Culture | Salto Afternoon

Klassismus in der Dekadenz

Elke Hartmann inszeniert das witzige und politische Stück "Café Populaire" der Autorin Nora Abdel-Maksoud für die Dekadenz in Brixen. Ein Vorgespräch.
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Foto: Dekadenz Brixen

salto.bz: „Café Populaire“ ist ein Stück der Autorin Nora Abdel-Maksoud. Wann haben Sie es zum ersten Mal auf der Bühne miterleben dürfen?

Elke Hartmann: Ich hab das Stück vor Probenbeginn nie gesehen, durfte es also erstmals in der Dekadenz erleben. 

Es gibt mehrere Fassungen von „Café Populaire“ – welche wird in Brixen zur Aufführung gebracht? 

Wir spielen die erste, die Schweizer Fassung, wobei die Unterschiede zur Hamburger Fassung nicht wesentlich sind. 

 

Welche Rolle spielen Geld, Klasse, soziale Klischees im Stück? 

Das Stück beschäftigt sich im Kern mit Klassismus. Mit der Frage, ob wir in einer Klassengesellschaft leben, und wie diese Klassen heute definiert sind, und ob wir sie als solche überhaupt erkennen. Es geht für mich aber auch ganz stark darum, was „Links sein“ noch bedeutet. ob es, nach dem Sieg des Neoliberalismus und der freien Marktwirtschaft, nach dem Wegfall der linken Utopie, überhaupt noch die Möglichkeit gibt sich links zu positionieren, und solidarisch mit sozial Schwachen zu sein.  Oder ob wir nur noch Zielgruppen sind, und im Distinktionsdschungel verschütt gehen, auch wenn wir das verdrängen, nicht wahrnehmen. Der Arbeiter als Sehnsuchtsfigur der akademischen Linken?

Es fällt auch der Satz: Warum kann man im Theater so gut Witze über Arme machen? – Weil sie sich die Karten eh nicht leisten können. Darf man bei einem solchen Witz lachen? Oder sollte man eigentlich weinen?

Viele der Witze in diesem Stück sind knallhart. Ob man darüber empört ist, lacht oder weint, bleibt jedem überlassen. Für mich ist dieser Humor wunderbar an der Kippe, mitunter lache ich, um mich im nächsten Moment dafür zu schämen. Das kann einen ziemlich herausfordern, sich mit sich selbst konfrontieren. 


Was hat sie gereizt, gerade dieses Stück zu inszenieren?

Das Spannende an der Arbeit war den passenden Umgang mit Stereotypen und Klischees zu finden. Eine Form, die über das Abnicken vorgefasster Haltungen hinausgeht, dabei unterhält und trotzdem die Bitterkeit der Geschichte erzählt. 

Die Hauptdarstellerin Svenja ist ein Gutmensch aus dem Bildungsbürgertum, die als Künstlerin mit Humor und Humanismus die Welt verbessern will. Kann das gelingen? Oder nur im Theater?

Ich glaube nicht, dass Theater die Welt verändert, aber vielleicht ein kleiner Anstoß sein kann, Gesellschaft eine Spur anders zu reflektieren. 

Um ihren Lebensunterhalt zu bezahlen, arbeitet Svenja auch als Clownin. Werden in „Café Populaire“ – wie bei Shakespeare – über die „Narren“- oder Clownrolle Wahrheiten unverblümter an- oder ausgesprochen?

Ja, ich denke Nora Abdel-Masoud bedient sich dieser Narren Mittel. Café Populaire ist extrem witzig, dabei hoch politisch, ohne in irgendeiner Weise ins Kabarett zu entgleiten.