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Foto: Corriere di Torino
Chronicle | Covid in Piemont

Notbetten in der Kapelle

In kaum einer anderen Region schafft die Covid-Epidemie so grosse Probleme in den Krankenhäusern wie in Piemont.
Für Laien ist die heftig umstrittene Entscheidung der Regierung über die zone rosse e gialle schwer zu beurteilen. Denn dabei sind 20 verschiedene, vom comitato tecnico-scientifico festgelegte  Parameter zu berücksichtigen. Es mag auf den ersten Blick absurd erscheinen, die Lombardei und Piemont als gefährlichere Regionen einzustufen als Kampanien.
Doch die Hysterie und die politischen Aggressionen, die dieser Entscheidung folgten, haben andere, politische Wurzeln – vom ewigen Nord-Süd-Gefälle bis hin zur Verachtung der Lega für Premier Giuseppe Conte und zur Versuchung, die Epidemie als willkommenen Vorwand zum Sturz des Regierungschefs zu missbrauchen.In anderen Ländern passiert das Gegenteil: man lässt politische Gegensätze ruhen und bemüht sich um Gemeinsamkeit im Kampf gegen die Epidemie.
Doch fast 450 Tote an einem einzigen Tag sind für Lega-Chef Matteo Salvini, den lombardischen Präsidenten Attilio Fontana und ihren piemontesischen Kollegen Alberto Cirio offenbar kein Anlass, das Kriegsbeil zu begraben. Für Cirio wirft die Entscheidung grundsätzliche Fragen auf: "Cosa rispondi ad un ristoratore piemontese costretto a chiudere mentre a Napoli, dove la situazione epidemica è analoga, le persone possono mangiare la pizza sul lungomare?", fragt er gereizt.
 
 
So, als müsste das, was am Strand Kampaniens gilt, automatisch auch für die Alpenregion Piemont gelten, deren Sanitätssystem vor dem Zusammenbruch steht. "Piemonte al colasso", warnt die Turiner Tageszeitung La Stampa: "Lo spettro di Bergamo spaventa Torino".
Während der Gouverneur über geschlossene Restaurants jammert, hat das Ospedale San Luigi Gonzaga in Orbassano bereits die Kapelle in eine Covid-Station umfunktioniert. 
Die Bilder, die man in den letzten Tagen aus der Region sehen konnte, vermittelten einen ernüchternden Eindruck. Kolonnen von Rettungswagen, die Covid-Erkrankte aus der piemontesischen Hauptstadt in periphere Krankenhäuser der Region bringen. Covid-Patienten auf Tragbahren des Militärs am Boden des Krankenhauses von Rivoli, wo ein auf den Boden geklebtes Isolierband positive von negativen Patienten trennt. Im Ospedale Mauriziano in Turin liegen Intensivpatienten auf dem Boden. In den Krankenhäusern muss die Zahl der Covid-Betten um 50 Prozent erhöht werden – wie, weiss freilich niemand.
 
Während der Gouverneur über geschlossene Restaurants jammert, hat das Ospedale San Luigi Gonzaga in Orbassano bereits die Kapelle in eine Covid-Station umfunktioniert. Zwei Ärzteteams aus dem Ausland trafen am Sonntag in Turin ein, um Hilfe zu leisten.
Zu dumm, dass die aus Ländern stammen, die der Gouverneur verabscheut: Kuba und China.