Politics | Haushaltsrede

"Zurück Richtung Zukunft finden"

Arno Kompatscher stellt das Haushaltsgesetz vor und ruft dazu auf, Veränderungen anzustreben. Die Opposition kritisiert den fehlenden Mut, echte Reformen einzuleiten.
Arno Kompatscher
Foto: Martin Werth-Landtag

Südtirol habe die Chance verpasst, die Covid-19-Pandemie rasch zu überwinden. Jetzt sei es jedoch an der Zeit, den richtigen Weg in die Zukunft einzuschlagen. Mit diesen Worten eröffnet Landeshauptmann Arno Kompatscher seine Haushaltsrede am gestrigen Dienstag und leitet somit die Debatte zum Haushaltsgesetz 2022 ein, die in der kommenden Woche im Landtag geführt wird.

Im Rahmen der Haushaltsrede hebt Kompatscher Nachhaltigkeit, Bildung, Wirtschaft, Gesundheit und Soziales als Schlüsselthemen hervor und beschwört, dass auch das Wachstum seine Grenzen haben muss. Die Opposition kritisiert die fehlende Einbindung des Landtags, Reform- und Rationierungswillen, einerseits (Team K) und den fehlenden Praxisbezug der schönen Worte andererseits (Grüne).

 

Mehr Geld, aber höhere Ausgaben

 

6,53 Milliarden Euro soll das Südtiroler Haushaltsgesetz im Jahr 2022 umfassen. Eine Summe die - Nachtragshaushalt ausgeschlossen - zwar höher ausfällt als jene der letzten Jahre, gleichzeitig aber auch höhere Kosten bewältigen muss. So sind die Ausgaben für Dienstleistungen vor allem im Bereich des Sozialen in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen und auch im Gesundheitsbereich muss mit einem jährlichen Kostenanstieg von rund 2% gerechnet werden: Die Ausgaben für den Sozialbereich starten im kommenden Haushalt bei rund 523 Millionen Euro und werden mit dem Nachtragshaushalt - der geringer ausfallen soll als in diesem Jahr - noch ergänzt werden; für den Gesundheitsbereich sind 1.454 Millionen Euro vorgesehen. Weitere Kostenpunkte, die Kompatscher hervorhebt, sind Investitionen in den Bevölkerungsschutz, Mobilität und den Bildungsbereich sowie laufende Ausgaben und bereits verpflichtete Gelder.

 

Mit Blick auf die Finanzierung nennt Kompatscher einerseits die Mehreinnahmen aus der Wirtschaft, die sich besser und schneller erholt habe als erwartet sowie zusätzliche Einnahmen durch die Erhöhung der Wertschöpfungssteuer (IRAP) auf 3,9%. Zudem kommen rund 237 Millionen aus dem Finanzabkommen mit dem Staat. “Die befürchtete Finanzierungslücke von rund 700 Millionen Euro konnte somit auf 180 Millionen reduziert werden”, so Kompatscher.

 

Nachhaltigkeit, aber wie?

 

Bezug nehmend auf die nötigen gesellschaftlichen Veränderungen, um eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben, gab Landeshauptmann Kompatscher zu bedenken, dass die gesellschaftlichen Risse der Pandemie keine sonderlich guten Vorzeichen dafür seien. Der Weg zu den 17 Nachhaltigkeitszielen sei weit und erfordere den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. "Große Veränderungen lassen sich naturgemäß aber nur schwer anstoßen", erklärte Kompatscher, "wenn zwar alle darüber einig sind, dass sich etwas ändern muss, aber eben beim Nächsten anzufangen sei." Kompatscher bezeichnete das "allein auf positives Wachstum ausgerichtete Modell als eine der Wurzeln des Problems" und betonte: "Verzicht muss in einer Überflussgesellschaft wie der unseren nicht unbedingt ein Einschnitt oder ein großer Verlust sein.”

Während das Thema Nachhaltigkeit also Kompatschers Rede prägt und auch die Kritik am Entwurf zur Überarbeitung des Klimaplans zur Kenntnis genommen wird, scheint es, als sei sich Kompatscher selbst bewusst, dass zu wenig in wirkliche Veränderung investiert wird. Eine Kritik, die auch die Abgeordneten Paul Köllensperger (Team K), Hanspeter Staffler und Brigitte Foppa (Grüne) äußern.

 

“Rationalisierung und grundlegende Reformen fehlen”

 

“Mit über 6,5 Milliarden Euro ist der Südtiroler Haushalt einmal mehr sehr gut ausgestattet”, so die Stellungnahme des Team Ks. “Dies bedeutet aber auch, dass der Haushalt Möglichkeiten bieten würde, um längst überfällige Reformen oder neue Herausforderungen anzugehen.” Hier sieht Köllensperger jedoch Handlungsbedarf: “Eine spending review des Haushaltes, das heißt, eine Analyse aller Ausgaben auf Sinnhaftigkeit und Effizienz, ein Überdenken der verschiedenen Haushaltspositionen anstelle eines einfachen Weiterschreibens derselben findet - trotz der Ankündigung - nach wie vor nicht wirklich statt”, so Köllensperger, “indes werden die immer weiter steigenden Kosten mit Steuererhöhungen bei der IRAP zulasten der Südtiroler Unternehmen gegenfinanziert.” Er fordert, dass die laufenden Ausgaben überarbeitet und rationalisiert und “wirkliche Reformen” angegangen werden. “Das Problem dieses Haushalts liegt eindeutig bei den Ausgaben, nicht bei den Einnahmen”, so Köllensperger. Zudem kritisiert er die späte Einbindung des Landtags sowie die “Undurchdringlichkeit” des 1.000 Seiten langen Haushaltdokuments, das grundlegende Erläuterungen entbehre.

 

“Rückkehr zur Normalität”

 

Hanspeter Staffler sieht im Haushalt 2022 eine gewisse Rückkehr zur Normalität; eine Normalität, die er auch im - für ihn unverständlichen - Aufbegehren des Unternehmerverbandes gegen die Erhöhung der Wertschöpfungssteuer IRAP sieht. Staffler begrüßt die für Gesundheit, Bildung, Soziales und Mobilität zur Verfügung gestellten Mittel - obwohl die Landesregierung beim Sozialen zwischen 70 und 100 Millionen Euro nachbessern muss. Gleichzeitig kritisiert er die fehlenden Mittel für "politische Leichtgewichter": "Jugend, Denkmalpflege und Naturschutz haben es ungleich schwerer”, so Staffler. “Den Kleinen wird auch noch das Wenige gekürzt. Dieses Mal scheint es auch den Bevölkerungsschutz hart zu treffen, die Unterfinanzierung ist beträchtlich. In einer misslichen Lage befinden sich auch die öffentlich Bediensteten. Die entsprechenden Kapitel sind entweder schwach oder gar nicht dotiert.”

 

Brigitte Foppa befürwortet zwar den “grünen Zeitgeist”, den das Haushaltsdokument enthalte, kritisiert jedoch die fehlende Umsetzung davon. “Ein Blick in die Praxis zeigt uns”, so Foppa, “dass die Erschließung der Berge keineswegs in Grenzen gewiesen wird, ebenso wenig wie die immer größenwahnsinnigeren Hotelprojekte”. Für Foppa steht das Nachhaltigkeitsdreieck aus Ökologie, Ökonomie und Sozialem mit Blick auf den Haushaltsentwurf auf wackeligen Beinen: “Das Soziale muss auch heuer wieder auf den Nachtragshaushalt hoffen”, so Foppa.