Der LitBlog stellt vor: Matthias Vieider
Matthias Vieider, *1990 in Bozen, aufgewachsen in Steinegg, lebt in Wien. Er studierte bzw. studiert Philosophie, Sprachkunst und Jazz-Saxophon in Wien, Linz und Rom. Seine Texte veröffentlichte er in Literaturzeitschriften (zuletzt: Podium pour les #171/172) und Anthologien (zuletzt: lautschrift 2011) und verwendete sie für Ausstellungen (u.a. Next Comic Festival Linz), Performances (u.a. Literaturhaus Wien, Viertelfestival Niederösterreich, MAK Wien) und "Solo-Shows" (zuletzt: Matthias Vieiders Enzyklopädie). Seit 2008 nimmt er an Lesungen (u.a. Künstlerhaus Wien, Kaufleuten Zürich) teil, bis 2010 performte und moderierte er bei Poetry Slam-Wettbewerben. Für seine literarische Arbeit erhielt er kleine Preise und Förderungen. Er ist auf der Suche nach Idyllen, vor denen man nicht flüchten muss.
Die hier zu lesenden Texte sind einer Sammlung von Prosaminiaturen entnommen: Das Manuskript "59 Texte für eine laue Nacht" ist eine Enzyklopädie und wartet auf eine Buchveröffentlichung.
die gelegenheit
ergreifen und schon erfolg. das und seichte witze tischte man mir auf, als ich in der stube saß und las. das sprichwort dazu lautete: in der seichte liegt die quell. wer? in welchem zusammenhang? nörgler traten auf, sie husteten, bevor sie quengelten, dann knurrten sie: nein, nein, nein. das seichte wäre verabzuscheuen und anzubrüllen, bis es sich wie von selbst (und wie ein strumpf) sich selbst überstülpte. wenige von den menschen, die sich in der stube aufhielten, glucksten. die meisten (ca. 70 %) hüpften den nörglern auf den rücken und ritten auf ihnen herum. erfolgreich, wie mir schien, und gelegentlich, viele unzählige wochen lang.
das gesäß
ich saß auf ihm. ich rutschte auf ihm herum. es war mir über weite strecken meines lebens geheuer. oft nannte ich es einen sitz im sinne von sitzpolster, dann wieder hovercraft, luftkissen. meistens war alles okay. ich schätzte die bequemlichkeit, denn es hätte auch anders sein können, wüst. in meinem dorf gab es leute, die fügten ihren gesäßen gegenseitig schmerzen zu, indem sie sich (in kurzen hosen) mit den füßen auf die gesäße stießen. dies ließ sich gut veranschaulichen, indem man das gesäß etwa als fußball dachte. und obwohl es sich nur selten ganz unbedeckt zeigte, hatte ich fantasien. ich dachte oft an diese roten, nackigen gesäße einiger affen genannten wesen.
das pferd
daran musste ich mich (bewusst) oft erinnern. und sagte dabei: jetzt erinnere ich mich. dann kam das bild. es handelte sich um ein pferd. auf der mit einem baum versehenen wiese stand ein langgesichtiges wesen. das war ein pferd. es war treu, sanft, voll von statur. es wieherte, wenn man es nur einmal kurz (und mit der fingerspitze) beim ohrläppchen berührte (oder auf den rücken küsste).
die landschaften
ich schwärmte aus, ich zog aus. die sich vor mir ausbreitenden ebenen (die voll waren mit gras und hühnern) luden mich ein, also ging ich, ohne abneigung und ohne verrat. die schuhe hatten kaum löcher, das hemd war ungebügelt, das haar verformte sich, wegen einer brise, die hineinfuhr. zum glück war der himmel leicht bewölkt. wölkchen, wolken und am boden, auf der wiese, zarte, zärtliche narzissen. (narzissenduft.) in der ferne sah ich erste, sich erhebende auffälligkeiten in der landschaft. als ich genauer hinsah (mit meinem fernrohr), erkannte ich sie. wie lange mussten wir uns entbehren, um zu wissen, was es auf sich hat? oh ihr berge!, sagte ich, und weinte. flattrige greifvögel schrien lauthals (ii ii), ebenso rehe (åårh, åårh), hunde. nach deren verdrängung schritt ich voran, kam in herden, von lebewesen, die ich teils streichelte, teils abwimmelte. ich wollte weiter. die berge, die ich meinte – und zu denen ich wollte – hatten schneemulden, deren bilder in meinen vorstellungen hübsch waren. sie ließen welten sich auftun, die ich gerne besuchte, als gast oder als einer, der es gerne mochte, wollte, gewollt hätte oder (glatt) tat.
die wurzeln
sie sagten mir, das seien meine wurzeln. ich sagte: welche wurzeln? ich dachte: das muss gesagt werden. (das hatte reinhold messner in einem gespräch gesagt.)
Sprachkunst - Matthias Vieider liest eigene Texte, 2012
liest sich gut dieser junge
liest sich gut dieser junge südtiroler denker, entspannendes hineintauchen in sprachbilder