Galadriel jagt Sauron
Der Titel ist kein Spoiler. Dass Galadriel Sauron nachjagt, und dass dies einer der roten Fäden von „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht” sein wird, das wird gleich zu Beginn der ersten Folge klar. Es verrät nichts von all den vielen Geschehnissen, die sich im Laufe der ersten drei Folgen ergeben und deren Entwicklungen, die sich andeuten und auf man sich als Tolkien-Fan freuen darf.
Vor knapp 20 Jahren war Tolkien und die von ihm geschaffene Welt von Mittelerde bereits einmal für mehrere Jahre in aller Munde: Regisseur Peter Jackson hatte mit der filmischen Umsetzung von J.R.R. Tolkiens Trilogie „Der Herr der Ringe” (2001-2003) neue Standards im Fantasy-Film gesetzt. Die Special-Effects waren herausragend für die Zeit und die Landschaften Neuseelands ebenso beeindruckend wie passend. Aber es war vor allem die konkrete Umsetzung dieses Fantasy-Klassikers, mit der Peter Jackson nicht nur die Tolkien-Fans überzeugte, sondern viele neue Fans nach Mittelerde holte. Peter Jackson hatte eine ernsthafte, „realistische" und dadurch glaubwürdige Verfilmung dieses für lange Zeit als unverfilmbar geltenden Buches abgeliefert.
Zehn Jahre später folgte die Verfilmung von „Der Hobbit” (2012-2014), und jetzt, basierend auf den Anhängen zu „Der Herr der Ringe”, eine auf fünf Staffeln angelegte Streaming-Serie, mit acht Episoden für die erste Staffel. Und „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht” ist wieder ein Superlativ: Es soll die teuerste Streaming-Serie sein, die je produziert wurde und die ersten beiden Folgen sollen laut Amazon von über 25 Millionen Usern gesehen worden sein.
Muss man die beiden Trilogien gesehen oder gelesen haben bevor man sich „Die Ringe der Macht“ anschaut? Nein, nicht unbedingt. Es erhöht vielleicht den Genuss des gesamten Epos'. J.R.R. Tolkien (1892-1973), der Universitäts-Professor für englische Sprachwissenschaft war, hatte „Der Hobbit“ zuerst für seinen Enkel als Kinderbuch geschrieben und die darin angelegte Welt in der Folge zu einem eigenen Universum ausgebaut, einschließlich eigener Sprachen und Schriften für einzelne Völker.
„Die Ringe der Macht” spielt zudem zeitlich weit vor den beiden Trilogien, freilich mit klaren Bezügen zur „Zukunft” und der Gemeinsamkeit, dass das Dunkle, das Böse versucht die Macht über Mittelerde zu erlangen.
Die ersten beiden Folgen, die Anfang September als Doppelfolge erschienen sind, führen in diese bedrohliche Ausgangssituation ein. Mit viel Liebe zu Detail, mit schönen Settings und mit genügend Zeit, dass sich die bisweilen recht unterschiedlichen Charaktere entfalten können.
Kommt die Inszenierung auch manches Mal der Kitschgrenze gefährlich nahe, vor allem dann, wenn es um die Elben geht, so gleicht sich das immer wieder aus. Die kurze Szene im Hafen von Númenor zeigt beispielsweise, wo das Geld investiert wurde. Es ist offensichtlich, dass hier alles mit sehr viel Ernsthaftigkeit angegangen wird und die gesamte Produktion versucht, möglichst nahe an jenes Mittelerde heranzukommen, wie es Tolkien beschrieben und Peter Jackson in die Kinos gebracht hat.
Drei Episoden sind noch zu wenig für ein definitives Urteil, aber wir haben beispielsweise im Cast schon einige Favoriten/Favoritinnen ausgemacht: Zuallererst Morfydd Clark, sie macht es in ihrer Rolle als Galadriel sehr gut, ob sie sich in elbisch-aristokratischem Umfeld befindet, in Seenot oder im Kampf gegen Trolle.
Dann ist da Ismael Cruz Córdova, der sich als Wald-Elb Arondir nicht nur auf eine eigentlich verbotene Liebesbeziehung mit einer Menschenfrau, der Heilerin Bronwyn (Nazanin Boniadi), einlässt, er ist auch einer der wenigen, der das Erwachen des Bösen schon sehr früh erkennt und sich dagegen stemmt. Córdova liefert mit seiner Ernsthaftigkeit eine wirklich tolle Performance ab.
Gleichermaßen toll, nur von der „Gegenseite", ist die junge Markella Kavenagh in ihrer Rolle als Elanor „Nori“ Brandyfuß. Sie ist ein Harfuß – in etwa wie die Hobbits –, etwas leichtsinnig, abenteuerlustig, lebensfroh, gewitzt und sie folgt ihrem Herzen. Genauso wie Frodo in „Der Herr der Ringe”. Ihre Geschichte ist eine von etlichen, die in den ersten drei Episoden angelegt wurden und es wird spannend zu sehen wohin das führt.
Das sind drei der eigentlich mittlerweile sehr vielen Figuren/Rollen, die nach nur drei Episoden eingeführt worden sind. Nach der dritten Episode fühlt es sich an wie ein Netz, das sich immer weiter ausdehnt. Die Welt von Mittelerde, die Welt von Tolkien hat das Potential dazu, „groß” genug zu sein, um den geplanten fünf Staffeln den notwendigen Stoff zu liefern.
Hier entsteht grad eine große Welt, hier tut sich gerade eine große weite Fantasy-Welt auf, auf die man sich - mit der Versicherung der ersten drei Episoden – mit viel Vorfreude einlassen kann.
Die einzelnen Episoden dauern übrigens knapp 60 Minuten, ein sehr gutes Format angesichts der Tatsache, dass wirklich einiges passiert in dieser einen Stunde, denn es werden gleich mehrere mehrere Erzählstränge aufgemacht. Aber: Regie, Drehbuch, Camera und Special Effects lassen sich auch immer wieder Zeit für Details, für Alltagsszenen, für Atmosphäre und für die Darstellung der vielfältigen Welt von Mittelerde.
Bislang war – nach der zweiten und der dritten Episode – am Ende stets ein Cliffhanger, der mit Spannung auf den kommenden Freitag warten ließ bzw. lässt. Für nicht allzu konservative Tolkien-Fans eine nahezu perfekte Situation. Und als Tolkien-Fan wünscht man sich immer wieder, die Serie doch im Kino sehen zu können, auf großer Leinwand, mit wuchtigem Klangbild.
Links:
Prime Video: https://www.primevideo.com/region/eu
Trailer (deutsch): https://youtu.be/-aCsZkSYPGQ