Politics | Wohnbau

Minireform & Maxikonflikt

Im 4. Gesetzgebungsausschuss kommt es bei der Behandlung der Wohnbaureform zum Eklat. Die Konflikte innerhalb der SVP und in der Landesregierung treten offen zu Tage.
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Foto: Salto.bz
Brigitte Foppa kann nur mehr lachen. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt die grüne Landtagsabgeordnete. Auch Franz Ploner traut seinen Augen und Ohren nicht mehr. „Ich verstehe nicht, wie man so stümperhaft vorgehen kann und sich vor der Opposition so aufführen kann“, meint der Team-K-Abgeordnete.
Beide Landtagsabgeordnete kommen am Dienstag aus der Sitzung des 4. Gesetzgebungsausschusses. Auf der Tagesordnung: die letzten Artikel der von Landesrätin Waltraud Deeg eingebrachten Wohnbaureform. Seit fast einem Jahrzehnt diskutiert man über eine Reform des öffentlichen Wohnbaus in Südtirol. Waltraud Deeg will, unterstützt von den SVP-Arbeitnehmervertretern Helmut Renzler und Magdalena Amhof, diese Reform so schnell wie möglich und vor allem noch im Jahr der Landtagswahlen über die Bühne bringen.
Bereits bei der Ausarbeitung des neuen Gesetzes kommt es dabei aber zu Differenzen und einem Konflikt zwischen Landeshauptmann Arno Kompatscher und seiner Stellvertreterin. Mehrmals bremst Kompatscher das Vorhaben. Am Ende wird die groß geplante Reform zu einem Reförmchen zusammengestutzt.
 
 
 
Aus dem Reformvorhaben ist nun eine Minireform geworden – die aber einen Maxikonflikt innerhalb der SVP erahnen lässt“, bringt es Brigitte Foppa auf den Punkt. Es ist ein Konflikt, der seit Monaten zwischen Arno Kompatscher und Waltraud Deeg lodert und der jetzt auf der Sitzung des 4. Gesetzgebungsausschusses offen zu Tage getreten ist. Denn dem Landtagsausschuss wurde ein Schreiben vorgelegt, das eine einzige Watschen für seine Stellvertreterin Waltraud Deeg ist.
Franz Ploner: Hier scheint es zwischen den einzelnen Fraktionen der Mehrheitspartei Zoff und Unstimmigkeiten zu geben und das hat zu einem Procedere geführt, das wirklich einmalig ist.“
 

Fehlendes Gutachten

 
Die Bestimmungen sehen vor, dass jeder Gesetzesvorschlag, der im Landtag eingebracht wird, auch eine Kostenberechnung und eine klare Regelung für die finanzielle Deckung der Kosten enthalten muss. In der Praxis wird das so gehandhabt, dass Landesräte, Abgeordnete der Regierungsparteien, aber auch Vertreterinnen der politischen Minderheit vorab mit den zuständigen Beamten der Finanzabteilung ihren Vorschlag zur Kostendeckung absprechen.
 
 
 
Diese gängige Praxis macht sich doppelt bezahlt. Denn es ist auch gesetzlich vorgesehen, dass die Finanzabteilung des Landes zu jedem Gesetzesvorschlag ein Gutachten zu dessen Finanzierung abgeben muss. Das Gutachten muss spätestens bei der Behandlung im Gesetzgebungsausschuss vorliegen.
Und genau das ist der Punkt, an dem die politische Bombe platzte. Am Dienstagvormittag behandelt der vierte Gesetzgebungsausschuss die Finanzbestimmungen zur geplanten Wohnbaureform. Dabei kommt zu Tage, dass das Amt für Haushalt und Programmierung sich geweigert hat, ein solches Gutachten abzugeben.
Die Gründe dafür werden in einem amtlichen Schreiben an die Ausschusspräsidentin Paula Bacher dargelegt.
 
 
Ist die Wohnbaulandesrätin nicht imstande, eine ordentliche Kostenberechnung und -deckung vorzulegen?
Jeder einzelne Einwand ist eine Watschen für die Verfasser und Einbringer des Reformvorschlages, die sich anscheinend nicht vorab mit der Finanzabteilung abgesprochen haben.
Brigitte Foppas Bewertung des Schreibens: „Das ist an sich schon völlig ungewöhnlich und besagt in anderen Worten, dass die Wohnbaulandesrätin nicht imstande gewesen sei, eine ordentliche Kostenberechnung und -deckung vorzulegen.
 

