70 Jahre Genozid-Konvention
Die „Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords“ ist von der Generalversammlung der VN als Resolution 260 A (III) am 9.12.1948 beschlossen worden und 1951 in Kraft getreten. 147 Staaten haben sie ratifiziert. Zahlreiche Unterzeichnerstaaten haben sie allerdings wiederholt und massiv verletzt. Durch diese 70 Jahre zieht sich eine breite Blutspur von Völkermordverbrechen bis heute, wo Saudi Arabien mit US-Kampfbombern Krankenhäuser und Schulen im Jemen bombardiert und das Assad-Regime mit russischer und iranischer Unterstützung ganze Städte plattbombt.
Mit dieser Konvention hat sich die Staatengemeinschaft eigentlich in die Pflicht genommen, Genozid zu verhindern. Tatsächlich ist das in Form der „humanitären Intervention“ mit militärischen Mitteln selten geschehen. Im Gegenteil: Genozidverbrechen werden durch Waffenlieferung, Blockade im UN-Sicherheitsrat und politische Allianzen geradezu befeuert und das auch seitens der NATO. So hatte die NATO nichts dagegen einzuwenden, dass ihr Mitglied Türkei im Februar-März 2018 die syrische Region Afrin eroberte, die kurdische Bevölkerung kurzerhand vertrieb und seitdem kolonisiert. Die in Sachen Menschenrechtsschutz höchst unglaubwürdigen USA hatten nichts dagegen, dass ihr Verbündeter Saudi Arabien seit Jahren versucht, den Jemen auszuhungern, vielmehr hat die Trump-Regierung 2017 einen 110-Milliarden-Dollar-Waffendeal mit Riad abgeschlossen. Völkermord ist zwar oft ins nationale Strafgesetzbuch aufgenommen worden, dennoch können unsere Regierungen Genozidverbrechern in aller Welt ungestraft Waffen liefern.
Völkermordverbrechen, angeordnet von Staatschefs, Diktatoren, und anderen Machthabern, sind in der Regel straflos und ungesühnt geblieben. Kein US-Präsident ist für den 100.000fachen Mord an der vietnamesischen Zivilbevölkerung je angeklagt worden. Doch gab es vor 20 Jahren nach dem Jugoslawien- und Ruanda-Tribunal einen wichtigen Schritt, diese Folgenlosigkeit bei Genozidverbrechen zu beenden. Der 1998 eingerichtete Internationale Strafgerichtshof IStGH sollte weltweit Völkermordverbrechen ahnden, indem die direkt Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Das geschah mit einzelnen Kriegsverbrechern des ex-Jugoslawien-Konflikts, des Ruanda- und Kongo-Kriegs. Am 16.11.2018 wurden zwei hochrangige Führer der Roten Khmer wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt, nach 40 Jahren. Der IStGH hat heute 123 Mitglieder, doch die mächtigen Staaten USA, Russland, China, Türkei, Israel sind wohlweislich fern geblieben.
Wird Genozid nicht geahndet oder gar nicht einmal von den Verantwortlichen anerkannt, wird das Verbrechen nicht aufgearbeitet. So hat die Türkei den 1915-16 an den Armeniern begangenen Völkermord nie offiziell eingestanden. So kann Erdogan heute die Unterdrückung von Millionen von Kurden im eigenen Staat und den Aggressionskrieg gegen Afrin als nationale Verteidigung darstellen, befindet sich aber in Kontinuität zu den Verbrechen des Atatürk-Regimes vor 100 Jahren.
Nach dem Völkermord in Ruanda 1994 und dann in Bosnien-Herzegowina war die Staatengemeinschaft aufgerüttelt worden, die Völkermordskonvention von 1948 ernster zu nehmen. Bei der UN-Generalversammlung von 2005 erklärten 190 Mitgliedsländer ihre Bereitschaft, Verantwortung zum Schutz der Zivilbevölkerung bei kriegerischen Auseinandersetzungen zu übernehmen. Seit 2005 sind insgesamt über 600.000 Zivilisten bei Kriegen getötet und Millionen vertrieben worden. Ganz klar, heute muss die UN, neben dem IStGH, weitere und wirksamere Maßnahmen ergreifen, um Völkermord nicht nur im Nachhinein zu ahnden, sondern im Vorfeld zu verhindern.