalink
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Oskar Egger Tue, 09/09/2014 - 07:23

Ein umwerfendes Beispiel in Sachen EU. Jetzt wird man sehen, wie es steht, mit den Interessen der Bürger. Wenn man davon ausgeht, daß das Recht auf Schutz der Gesundheit im italienischen und anderen Grundgesetzen verankert ist, dass die Grenzen der Erträglichkeit, so wie sie, laut bürgerlichem Gesetzbuch, den Einzelnen vor Übergriffen schützen, in Sachen Landwirtschaft kaum zur Anwendung gekommen sind, wird es notwendig, dass der Bürger der EU sich auf diese bezieht und der arroganten Politik und Wirtschaft Grenzen setzt. Denn wenn es der Bürger selbst nicht tut, wer soll es dann tun?

Tue, 09/09/2014 - 07:23 Permalink
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Klaus Griesser Tue, 09/09/2014 - 10:32

Mir ist bewusst: es geht dem Bauernbund um handfeste, millionenschwere Interessen und das ist ein schwerwiegendes Problem. Hat aber ein Bauernbund nicht auch eine gewisse ethische Pflicht? Sollte die Landwirtschaft nicht nachhaltig zweifelsfrei gesunde Früchte produzieren wollen? Wenn er den Malsern mit Gerichten droht: übergeht er dann nicht deren Angst um die eigene Gesundheit und die berechtigten Bedenken der konzernunabhängigen Ärzte und Wissenschaftler?

Tue, 09/09/2014 - 10:32 Permalink