Zwei Lesarten

 
Was die Peinlichkeit aber zu einer politischen Bombe macht, ist die Unterschrift unter diesem Schreiben. Sie stammt von Landeshauptmann Arno Kompatscher in seiner Funktion als Landesrat für Finanzen.
Straft hier Kompatscher seine Stellvertreterin Deeg öffentlich ab? Weil Sie allzu deutlich Avancen auf sein Amt als Landeshauptmann gezeigt hat und in der Affäre rund um die "Freunde im Edelweiß" recht klar Partei für die Kompatscher-Gegner ergriffen hat?
Es ist eine Lesart des Konfliktes, die man so stehen lassen kann.
 
 
 
Es gibt aber auch noch eine zweite Lesart.
Das Kompatscher-Schreiben wurde Ausschusspräsidentin Paula Bacher bereits am 27. Oktober zugestellt. Bacher hat das Schreiben aber anscheinend auf ihren Dienstcomputer „vergessen“ und es deshalb erst am 4. November dem Sekretariat der Gesetzgebungskommission weitergeleitet. Die Ausschussmitglieder haben es überhaupt erst am Montagnachmittag zu Gesicht bekommen.
Vor diesem Hintergrund wird der öffentlich zutage getretene Konflikt aber noch absurder. Bis zur entscheidenden Sitzung des Gesetzgebungsausschusses sind 12 Tage vergangen. „Es hätte doch möglich sein sollen, dass die Landeshauptmannstellvertreterin Deeg mit dem Landeshauptmann die einzelnen eingeforderten Punkte persönlich im Rahmen der Regierungssitzungen bespricht“, meinen die beiden Minderheitenvertreter im Gesetzesausschuss Foppa und Ploner unisono.
Dass das aber anscheinend nicht geschehen ist, spreche Bände über die Grabenkämpfe innerhalb der SVP-Fraktion.
 

Renzlers Kunstgriff

 
Anstatt miteinander zu reden oder die Beanstandungen der Finanzabteilung auszuräumen, hat man innerhalb der SVP einen Kunstgriff eingesetzt. Am Montag reichte der SVP-Landtagsabgeordnete, Vizepräsident des 4. Gesetzgebungsausschusses und Miteinbringer des Wohnbaugesetzes Helmuth Renzler einen Abänderungsantrag ein, mit dem kurzerhand eine neue Finanzierungsregelung in den Gesetzestext eingebaut wurde.
Renzlers Änderungsantrag sieht vor, dass eine finanzielle Deckung von 3,5 Millionen Euro für das Jahr 2023 und 7,8 Millionen für das Jahr 2024 aus einem Sammelfonds für neue Gesetze kommen soll. Der Vorschlag hat gleich mehrere Schwachstellen: Zum einen gibt es dazu kein Plazet der Finanzabteilung, und zum anderen ist der angegebene Fonds bei weitem nicht in dieser Größenordnung dotiert.
 
 
Vor allem aber ist diese Lösung ein Affront gegenüber der Opposition. „Wir haben genau diese Diktion mehrmals bei kleinen, lächerlichen Ausgaben anwenden wollen“, sagt Brigitte Foppa, „und jedes Mal wurde von der SVP behauptet, dass das so nicht gehe“.
Die SVP hat diese Operation jetzt aber trotzdem durchgezogen. Der 4. Gesetzgebungsausschuss genehmigte am Dienstag nicht nur Renzlers neue Finanzregelung, sondern auch den gesamten Gesetzesentwurf.  Die SVP-Abgeordneten Paula Bacher, Franz Locher, Helmuth Renzler und Manfred Vallazza stimmten dafür, während sich Brigitte Foppa, Diego Nicolini und Franz Ploner der Stimme enthielten. Foppa kündigte zudem einen Minderheitsbericht an.
Die Tatsache, dass es eine Einmaligkeit sei, dass ein Gesetzentwurf ohne das nötige Gutachten der Finanzabteilung genehmigt werde, wiegelte die Ausschussvorsitzende mit wenigen Worten ab.
Das Gutachten ist nicht bindend, der Ausschuss kann seine Entscheidungen trotzdem treffen“, meinte Paula Bacher nach der Abstimmung.
Die Frage ist jetzt, ob Finanzlandesrat Arno Kompatscher das auch so sieht. Denn damit ist ein Präzedenzfall geschaffen, der den Rechnungshof brennend interessieren wird.
 
 
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Dietmar Nußbaumer Tue, 11/08/2022 - 19:12

Der Zweitwohnungskauf durch Vermögende von außerhalb der Provinz boomt, die Familien auf Wohnungssuche schauen durch die Finger (da nützt auch der Deeg'sche Tropfen auf den heißen Stein höchstwahrscheinlich eher wenig). Dabei weiß man anscheinend noch nicht einmal, wer das finanzieren darf.

Tue, 11/08/2022 - 19:12 Permalink